Büro Brüssel
Ausgabe 22/2005
01.12.2005
Themen
in dieser Ausgabe: -
EuGH:
Schlussanträge zur Heilung von Zustellungsmängeln bzgl. der
Vollstreckbarkeitserklärung -
Anhörung
im EP zum Erb- und Testamentsrecht -
Kommissionsmitteilung
Annexkompetenz für Sanktionsmaßnahmen -
3.
Geldwäscherichtlinie veröffentlicht -
EP-
Vorratsdatenspeicherung -
ICB Council |
-
Abstimmung zur
Dienstleistungsrichtlinie im IMCO |
Zivilrecht
|
EuGH:
Schlussanträge zur Heilung von Zustellungsmängeln bzgl. der
Vollstreckbarkeitserklärung
Nachdem sich der EuGH bereits kürzlich
zu Zustellungsfragen von gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken im
Zivil- und Handelsrecht geäußert hat (Ausgabe 21
der Nachrichten aus Brüssel), ist er nunmehr mit Fragen der Zustellung von Vollstreckbarkeitserklärungen
in Zivil- und Handelssachen konfrontiert. Generalanwältin Kokott vertritt in ihren
Schlussanträgen
vom 24. November 2005 die Auffassung, dass Vollstreckbarkeitserklärungen durch
ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats als dem, in dem das Urteil erlassen
wurde, der förmlichen Zustellung nach Maßgabe des Rechts des Staates bedürfen,
in die Vollstreckbarkeitserklärung ausgestellt wurde. Dies ergäbe sich aus
einer Auslegung des Art. 36 des Übereinkommens
über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Auf die Kenntnisnahme des
Schuldners könne es nur im Rahmen der Heilung von Zustellungsmängeln nach nationalem
Recht ankommen. Gewährleistet müsse dann aber jedenfalls sein, dass der
Schuldner seine Verteidigungsrechte aus Art. 36 tatsächlich und fristgerecht
ausüben könne.
Über den Kommissionsvorschlag
zur Änderung der Verordnung
über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in
Zivil- oder Handelssachen, der sich zur Zeit im Gesetzgebungsverfahrens
befindet,
berichteten wir in der Ausgabe 14
der Nachrichten aus Brüssel.
Anhörung
im EP zum Erb- und Testamentsrecht
Am 21. November 2005 fand im
Rechtsausschuss des EP eine öffentliche Anhörung zum Grünbuch
zum Erb- und Testamentsrecht statt. Die eingeladenen Sachverständigen aus
Italien, Deutschland, Frankreich sowie Großbritannien begrüßten eine Vereinheitlichung
der Kollisionsnormen im Erbrecht auf europäischer Ebene. Als Anknüpfungspunkt
für die gerichtliche Zuständigkeit käme entweder der noch genau zu
definierende gewöhnliche Aufenthalt oder die Staatsangehörigkeit in Betracht.
Auch die Möglichkeit, dem Erblasser insoweit eine Wahlmöglichkeit einzuräumen,
wurde von ihnen wohlwollend diskutiert. Ebenso wurde die Einführung eines Europäischen Erbscheins positiv
beurteilt.
Kritisch äußerte sich die
österreichische Sachverständige. Das Kommissionsvorhaben gehe darüber hinaus,
die Kollisionsnormen zu vereinfachen und Kompetenzkonflikte zu vermeiden. Es
stelle einen massiven Eingriff in das nationale Recht dar und sei nicht von
Art. 65 EGV gedeckt. Aus ihrer Sicht bestehe in der Praxis kein Bedarf für
einen solchen Eingriff.
Der Kommissionsvertreter stellte klar,
dass die Kommission keine Harmonisierung des materiellen Erbrechts anstrebe. Es
sollten ausschließlich Kollisionen vermieden werden und daher die
Kollisionsnormen harmonisiert werden. Zum weiteren Vorgehen der Kommission
erklärte er, für 2006 seien die Einsetzung einer Expertengruppe zum ehelichen
Güterstandsrecht sowie eine Anhörung geplant.
Die Stellungnahme der BRAK zum Grünbuch
Erb- und Testamentsrecht finden sie hier.
In den Nachrichten aus Brüssel berichteten wir auch in Ausgabe 5
über das Grünbuch.
