Büro Brüssel

Ausgabe 24/2004                                                                                                                22.12.2004

 

Themen in dieser Ausgabe:

 

Zivilrecht

- Formular für Anträge auf Prozesskostenhilfe

 

Strafrecht

- Schlussfolgerungen des Europäischen Rates

 

Rechtsprechung

- Deutsche Verpackungsordnung

 

Freizügigkeit

- Vertragsverletzungsverfahren gegen Luxemburg

 

 

Sonstiges

- Neuer Rechtsrahmen für Rechtsdienstleistungen

  in England und Wales

- Luxemburgische Ratspräsidentschaft

- Europass

- Litauen neues Mitglied der Europäischen Patent-

  organisation

- Ungarn ratifiziert EU-Verfassungsvertrag

- Hinweis in eigener Sache

 


 

Zivilrecht

 

Formular für Anträge auf Prozesskostenhilfe

Am 10.12.2004 ist im Amtsblatt der EU die Entscheidung der Kommission zur Erstellung eines Formulars für Anträge auf Prozesskostenhilfe veröffentlicht worden. Dazu war die Kommission nach der Richtlinie des Rates zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe vom 27.01.2003 verpflichtet. Durch die Einführung eines Standardformulars soll den Betroffenen der Antrag auf Prozesskostenhilfe in anderen Mitgliedstaaten erleichtert werden. In dem Formular muss u.a. die Art der Streitsache, z.B. Scheidungsverfahren oder Streitigkeiten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, sowie die Art der beantragten Prozesskostenhilfe angegeben werden, z.B. für einen rechtlichen Beistand im Rahmen eines außergerichtlichen Verfahrens oder eines bereits laufenden Gerichtsverfahrens. Außerdem müssen detaillierte Angaben zu der finanziellen Situation des Antragstellers gemacht werden. Die Richtlinie soll in wesentlichen Teilen bis zum 30.11.2004 und vollumfänglich bis zum 30.03.2006 von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. In Deutschland liegt hierfür ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung vor. Die BRAK hat seinerzeit in ihrer Stellungnahme die Erweiterung der Prozesskostenhilfe auf grenzüberschreitende Tätigkeiten begrüßt.

 

Über die Prozesskostenhilfe-Richtlinie berichteten wir bereits in den Ausgaben Nr. 15 und 8 aus 2004 sowie Nr. 22 und 2 aus 2003 der Nachrichten aus Brüssel.

 

Strafrecht

 

Schlussfolgerungen des Europäischen Rates

Während seiner Tagung am 16.-17.12.2004 in Brüssel hat der Europäische Rat (siehe S. 10) die im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen gemachten Fortschritte gelobt. Gleichzeitig hat er dazu angetrieben, den Austausch von Informationen aus den Strafregistern bis Ende 2005 auf der Grundlage eines von der Kommission noch vorzulegenden Weißbuchs weiter auszubauen. Außerdem hat er die Kommission dazu aufgefordert, baldmöglichst Vorschläge für ein Europäisches Maßnahmenprogramm zum Schutz und zur Unterstützung der Opfer von Terrorismus und der Zeugen in Terrorismusprozessen vorzulegen. Bei den Beratungen über die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten sowie über die Europäische Beweisanordnung solle 2005 eine Einigung erzielt werden.

Rechtsprechung

 

Deutsche Verpackungsordnung

Am 14.12.2004 hat der EuGH zwei Urteile zu der Vereinbarkeit der deutschen Verpackungsverordnung mit der Freiheit des Warenverkehrs gefällt. Er hat darauf hingewiesen, dass eine Benachteiligung von Herstellern aus anderen Mitgliedstaaten und eine damit einhergehende Behinderung des innergemeinschaftlichen Handels aus zwingenden Gründen des Umweltschutzes gerechtfertigt sein könnten. Die Einführung einer Pfand- und Rücknahmepflicht stelle ein geeignetes Mittel zur Verringerung von Abfällen in der Natur dar. Eine zu kurze Frist für den Übergang auf ein neues Rücknahmesystem verstoße jedoch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. In der Rechtssache C-463/01 hat der EuGH festgestellt, dass die zur Umstellung auf das neue Pfand- und Rücknahmesystem vorgesehene Übergangsfrist von 6 Monaten im Hinblick auf Vertreiber von natürlichem Mineralwasser nicht verhältnismäßig gewesen ist. In dem Vorabentscheidungsverfahren C-309/02 hat der Gerichtshof die Rechtssache an das vorlegende Gericht zurückgewiesen. Dieses muss nun entscheiden, ob den betroffenen Herstellern die Möglichkeit und insbesondere eine angemessene Frist eingeräumt worden ist, sich dem neuen Pfand- und Rücknahmesystem anzupassen. Am 17.12.2004 hat der Bundesrat den Entwurf einer Novelle der Verpackungsordnung beschlossen, die längere Übergangsfristen von 12 Monaten vorsieht und die vom EuGH ebenfalls beanstandeten sogenannten Insellösungen der Vertreiber abschafft. Nunmehr sind Verbraucher bei der Rückgabe von Einwegverpackungen nicht mehr auf den Ort des ursprünglichen Einkaufs beschränkt.

