Büro Brüssel

Ausgabe 21/2004                                                                                                                10.11.2004

 

Themen in dieser Ausgabe:

 

Strafrecht/Zivilrecht

- Haager Programm

 

Strafrecht

- EU-Register

 

Rechtsprechung

- Neues EU-Gericht für den Öffentlichen Dienst

 

 

Sonstiges

- Neue Europäische Kommission

- Unterzeichnung des Europäischen Verfassungs-
  vertrages

- Neues Verbraucher-Netz

- Neuer EUR-lex Internetauftritt


 

Strafrecht/Zivilrecht

 

Haager Programm

Während seiner Tagung am 04. – 05.11.2004 hat der Europäische Rat das sog. "Haager Programm" (siehe Anlage I der Schlussfolgerungen des Vorsitzes) für den Bereich der gemeinsamen Innen- und Rechtspolitik gebilligt. Schwerpunkte des Haager Programms sind u. a. die grenzüberschreitende Verfolgung von Strafsachen und gegenseitige Anerkennung straf- und zivilrechtlicher Entscheidungen. Zur Umsetzung dieses Grundsatzes im Strafrecht, wie z.B. für die Erhebung und Zulässigkeit von Beweismitteln oder die Vollstreckung rechtskräftiger Urteile, soll ein umfassendes Maßnahmenprogramm bis Ende 2005 durch Vorschläge der Kommission konkretisiert werden. Dieses sieht auch die Vereinheitlichung verfahrensrechtlicher Garantien vor. Darüber hinaus sollen materiell-rechtliche Normen im Bereich besonders schwerwiegender Delikte mit grenzüberschreitendem Charakter einander angepasst werden. Bis 2011 sollen für den Bereich des Zivilrecht einheitliche Regelungen zum Kollisionsrecht für vertragliche und außervertragliche Schuldverhältnisse (Rom I und II), zur außergerichtlichen Streitbeilegung sowie den Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls geschaffen worden sein. Es sollen ferner die Verfahren, wie z.B. die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke und die Vollstreckung von Entscheidungen standardisiert werden. Grundlegende Änderungen sind im Bereich des Familien- und Erbrechts vorgesehen. Bis 2011 sollen Rechtsinstrumente für die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltszahlungen sowie Kollisionsnormen im Bereich des Erbrechts, des ehelichen Güterstandes und in Scheidungssachen geschaffen werden Insbesondere soll das erbrechtliche Verfahren durch einen Europäischen Erbschein erleichtert werden. Ein bedeutsames Vorhaben ist schließlich der im Bereich des Vertragsrechts geplante gesetzliche Rahmen für EU-weite vertragsrechtliche Standardbestimmungen, die jedoch, jedenfalls zunächst, keine zwingende Wirkung entfalten sollen.

 

Strafrecht

 

EU-Strafregister

Im Rahmen des "Haager Programms" (siehe oben) hat der Europäische Rat die Geltung des Grundsatzes der Verfügbarkeit für den Austausch strafverfolgungsrelevanter Informationen mit Wirkung spätestens zum 01.01.2008 beschlossen. Ab diesem Zeitpunkt wird unionsweit ein Strafverfolgungsbeamter solche Informationen aus einem anderen Mitgliedstaat erhalten können, soweit er diese zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt und die Einhaltung der Datenschutzvorschriften gewährleistet ist. Das BMJ hat bereits für das Jahr 2005 einen elektronischen Informationsaustausch zwischen dem deutschen Bundeszentralregister und den französischen und spanischen Strafregistern über dort gespeicherte Vorstrafen mit den zuständigen Stellen in Spanien und Frankreich vereinbart.

 

Die Pressemitteilung des BMJ finden Sie hier.

 

Den Beschlussvorschlag der Kommission über den Austausch von Informationen aus dem Strafregister finden Sie hier.

 

Wir berichteten über dieses Thema bereits in den Ausgaben 20 und 18 der Nachrichten aus Brüssel.

 

 

Rechtsprechung

 

Neues EU-Gericht für den Öffentlichen Dienst

Am 02.11.2004 hat der Rat der EU durch einstimmigen Beschluss gemäß § 225 a EG-Vertrag die Errichtung des Gerichts für den Öffentlichen Dienst beschlossen. Es ist geplant, dass das Gericht seine Arbeit bereits im Jahr 2005 aufnimmt. Damit hat der Rat einen wichtigen Schritt zur Durchführung der im Vertrag von Nizza vorgesehenen Reformen des Gerichtssystems vorgenommen, die eine Verkürzung der Verfahrensdauer und eine wirksamere Bearbeitung der Rechtssachen gewährleisten sollen. Das neue, mit sieben Richtern besetzte Fachgericht ist nunmehr erstinstanzlich für Streitigkeiten des Öffentlichen Dienstes, d.h. für Streitigkeiten zwischen den Europäischen Institutionen und ihren Vertretern oder sonstigen öffentlichen Bediensteten, zuständig. Gegen Entscheidungen des Fachgerichts kann ein Rechtmittel beim Gericht erster Instanz nur hinsichtlich einzelner Rechtsfragen eingelegt werden. Eine Überprüfung durch den EuGH ist nur für Ausnahmefälle vorgesehen.

 

Die Pressemitteilung des EuGH finden Sie hier.

 

Die Pressemitteilung des Rates finden Sie hier (englisch).

