Büro Brüssel

Ausgabe 01/2008                                                                                                                17.01.2008

Themen in dieser Ausgabe:

Europäische Union

- Slowenische Ratspräsidentschaft

 

Zivilrecht

- Veröffentlichung des „Draft Common Frame of

  Reference“

- EP-Entschließung zur Verordnung über

  Unterhaltssachen

 

Wirtschaftsrecht

- Mitteilung über kreative Online-Inhalte im

  Binnenmarkt

 

 

Freizügigkeit

- Umfrage zu europäischen Verhaltenskodizes

 

Steuerrecht

- EuGH-Urteil: Keine Ähnlichkeit der Leistungen von

  Testamentsvollstrecker und Anwalt

 

Institutionelles

- Reflexionsgruppe „Horizont 2020-2030“

 


 

Europäische Union

 

Slowenische Ratspräsidentschaft

Seit dem 1. Januar 2008 hat Slowenien die sechsmonatige Ratspräsidentschaft inne, als erster der 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten. Slowenien führt die von Deutschland begonnene und von Portugal weitergeführte Triopräsidentschaft zu Ende, die Kontinuität gewährleisten soll. Zu den Prioritäten des slowenischen Vorsitzes, der unter dem Motto „Si.nergy for Europe“ steht, gehört der Ratifikationsprozess des Vertrags von Lissabon. Schwerpunkt wird außenpolitisch die Stabilität im westlichen Balkan, innen- und wirtschaftspolitisch werden es u. a. die Themen Energie und Klimaschutz sein. Im Bereich des Binnenmarktes steht u. a. die Schaffung eines Gemeinschaftspatents, die Liberalisierung der Finanzdienstleistungen und eine Vereinbarung zu Verbraucherkrediten auf der Agenda. Auf die slowenische wird im zweiten Halbjahr 2008 die französische Präsidentschaft folgen und die zweite Triopräsidentschaft (zusammen mit Tschechien und Schweden) einleiten.

Frühere Berichte: 1/2007, 13/2007

 

Zivilrecht

 

Veröffentlichung des „Draft Common Frame of Reference“

Nachdem die Study Group on a European Civil Code und die „Acquis Group“ im Dezember 2007 der Kommission den akademischen Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens vorgelegt haben, ist der „Draft Common Frame of Reference“ (DCFR) – zunächst in einer „Interim Outline Edition“ – auch öffentlich abrufbar. Der DCFR besteht aus einem umfassenden Text für ein Europäisches Privatrecht mit Definitionen und Modellregeln. Die jetzt veröffentlichte Version enthält keine „comments and notes“, also keine Beispiele und Darstellung der Rechtslage in den Mitgliedstaaten und ggf. der Gemeinschaft. Sie soll aber die Grundlage für Kritik und Anmerkungen bieten, die in die für Ende 2008 angekündigte Vollversion einfließen sollen. Insbesondere stellen die Forscher die Frage, ob die Aufnahme von „underlying principles“, abstrakten und daher zumindest teilweise kollidierenden Grundwerten befürwortet wird.

Hervorgehoben wird von den Autoren, dass es sich um einen wissenschaftlichen - nicht etwa politischen - Text handelt. Sowohl die Frage des Ob, der Form, des Inhalts und Umfangs liegen in der Entscheidungsmacht der politischen Akteure. Unabhängig davon könne der DCFR, so die Hoffnung der Wissenschaftler, das Bewusstsein für die Existenz eines Europäischen Privatrechts schärfen und aufzeigen, dass es nur eine recht geringe Anzahl von Fällen gibt, in denen die unterschiedlichen rechtlichen Systeme tatsächlich zu unterschiedlichen Ergebnisse kommen, und Inspirationsquelle bei der Lösung privatrechtlicher Fragen sein.

Frühere Berichte: 5/2004, 20/2004, 23/2004, 17/2005, 18/2005, 6/2006, 11/2006,  17/2006, 3/2007, 05/2007, 6/2007, 7/2007, 8/2007, 11/2007, 15/2007, 17/2007

 

EP-Entschließung zur Verordnung über Unterhaltssachen

Das EP hat sich im Rahmen des Konsultationsverfahrens zum Verordnungsvorschlag über Unterhaltssachen am 13. Dezember 2007 für eine Ausweitung des Verordnungsvorschlags für Unterhaltssachen ausgesprochen. Die Verordnung soll die Bereiche internationale Zuständigkeit, anwendbares Recht, Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Beseitigung von verfahrensrechtlichen Hindernissen regeln und zu einer vereinfachten, beschleunigten und wirksamen Beilegung von grenzüberschreitenden Streitfällen und Vollstreckung von in anderen Mitgliedstaaten ergangenen Unterhaltsentscheidungen beitragen.

