Büro Brüssel
Ausgabe
22/2004 25.11.2004
Themen in dieser
Ausgabe: - Zusammenarbeit zwischen OLAF und Staatsan- waltschaften - Rahmenbeschluss zur
Vorratsdatenspeicherung - Die Rechte von Kindern
in Strafverfahren |
- Neue Internetseite für europäische - Litauen ratifiziert
EU-Verfassungsvertrag - Neue Europäische
Kommission |
Strafrecht
|
Zusammenarbeit
zwischen OLAF und Staatsanwaltschaften
Am
18. - 19.11.2004 hat in Brüssel ein Treffen
von Rechtsexperten des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) mit
Staatsanwälten der einzelnen Mitgliedstaaten stattgefunden. Ziel des Treffens
war es, die Teilnehmer über die Funktion und Kompetenzen des OLAF zu
informieren und gleichzeitig gemeinsam zu überlegen, auf welche Weise OLAF die
Ermittlungen der nationalen Justizbehörden noch effizienter unterstützen
könnte. Es ist Aufgabe von OLAF, Betrugsdelikte im Zollbereich, die missbräuchliche
Verwendung von Subventionen, Steuerhinterziehungen, Korruptionsdelikte oder
sonstige Gesetzesverstöße aufzudecken, die den finanziellen Interessen der
Gemeinschaft schaden. Damit sein abschließender Untersuchungsbericht in den Mitgliedstaaten
als Beweismittel in Gerichtsverfahren verwendet werden kann, hat OLAF während
sämtlicher Untersuchungen die nationalen Verfahrensvorschriften einzuhalten.
Bislang liegt die an den Untersuchungsbericht anschließende Verfolgung von Straftaten
noch in der ausschließlichen Kompetenz der nationalen Justizbehörden. Mit
Ratifizierung des Europäischen
Verfassungsvertrages wird die Möglichkeit eröffnet, über ein Gesetz die
Zuständigkeit des neuen Europäischen Staatsanwalts für Betrugsdelikte
vorzusehen, die gegen die finanziellen Interessen der EU gerichtet sind.
Nunmehr
können auch in den 10 neuen Mitgliedstaaten sowie in Rumänien Bürger über eine
gebührenfreie Rufnummer in ihrer Muttersprache Hinweise auf Betrugs- und
Korruptionsdelikte an OLAF übermitteln. Die deutsche Nummer lautet: 0800 18 20
595. Per Email ist OLAF unter olaf-courrier@cec.eu.int
zu erreichen.
Weitere
Informationen zu OLAF finden sie in der Pressemitteilung
der Kommission vom 15.11.2004 und auf der Homepage des OLAF.
Weitere
Informationen zu den im EU-Verfassungsvertrag vorgesehenen neuen Kompetenzen
der EU finden Sie in Ausgabe
13 der Nachrichten aus Brüssel.
Am
18.11.2004 hat Bundesjustizministerin Zypries die Entscheidung der
niederländischen EU-Ratspräsidentschaft begrüßt,
das Dossier für einen Rahmenbeschluss zur Einführung einer Mindestspeicherfrist
für Telekommunikationsverkehrsdaten zu vertagen. Im April 2004 war von
Frankreich, Irland, Schweden und dem Vereinigten Königreich der Vorschlag
zu einem Rahmenbeschluss unterbreitet worden, der eine Verpflichtung für
Telekommunikationsunternehmen einführen soll, die Mindestspeicherfrist von Telekommunikationsverkehrsdaten
zu verlängern. Es handelt sich dabei nicht um die Speicherung des Inhalts einer
Telekommunikation sondern um die Feststellung, von welchem Anschluss zu welchem
Zeitpunkt Kontakt zu einem anderen Telekommunikationsanschluss aufgenommen
wurde. Solche Daten werden in Deutschland von den Ermittlungsbehörden zur
Aufklärung von Straftaten bereits auf der Grundlage von §§ 100g, 100h StPO
verwendet. Bundesjustizministerin Zypries befürchtet, dass eine Verlängerung
der Mindestspeicherfrist zu einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung der
Telekommunikationsunternehmen führen und somit gegen den verfassungsmäßigen
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen könnte. Zudem müsse zunächst
überprüft werden, ob der geplanten Vorratsdatenspeicherung nicht verfassungs-
sowie datenschutzrechtlicher Bestimmungen entgegenstehen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte
Schaar hat sich auf einer Datenschutzfachtagung generell gegen den
Vorschlag einer Verpflichtung zur flächendeckenden Speicherung von
Telekommunikationsdaten auf Vorrat ausgesprochen. Auch die Arbeitsgruppe des
EU-Ministerrates zum Datenschutz lehnt den Rahmenbeschluss ab, da er gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und
ungehinderte Unterrichtung aus allgemein zugänglichen Quellen sowie Art.8 EMRK,
das Recht auf Achtung des Privatlebens und der Korrespondenz, verstoße.
Rechtsprechung
|
Am
11.11.2004 hat die Generalanwältin am EuGH, Frau Kokott, in ihrem Schlussantrag
zu einem Vorabentscheidungsverfahren (Rechtssache C-105/03) klargestellt, dass
Kinder als Opfer von Straftaten besonders schutzbedürftig seien und vor den
Folgen ihrer Zeugenaussage in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung geschützt
werden müssten. Sie ist zu der Schlussfolgerung gekommen, dass der Rahmenbeschluss
2001/220/JI des Rates vom 15.03.2001 über die Stellung des Opfers im
Strafverfahren je nach den Umständen des Einzelfalls eine Verpflichtung der
innerstaatlichen Gerichte begründen könnte, ein Verfahren der kindgerechten
Beweissicherung außerhalb der Hauptverhandlung durchzuführen, soweit dies mit
den Grundprinzipien der jeweiligen Rechtsordnung vereinbar ist. In dem
Strafverfahren wird einer italienischen Kindergärtnerin vorgeworfen, Anfang
2001 ihr anvertraute Kinder missbräuchlich gezüchtigt und verletzt zu haben.
