Büro Brüssel
Ausgabe
12/2006 22.06.2006
Themen
in dieser Ausgabe: -
Expertenanhörung
zu verfahrensrechtlichen Mindestnormen für Verfahren zur Untersuchungshaft -
Konsultation:
Pauschales Vergütungssystem des Urheberrechts |
-
Staatshaftung für Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht -
EU-
Verfassungsvertrag -
Finnische
EU-Ratspräsidentschaft -
Rechtsprechungsbericht
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte |
Strafrecht
|
Expertenanhörung
zu verfahrensrechtlichen Mindestnormen für Verfahren zur Untersuchungshaft
Die Kommission ist bestrebt, dem
Problem der Überbelegung von Gefängnissen entgegenzutreten und dem Recht auf
Freiheit sowie der Unschuldsvermutung EU-weit Geltung zu verschaffen. Die
Überbelegung sei insbesondere auf übermäßige Anwendung und Dauer von
Untersuchungshaft zurückzuführen, dabei sei der Anteil von Staatsangehörigen
anderer Mitgliedstaaten unter Untersuchungshäftlingen höher als bei verurteilten
Gefängnisinsassen. Die Kommission wird daher in Kürze einen Rahmenbeschlussvorschlag
zu Überwachungsmaßnahmen ohne Freiheitsentzug im Ermittlungsverfahren vorlegen.
Außerdem fand am 9. Juni 2006 eine Expertenanhörung zu verfahrensrechtlichen
Mindestnormen für Verfahren zur Untersuchungshaft statt. Ein Teil der Experten
forderte, dass sich die Kommission auf die Erarbeitung eines Überblicks der
rechtlichen Voraussetzungen der Untersuchungshaft in den Mitgliedstaaten
beschränken sollte. Es bestehe weder eine Rechtsgrundlage für ein anderes
Vorgehen der Kommission, noch die Notwendigkeit, dass die Kommission parallel
zu den Arbeiten des Europarats tätig werde. Mit einer Resolution des Europarats
zur Untersuchungshaft kann noch im Herbst 2006 gerechnet werden. Auch einige
der Teilnehmer, die dem Vorhaben der Kommission offener gegenüber standen und
in Art. 31 Abs. 1 c EUV eine Rechtsgrundlage sahen, hielten die Harmonisierung
der Untersuchungshaftdauer nicht für realisierbar. Eine Harmonisierung der Regelungen
zur Haftüberprüfung sei jedoch im Hinblick auf das für die gegenseitige
Anerkennung notwendige Vertrauen der Mitgliedstaaten untereinander wichtig. Ein
Konsens über Mindeststandards sei erforderlich, um ein faires Verfahren
gewährleisten zu können. Die Kommission plant für 2007 eine Studie zu
verfahrensrechtlichen Mindestnormen für Verfahren zur Untersuchungshaft.
Wirtschaftsrecht
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Konsultation: Pauschales
Vergütungssystem des Urheberrechts
Die
Kommission arbeitet an einer Reform des pauschalen Vergütungssystems des
Urheberrechts auf europäischer Ebene. Sie bittet die beteiligten Kreise bis zum
14. Juli 2006 um Stellungnahmen zu einem Fragebogen
mit dem Titel Stakeholder Consultation Copyright Levies in a Converging World, der leider ausschließlich in
englischer Sprache veröffentlicht ist. Hintergrund ist die Revision der Richtlinie
2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der
verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft.
Sonstiges
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Staatshaftung für Verstöße gegen
Gemeinschaftsrecht
Mit
Urteil
vom 13. Juni 2006 (C-173/03)
hat der EuGH entschieden, dass ein Mitgliedstaat für Schäden haftet, die dem
Einzelnen durch Verstöße eines obersten Gerichts gegen Gemeinschaftsrecht
entstanden sind. Die Schadensersatzpflicht bestehe für jeden dem Mitgliedstaat
zurechenbaren Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht, unabhängig davon, welches
Organ dieses Staates durch sein Handeln oder Unterlassen den Verstoß begangen
habe. Als wesentliche Aspekte der Rechtsprechungstätigkeit könnten die
Auslegung von Rechtsvorschriften sowie die Sachverhalts- und Beweiswürdigung zu
einem offenkundigen Verstoß gegen das geltende Recht führen. Auf das Vorliegen
eines offenkundigen Verstoßes, nicht von Vorsatz und Fahrlässigkeit, käme es
bei der Frage der Haftung an. Dieses beurteile sich nach Kriterien wie dem Maß
an Klarheit und Präzision der verletzten Vorschrift, der Entschuldbarkeit des
Rechtsirrtums sowie der Verletzung der Vorlagepflicht durch das Gericht. Stelle
das nationale Recht strengere Voraussetzungen für die Staatshaftung auf, als
sie sich aus den Voraussetzungen eines offenkundigen Verstoßes ergäben, liege
hierin ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht. Dies gelte auch für die
Begrenzung der Haftung auf Fälle von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, sofern
die Begrenzung dazu führe, dass die Haftung in Fällen ausgeschlossen wird, in
denen ein offenkundiger Verstoß gegen das anwendbare Recht begangen wurde.