 

Freizügigkeit

 

Vertragsverletzungsverfahren gegen Luxemburg

Am 21.12.2004 hat die Kommission beschlossen, gegen Luxemburg ein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 Abs.2 EGV wegen Verstoßes gegen die Niederlassungsrichtlinie für Rechtsanwälte (98/5/EG)  einzuleiten. Luxemburg war der förmlichen Aufforderung der Kommission gemäß Art. 226 Abs.1 EGV vom 16.07.2004 nicht nachgekommen, die Sprachprüfung für Rechtsanwälte abzuschaffen. Die Richtlinie ermöglicht Rechtsanwälten, sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen und im dortigen Recht zu praktizieren, ohne eine Eignungsprüfung oder einen Anpassungslehrgang absolvieren zu müssen. Einzige Voraussetzung ist der Nachweis, in einem anderen Mitgliedstaat bereits als Rechtsanwalt zugelassen zu sein. Nach dem luxemburgischen Umsetzungsgesetz darf nur derjenige Anwalt zugelassen werden, der in einer Sprachprüfung seine Deutsch-, Französisch- und Luxemburgischkenntnisse nachgewiesen hat. Damit wird nach Ansicht der Kommission die Zielsetzung der Richtlinie erheblich behindert. Ebenfalls von dem Vertragsverletzungsverfahren betroffen ist eine Bestimmung, welche die Domizilierung von Gesellschaften luxemburgischen Anwälten vorbehält. Gemäß der Niederlassungsrichtlinie muss Anwälten anderer Mitgliedstaaten, die unter ihrer Herkunftsbezeichnung tätig sind, Zugang zu allen anwaltlichen Tätigkeiten gewährt werden. Ferner beanstandet die Kommission, dass die betroffenen Rechtsanwälte jedes Jahr einen Nachweis über ihre Mitgliedschaft bei der Anwaltskammer ihres Herkunftsstaates beibringen müssen. Der repetitive Charakter dieser Auflage gehe über das hinaus, was nach der Richtlinie zulässig sei.

 

Über die Sprachprüfung für Rechtsanwälte in Luxemburg berichteten wir bereits in Ausgabe Nr. 16 der Nachrichten aus Brüssel.

 

Das deutsche Umsetzungsgesetz, das Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG), finden Sie hier.

 

Sonstiges

 

Neuer Rechtsrahmen für Rechtsdienstleistungen in England und Wales

Am 15.12.2004 hat der ehemalige Präsident der Bank of England Sir David Clementi seinen Bericht über "The Regulatory Framework for Legal Services in England und Wales" veröffentlicht. Er war 2003 von der britischen Regierung mit der Überprüfung der für Rechtsdienstleistungen bestehenden Regelungen und mit der Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen beauftragt worden. Nachdem er im März 2004 bereits ein Konsultationspapier vorgelegt hatte, folgt nun der endgültige Bericht. In Kapitel B (S. 24-50) des Berichts spricht sich Sir Clementi für das sogenannte Modell B+ aus. Dadurch sollen einerseits den Berufsorganisationen regelsetzende, z.B. beim Berufszugang oder der Durchsetzung der Berufsregeln, sowie interessenvertretende Aufgaben belassen werden. Andererseits solle die Interessenvertretung zur Vermeidung von Interessenkonflikten strukturell von den rechtssetzenden Funktionen getrennt werden. Kapitel D (S. 81-91) behandelt die Zusammensetzung und Struktur der Berufsorganisationen. Darin fordert Sir Clementi, dass der Vorsitzende und der Generalsekretär des Vorstandes einer Berufsorganisation Nicht-Juristen sein sollen. Darüber hinaus sollten Nicht-Juristen im Vorstand mehrheitlich vertreten sein. In Kapitel F (S. 105-139) empfiehlt er hinsichtlich der Geschäftsstrukturen der rechtsberatenden Berufe, die sogenannten "Legal Disciplinary Practices" (LDPs) zuzulassen. Die Firmierung als LDP erlaube unter anderem die Zusammenarbeit von Solicitors und Barristers in einer gesellschaftsrechtlichen Einheit. Darüber hinaus könne die Geschäftsführung Nicht-Juristen übertragen werden, solange auf der Managementebene Anwälte mehrheitlich vertreten seien. Zudem könnten Eigentumsanteile der Gesellschaft auch von Dritten erworben und gehalten werden, soweit sie sich als "für eine Beteilung geeignet" erwiesen.