Strafrecht
|
Kommissionsmitteilung
Annexkompetenz für Sanktionsmaßnahmen
Die Kommission hat am 23. November 2005
eine Mitteilung
über die Folgen des Urteils
des EuGH in der Rechtssache C-176/03 veröffentlicht. Über das Urteil
berichteten wir in Ausgabe 17
der Nachrichten aus Brüssel. In ihm
stellte der EuGH fest, dass zwar das Strafrecht als solches nicht in den
Bereich der Gemeinschaftspolitik fällt, aber dann eine Zuständigkeit der
Gemeinschaft beim Erlass geeigneter strafrechtlicher Maßnahmen besteht, wenn
diese sektorbezogen sind und es nachweislich notwendig ist, schwere Defizite
bei der Umsetzung der Zielsetzung der Gemeinschaft durch strafrechtliche
Maßnahmen zu beseitigen. Die Kommission begrüßt die Klärung der
Zuständigkeitsverteilung durch das Urteil: Die Feststellung, dass die zur
wirksamen Umsetzung des Gemeinschaftsrechts erforderlichen strafrechtlichen Bestimmungen
unter den EG-Vertrag fallen, führe dazu, dass die Praxis der doppelten
Gesetzgebung (Richtlinie oder Verordnung plus Rahmenbeschluss) beendet werde.
Im Anhang der Kommissionsmitteilung findet sich eine Liste von (auch geplanten)
Rechtsakten, die vom EuGH-Urteil betroffen sind. Die Kommission schlägt eine
Bereinigung der Situation vor. Dies könne einvernehmlich mit Rat und Parlament
durch Änderungen bzw. Rücknahmen
erfolgen. Gelinge dies nicht, werde sie von ihrem Vorschlagsrecht Gebrauch
machen und die Rechtsgrundlagen richtig stellen sowie den inhaltlichen Lösungen
Vorzug geben, die ihrem Verständnis nach dem Gemeinschaftsinteresse entsprächen.
3.
Geldwäscherichtlinie veröffentlicht
Die Richtlinie
2005/60/EG zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche
und der Terrorismusfinanzierung (3. Geldwäscherichtlinie) wurde am
25.11.2005 im Amtsblatt veröffentlicht. Den Mitgliedstaaten ist zur Umsetzung
eine Frist bis zum 15.12.2007 gesetzt.
Die Richtlinie gilt auch für
selbständige Angehörige von Rechtsberufen. Auch sie sollen von den Mitgliedstaaten
dazu verpflichtet werden, bei Begründungen von Geschäftsbeziehungen, Abwicklungen
von Transaktionen über 15.000 und bei Verdacht auf Geldwäsche oder
Terrorismusfinanzierung die Identität des Mandanten bzw. des wirtschaftlichen
Eigentümers festzustellen und zu überprüfen sowie Informationen über den Zweck
und die angestrebte Art der Geschäftsbeziehung einzuholen. Allerdings steht es
den Mitgliedstaaten frei, ob sie Rechtsanwälte zum Abbruch der
Geschäftsbeziehung verpflichten, falls sie im Einzelfall nicht in der Lage
sind, diesen Sorgfaltspflichten nachzukommen.
Wie schon nach der 2.
Geldwäscherichtlinie sollen die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass Anwälte
ihren Verdacht nicht der zentralen Meldestelle melden müssen, welche die Informationen
entgegennehmen, analysieren und an die zuständigen Behörden weiter geben soll,
sondern die Selbstverwaltungseinrichtung, in Deutschland die BRAK, unterrichten
können. Die Selbstverwaltungseinrichtung wird durch die 3. Geldwäscherichtlinie
verpflichtet, die Informationen umgehend und ungefiltert an die zentrale Meldestelle
weiter zu leiten. Anwälte können dann von der Verpflichtung der Meldung
gänzlich ausgenommen werden, wenn die Informationen von oder über den Mandanten
im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit erlangt wurden. Sofern allerdings ein
Verdacht gemeldet wurde, greift nach Art. 28 der Richtlinie das Verbot des sog.
tipping-off. Danach dürfen betroffene Mandanten und Dritte nicht über die
Unterrichtung der Meldestelle und der Möglichkeit eines Ermittlungsverfahrens
wegen Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung informiert werden.
Die Kommission wird bis zum 15.
Dezember 2009 einen ersten Bericht über die Durchführung der Richtlinie
erstellen, in dem sie auf die Behandlung von Rechtsanwälten eingehen wird.
Über die 3. Geldwäscherichtlinie
berichteten wir in den Ausgaben 13
und 23
aus 2004 sowie 2,
11,
12,
16
und 18
aus 2005 der Nachrichten aus Brüssel.