EU-
Verfassungsvertrag
Auf dem EU-Gipfel in Brüssel vom
15./16. Juni 2006 haben sich die Staats- und Regierungschefs in der Diskussion
über die Verfassung für Europa auf eine Verlängerung der Reflexionsphase bis
Ende 2008 geeinigt. Von Kommissionsseite hieß es, dass eine wirkliche
Diskussion erst nach den Wahlen in Frankreich möglich ist, die im Frühling 2007
stattfinden. Der deutschen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 könnte
damit eine Schlüsselrolle in der Krisenbewältigung zukommen. Von Seiten des EP
wurde gefordert, dass die Verfassung bis zu den EP-Neuwahlen 2009 steht.
Frühere
Berichte: 10/2006,
9/2006,
2/2006,
20/2005,
13/2005
Finnische
EU-Ratspräsidentschaft
Am 1. Juli 2006 übernimmt Finnland zum
zweiten Mal den Vorsitz im Rat der EU. Schwerpunkte der Präsidentschaft werden
die Fortsetzung der Reflexion zum EU-Verfassungsvertrag sowie die Verhandlungen
über die Details des nächsten EU-Finanzrahmens (2007-2013) sein. Im Bereich
Justiz und Inneres soll im Rahmen einer Bewertung des Haager
Programms diskutiert werden, wie effizientere Entscheidungen im Hinblick
auf die polizeiliche und strafrechtliche Zusammenarbeit in der EU erzielt
werden können. Bei der justiziellen Zusammenarbeit will sich Finnland auf
Projekte konzentrieren, die dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung besonders
förderlich sind. Im Kampf gegen das organisierte Verbrechen steht für Finnland
ein verbesserter Informationsaustausch zwischen Polizei und Justizbehörden an
oberster Stelle. In diesem Zusammenhang wird der finnische Vorsitz die
Vorbereitungsarbeiten für die Verankerung des Grundsatzes der Verfügbarkeit,
der 2008 in Kraft treten soll, forcieren. Im Bezug auf den Rahmenbeschluss über
die Überstellung von verurteilten Personen wird die Präsidentschaft versuchen,
die dringendsten Probleme zu lösen.
Im zivilrechtlichen Bereich stehen eine
politische Einigung über das Bagatellverfahren und über eine Verordnung zur
Mediation in Zivil- und Handelssachen, die Verordnung Rom I (über das auf
vertragliche Schuldverhältnissen anzuwendende Recht) und die Verordnung über
die Unterhaltspflicht im Mittelpunkt. Im Hinblick auf Rom II (über das auf
außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht) wird der Rat einen
gemeinsamen Standpunkt erzielen.
Außerdem möchte die Ratspräsidentschaft
sicherstellen, dass die Grundrechtsagentur 2007 ihre Tätigkeit aufnehmen kann.
Die Website der finnischen
Ratspräsidentschaft ist unter www.eu.2006.fi
abrufbar.
Rechtsprechungsbericht
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
Das BMJ hat eine Übersicht über die
EGMR-Rechtsprechung in deutschen Verfahren im Jahr 2005 zusammengestellt. Mit
dieser Übersicht, die 2004 zum ersten Mal erstellt wurde, soll einerseits der
Rechtsprechung des EGMR zu mehr Aufmerksamkeit verholfen und andererseits ein
Überblick über Menschenrechtsfälle mit deutschem Bezug gegeben werden.
Impressum Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel,
Avenue de Tervuren 142-144, B-1150 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax:
0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.be Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher und RAin Mila Otto, LL.M. |
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