 

Luxemburgische Ratspräsidentschaft

Am 01.01.2005 beginnt die Luxemburgische Ratspräsidentschaft (Website online ab Ende Dezember 2004), die damit den Niederlanden nachfolgt. Es handelt sich dabei um die 11. Ratspräsidentschaft Luxemburgs seit In-Kraft-Treten des Rom-Vertrages im Jahr 1958. Ein Schwerpunkt der Luxemburgischen Ratspräsidentschaft wird die Weiterführung/Forcierung der Lissabon-Strategie sein, die auf der Tagesordnung des nächsten Treffens des Europäischen Rates in Brüssel am 22./23.03.2005 stehen wird. Dazu gehört auch der Richtlinienvorschlag über Dienstleistungen im Binnenmarkt. In den Bereich der Innen- und Justizpolitik fallen u. a. die Themen Aktionsprogramm zur Umsetzung des Haager Programms, der Vorschlag zur gemeinsamen Asylpolitik und der Vorschlag zum Kampf gegen Geldwäsche in die Ratspräsidentschaft Luxemburgs.

 

Europass

Das EP hat in seiner Plenarsitzung am 14.12.2004 den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Entscheidung des EP und des Rates über ein einheitliches gemeinschaftliches Rahmenkonzept zur Förderung der Transparenz bei Qualifikation und Kompetenzen vom 21.10.2004 angenommen. Der Europass wird im Rahmen einer Konferenz unter Luxemburgischen Ratspräsidentschaft am 31.01.und 01.02.2005 der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Der Europass erleichtert es den EU-Bürgern auf freiwilliger Basis ihre Qualifikationen und Kompetenzen in ganz Europa einheitlich zu präsentieren sowie ermöglicht er europäischen Arbeitgebern, Bewerber aus verschiedenen Herkunftsländern leichter vergleichen zu können. Der Europass beinhaltet einen europäischen Lebenslauf, einen Mobilitätsnachweis, einen Diplomzusatz, eine Zeugniserläuterung sowie ein Sprachenportfolio.

 

Wir berichteten bereits in Ausgabe Nr. 1 der Nachrichten aus Brüssel über den Europass.

 

Litauen neues Mitglied der Europäischen Patentorganisation

Am 07.12.2004 ist Litauen als 30. Mitgliedstaat dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) beigetreten. Somit umfasst die auf der Basis des EPÜ gegründete Europäische Patentorganisation (EPO) nunmehr alle Mitgliedstaaten der EU, mit Ausnahme von Malta und Lettland, sowie die Schweiz, Liechtenstein, Monaco, Island, Bulgarien, Rumänien und die Türkei. Darüber hinaus bestehen mit Albanien, Bosnien-Herzegovina, Kroatien, Lettland, Mazedonien und Serbien-Montenegro besondere Abkommen, auf deren Grundlage europäische Patente auch in diesen sechs Ländern gültig sind. Exekutivorgan des EPO ist das Europäische Patentamt (EPA). Das EPA wird in seiner Tätigkeit vom Verwaltungsrat des EPO überwacht, welcher sich aus Delegierten der Vertragsstaaten zusammensetzt.

 

Ungarn ratifiziert EU-Verfassungsvertrag

Nach Litauen (siehe Ausgabe Nr. 22 der Nachrichten aus Brüssel) hat am 20.12.2004 Ungarn als zweiter EU-Mitgliedstaat dem EU-Verfassungsvertrag mit überragender Mehrheit seines Parlaments zugestimmt.

 

Hinweis in eigener Sache

Dies ist die letzte Ausgabe der Nachrichten aus Brüssel in diesem Jahr. Wir wünschen allen unseren Lesern ein friedvolles Weihnachtsfest und ein gesundes und erfolgreiches Neues Jahr. Die nächste Ausgabe erscheint am 13.01.2005.

 

Impressum

Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel, Avenue de Tervuren 142-144, B-1150 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax: 0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.be

 

Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Tanja Struve und RA Wolfgang Eichele LL.M..

© Bundesrechtsanwaltskammer

 

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