Das vorlegende Gericht hatte um die Prüfung der Rechtsfrage gebeten, ob acht
der 1996 geborenen Kinder im Wege der Beweissicherung außerhalb der Gerichtsverhandlung
vernommen werden können. Die Vorabentscheidung des EuGH wird in den kommenden
Monaten erfolgen. Auch wenn der Schlussantrag der Generalanwältin für den EuGH
nicht bindend ist, folgt der EuGH regelmäßig den vorbereitenden Gutachten der
Generalanwälte.
Über
den Stand der Umsetzung des Rahmenbeschlusses in den Mitgliedstaaten wurde
bereits in Ausgabe
5 der Nachrichten aus Brüssel berichtet:
Freizügigkeit
|
Neue Internetseite für
europäische Rechtsanwälte
Das Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit hat auf seiner Homepage eine Informationsseite eingerichtet,
auf der seit dem 09.11.2004 ausländischen Freiberuflern Hinweise zur Tätigkeit
und Niederlassung in Deutschland sowie die Adressen erster Kontaktstellen
angeboten werden. So erhalten z.B. Rechtsanwälte unter www.professionals-in-germany.de
die Anschrift der BRAK.
Sonstiges
|
Litauen
ratifiziert EU-Verfassungsvertrag
Litauen
hat als erster der 25 Mitgliedstaaten den EU-Verfassungsvertrag
ratifiziert. Nachdem am 11.11.2004 im litauischen Parlament 84 Abgeordnete bei
vier Gegenstimmen und drei Enthaltungen für die Annahme des
EU-Verfassungsvertrags gestimmt hatten, wurde das Ratifizierungsverfahren am
19.11.2004 formal durch die Unterschrift von Litauens Präsidenten Valdas
Adamkus abgeschlossen. Der Verfassungsvertrag kann erst in Kraft treten, wenn
er von allen Mitgliedstaaten ratifiziert worden ist. Voraussichtlich soll dies
bis November 2006 geschehen sein.
Wir
berichteten bereits in den Ausgaben 21,
17,
14
und 13
der Nachrichten aus Brüssel über den Verfassungsvertrag.
Am
22.11.2004 hat die neue Kommission unter Präsident José Manuel Barroso ihren
Dienst angetreten. Der Rat hatte am 19.11.2004 die Kommission und ihren
Präsidenten formell ernannt, nachdem die Kommission am 18.11.2004 vom Parlament
in Straßburg durch eine breite Mehrheit von 449 zu 149 Stimmen bei 82
Enthaltungen bestätigt worden war. Besondere Zustimmung hatte im Parlament die
Neubesetzung des Kommissars für Justiz, Freiheit und Sicherheit mit dem
ehemaligen italienischen Außenminister, Herrn Franco Frattini, anstelle des
bisherigen Kandidaten Rocco Buttiglione gefunden. Während seiner Anhörung durch
den Rechtsausschuss des Parlaments am 16.11.2004 hatte Herr Frattini betont,
dass er insbesondere die Durchführung des Haager
Programms vorantreiben wolle. Eine Harmonisierung nationaler Vorschriften
zur gegenseitigen Anerkennung und Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen
reiche nicht aus, vielmehr müssten auf europäischer Ebene Mindestnormen für das
prozessuale und materielle Zivilrecht geschaffen werden. Weiterhin wolle er bis
Ende diesen Jahres einen Bericht vorlegen, auf welche Weise die Umsetzung des
Europäischen Haftbefehls in nationale Bestimmungen erfolgen könne. Zur
schnelleren Errichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft nach Inkrafttreten
des EU-Verfassungsvertrages müsse für die Abstimmung des entsprechenden
Gesetzes anstelle der Einstimmigkeit der qualifizierte Mehrheitsbeschluss
treten. In Hinblick auf die geplante
Dienstleistungsrichtlinie müsse berücksichtigt werden, dass eine
umfassende Anwendung des Herkunftslandprinzips nicht den besonderen
Verbraucherschutzinteressen mancher Dienstleistungssektoren gerecht werde.
Konkret zu dem Projekt einer einheitlichen Juristenausbildung innerhalb der
Mitgliedstaaten stellte Herr Frattini klar, dass diese den Mitgliedstaaten aus
Gründen des Verbraucherschutzes nicht aufoktroyiert werden könne. Sinnvoll sei
nur eine gegenseitige Anerkennung auf der Grundlage eines harmonisierten,
akzeptablen Ausbildungsniveaus.
Weitere
Informationen zum Haager Programm finden Sie in Ausgabe
21 der Nachrichten aus Brüssel.
Weitere
Berichte über die Bildung der neuen Kommission finden Sie in den Ausgaben 21,
20,
19
und 16
der Nachrichten aus Brüssel. Die Liste der neuen Kommissionsmitglieder finden
Sie hier.
Impressum Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel,
Avenue de Tervuren 142-144, B-1150 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax:
0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.be Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Tanja Struve und RA Wolfgang Eichele LL.M.. |
Der Newsletter ist im Internet unter www.BRAK.de abrufbar und kann auch dort be- oder
abbestellt werden.
Wenn Sie diesen Newsletter zukünftig nicht mehr erhalten
möchten, schreiben Sie bitte eine E-Mail an brak.bxl@brak.be.