 

Sonstiges

 

Neue Europäische Kommission

Nachdem der designierte Präsident der Kommission José Manuel Barroso am 04.11.2004 dem Europäischen Rat seine umgebildete Mannschaft für die Kommission vorgestellt hat und diese von den Staats- und Regierungschefs gebilligt wurde, steht nunmehr die Entscheidung des EP aus. Die hierzu erforderliche Abstimmung soll voraussichtlich am 18.11.2004 stattfinden. Der italienische Kandidat Rocco Buttiglione wurde durch den noch amtierenden italienischen Außenminister Franco Frattini für das Amt des Innen- und Justizkommissars und die lettische Kandidatin Ingrida Udre durch den früheren lettischen Finanzminister Andris Piebalgs für das Energieressort ersetzt. Da der ungarische Kandidat László Kovács trotz entsprechender Forderungen Barrosos von seiner Regierung nicht durch einen anderen Kandidaten ausgetauscht wurde, soll er nun das Amt des Steuerkommissars übernehmen. Lediglich hinsichtlich der umstrittenen Niederländerin Neelie Kroes blieb Barroso bei seinem bisherigen Vorschlag, ihr das bedeutsame Wettbewerbsressort zuzuweisen.

 

Weitere Informationen sind abrufbar über die Pressekonferenz vom 04.11.2004 einschließlich der neuen Liste der Kommissionsmitglieder (englisch).

 

Weitere Berichte über die designierte Kommission finden Sie in den Ausgaben 20, 19 und 16 der Nachrichten aus Brüssel.

 

Unterzeichnung des Europäischen Verfassungsvertrages

Am 29.10.2004 haben die Staats- und Regierungschefs der 25 Mitgliedstaaten der EU und der drei Kandidatenländer Bulgarien, Rumänien und Türkei in Rom den Europäischen Verfassungsvertrag unterzeichnet. Für die Ratifizierung des Verfassungsvertrages ist von den Mitgliedstaaten ein Zeitraum von Ende 2004 bis Sommer 2006 angegeben worden, wobei 19 Mitgliedstaaten innerhalb der ersten Jahreshälfte 2005 das Ratifizierungsverfahren abgeschlossen haben wollen. In 10 Mitgliedstaaten wird hierfür die Durchführung eines Referendums erforderlich sein. In 7 Mitgliedstaaten, nämlich Dänemark, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Irland, Spanien, Tschechische Republik und für den Fall von mehr als 50 % Beteiligung auch Portugal wird das Ergebnis der Volksabstimmung für die Regierungen bindende Wirkung haben. In weiteren 5 Mitgliedstaaten, u. a. in Deutschland, steht noch nicht fest, ob eine Volksabstimmung durchgeführt werden soll. In Deutschland wird die Verfassung frühestens zum 01.11.2006 in Kraft treten. Zu den wichtigsten justiziellen Neuerungen des Verfassungsvertrages zählt zum einen das Amt des Präsidenten des Europäischen Rates, durch welches das bisherige System des rotierenden Ratsvorsitzes ersetzt wird, und zum anderen das neue Amt eines Außenministers der EU. Dieser wird gleichzeitig als Vizepräsident der Kommission für die auswärtigen Beziehungen verantwortlich sein und erhält somit durch Verknüpfung zwischen dem Ministerrat und der Kommission eine größere Gestaltungsmöglichkeit als der bisherige Hohe Vertreter für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.

 

Eine interaktive Karte mit Informationen zur Ratifizierung in den Mitgliedstaaten finden Sie hier (englisch).

 

Informationen der EU zum Verfassungsvertrag finden Sie hier.

 

Den vollständigen Verfassungstext erhalten Sie hier.

 

Wir berichteten bereits in den Ausgaben 17, 14 und 13 der Nachrichten aus Brüssel über den Verfassungsvertrag.

 

Neues Verbraucher-Netz

Am 28.10.2004 hat der noch amtierende EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz, David Byrne, mitgeteilt, dass bis Anfang 2005 ein neues EU-weites Netz zur Unterstützung der Verbraucher verfügbar sein werde. Dieses werde den EU-Bürgern einen umfassenden Service von der Information über bestehende Verbraucherschutzgesetze bis zur gerichtlichen sowie außergerichtlichen Streitbelegung bieten. Zu diesem Zweck sollen die bestehende Netze, das Netz der Europäischen Verbraucherzentren (englisch) und das Europäische Netz für die außergerichtliche Streitbeilegung, zusammengelegt werden. Zukünftig müssten sich Verbraucher daher nicht mehr zur Regelung eines Problems an zwei verschiedene Ansprechpartner richten.

 

Die Pressemitteilung der Kommission finden Sie hier.

 

Neuer EUR-lex Internetauftritt

Nach dem Zusammenschluss der EUR-lex Website mit der CELEX Datenbank für Europarecht präsentiert sich EUR-lex seit dem 01.11.2004 neu. Sie bietet einen kostenlosen Zugriff auf mehr als 1,5 Millionen Dokumente in 20 Sprachen. Neben dem EU-Amtsblatt gibt es u. a. Informationen zu Verträgen, geltendem Gemeinschaftsrecht sowie zu den Gesetzgebungsvorschlägen der Kommission (sog. KOM-Dokumente). Die Homepage wird täglich aktualisiert und weiter ausgebaut. Die Website finden Sie hier.

 

 

Impressum

Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel, Avenue de Tervuren 142-144, B-1150 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax: 0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.be

 

Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Tanja Struve und RA Wolfgang Eichele LL.M..

© Bundesrechtsanwaltskammer

 

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