EP-
Vorratsdatenspeicherung
Der EP-Ausschuss
Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres hat am 24. November 2005 über
den umstrittenen Kommissionsvorschlag
zur Vorratsspeicherung von Daten abgestimmt.
Anders als der Kommissionsvorschlag spricht
sich der Ausschuss für eine im Ermessen der Mitgliedstaaten stehende Speicherdauer
von 6 bis 12 Monaten der Daten von Telefon- sowie Internetverbindungen aus, die
zudem zur Ermittlung, Feststellung und Verfolgung schwerer Straftaten gemäß Art.
2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses
über den Europäischen Haftbefehl erforderlich sein müssen. Der Zugriff auf
die gespeicherten Daten soll den befugten Behörden nur unter Richtervorbehalt und
Berücksichtigung des Berufsgeheimnisses, insbesondere also der anwaltlichen
Verschwiegenheitspflicht, gewährt werden. Nach Ablauf der Speicherfrist oder
Abschluss des Ermittlungsverfahrens sollen die Daten zwingend gelöscht werden.
Ein Verstoß gegen die Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung soll
sanktioniert werden können. Es ist außerdem vorgesehen, dass die Richtlinie
nach fünf Jahren ihre Rechtswirksamkeit verliert, sofern sie nicht bestätigt
wird.
Über die Vorratsspeicherung von Daten
berichteten wir auch in den Ausgaben 22
und 23
aus 2004 sowie 12,
15,
17,
19
und 21
aus 2005 der Nachrichten aus Brüssel.
ICB-Council
Die International Criminal Bar
(ICB), die sich für die Repräsentation und die Interessen der Anwaltschaft beim
Internationalen Strafgerichtshof
einsetzt, hat am 27. November 2005 ein Teil ihres Rats und Vorstands neu
gewählt. Zu den Ratsmitgliedern gehören nunmehr auch die deutschen
Strafverteidiger Stefan Kirsch und Jens Gunnar Cordes. Eberhard Kempf wird
weiterhin auch dem Vorstand angehören.
Freizügigkeit
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Abstimmung zur Dienstleistungsrichtlinie im IMCO
Am
22. November 2005 hat der federführende EP-Ausschuss
Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) über 1.200 Änderungsanträge
zum Richtlinienentwurf
über Dienstleistungen im Binnenmarkt abgestimmt. Aus Sicht der Anwaltschaft
geht es vor allem darum, inwieweit bzw. ob überhaupt die Rechtsberatung vom
Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst wird. Entscheidend für die BRAK ist
es, dass klargestellt wird, dass die anwaltsspezifischen Richtlinien gegenüber
der horizontalen neuen Richtlinie vorgehen und dass die anwaltliche Tätigkeit
nicht unter das Herkunftslandprinzip fällt. Durch letzteres soll insbesondere
eine Aushebelung des Rechtsberatungsgesetzes bzw. Rechtsdienstleistungsgesetzes
durch Rechtsberatung in Form der Dienstleistung aus dem Ausland verhindert
werden. Der Ausschuss hat diesem Anliegen der deutschen Anwaltschaft Rechnung
getragen. Zum Anwendungsbereich der Richtlinie wurde ein Änderungsantrag angenommen,
der die anwaltliche Dienstleistung vom Anwendungsbereich der Richtlinie
ausnimmt, sofern sie in der Dienstleistungs-
oder Niederlassungsrichtlinie
für Anwälte geregelt ist. Außerdem soll das Herkunftslandprinzip nach Art. 17
Abs. 8 nicht auf solche berufliche Qualifikationen nach der Berufsanerkennungsrichtlinie
Anwendung finden, die einem besonderen Beruf vorbehalten sind. Dies wird durch
eine Klarstellung in den Erwägungsgründen ergänzt, der ausdrücklich die Anwälte
nennt.
Im Januar/Februar 2006 wird das Plenum
über den Richtlinienentwurf abstimmen. Die sozialdemokratische Berichterstatterin,
Evelyne Gebhardt, hat angekündigt, alle Änderungsanträge wieder zur Abstimmung zu
bringen und nicht nur die vom Ausschuss angenommenen Änderungsanträge.
Über die Dienstleistungsrichtlinie
berichteten wir in den Ausgaben 1
und 12
aus 2004 sowie 2,
3,
5,
6,
11,
12,
13,
14,
15,
17
und 18
aus 2005 der Nachrichten aus Brüssel.
Impressum Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel,
Avenue de Tervuren 142-144, B-1150 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax: 0032-2-743
86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.be Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RA Dr. Wolfgang Eichele, LL.M. und RAin Mila Otto, LL.M. |
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