Das EP unterstützt den Grundsatz, dass das Recht des Aufenthaltstaates des Unterhaltsberechtigten anzuwenden ist. Das Recht des angerufenen Gerichts (lex fori) soll nach Auffassung des EP selbst dann angewendet werden, wenn es nicht das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts ist, „wenn dadurch ermöglicht wird, dass Streitigkeiten in diesem Bereich in gerechter Weise einfacher, schneller und kostengünstiger beizulegen, und es keinen Anhaltspunkt für Forum-Shopping gibt“. Das EP spricht sich für die Aufnahme einer Definition der Unterhaltspflicht aus, die eine möglichst weite Auslegung vorsieht. Bei der Regelung der Anerkennung und Vollstreckung der in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung grenzt das EP die Möglichkeiten der Aussetzung und Verweigerung weiter ein: Der Unterhaltspflichtige muss danach erheblich relevante oder solche Umstände geltend machen, die dem Erstgericht zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht bekannt waren.

Frühere Berichte: 17/2007

 

Wirtschaftsrecht

 

Mitteilung über kreative Online-Inhalte im Binnenmarkt

Die Kommission hält weitere Maßnahmen zur Förderung innovativer Geschäftsmodelle und grenzüberschreitender Bereitstellung von Diensten für kreative Online-Inhalte für erforderlich. Dies statuiert sie in einer Mitteilung vom 3. Januar 2008. Hintergrund sind die durch Ausweitung des Breitband-Internetzugangs, moderner Mobilfunknetze und der Massenverfügbarkeit digitaler Geräte zunehmenden Möglichkeiten des Zugangs zu kreativen, online verbreiteten Inhalten und Diensten (Film, Fernsehen, Musik, Hörfunk, Online-Spiele, Online-Publikationen, Bildungsinhalte und von Nutzern selbst erzeugte Inhalte). Verfolgt wird - neben den weiterlaufenden Überprüfungen bestehender Richtlinien und der Erarbeitung eines Grünbuchs zum Urheberrecht in der Wissenschaft - ein zweifacher Ansatz: Zum einen wird eine „Plattform für Online-Inhalte" eingerichtet, die dem Dialog und der Zusammenarbeit von Inhaltsanbietern, Rechteinhabern, Unternehmen und Verbrauchern dienen soll. Zum anderen leitet die Kommission erneut eine Konsultation ein (Anlage I des Kommissionsdokuments). Diese soll der Vorbereitung eines für Mitte 2008 angekündigten Vorschlags für eine Empfehlung des EP und des Rates über kreative Online-Inhalte dienen. Sie befasst sich mit den von der Kommission als besonders dringlich eingestuften Themen Interoperabilität und Transparenz für DRM-Systeme, gebietsübergreifende Lizenzen für kreative Inhalte sowie legale Angebote und Piraterie. Die Kommission ruft zur Stellungnahme bis zum 29. Februar 2008 auf.

 

Freizügigkeit

 

Umfrage zu europäischen Verhaltenskodizes

Auf Grundlage einer von der GD Binnenmarkt im Sommer 2007 durchgeführten Online-Umfrage zu Verhaltenskodizes hat die Kommission am 19. Dezember 2007 ein Arbeitsdokument zu europäischen Verhaltenskodizes veröffentlicht. Hintergrund ist die Dienstleistungsrichtlinie und die dort vorgesehene Erarbeitung und Einführung von gemeinschaftsweiten Verhaltenskodizes. Das Dokument beschreibt Inhalt, Entstehung und Rechtscharakter der bestehenden Verhaltenskodizes, will Klarstellungen zu bestehenden europäischen Verhaltenskodizes geben und gibt eine Empfehlung zur Umsetzung des Art. 37 der Dienstleistungsrichtlinie ab.

Das derzeit nur auf Französisch verfügbare Dokument soll noch im Laufe dieses Monats auf Deutsch erscheinen.

Frühere Berichte: 1/2004, 12/2004, 2/2005, 3/2005, 5/2005, 6/2005, 11/2005, 12/2005, 13/2005, 14/2005, 15/2005, 17/2005, 18/2005, 22/2005, 3/2006, 7/2006, 15/2006, 20/2006, 21/2006, 1/2007, 11/2007

 

 

Steuerrecht

 

EuGH-Urteil: Keine Ähnlichkeit der Leistungen von Testamentsvollstrecker und Anwalt

Der EuGH hat am 6. Dezember 2007 eine Vertragsverletzungsklage gegen Deutschland abgewiesen, mit der die Kommission feststellen lassen wollte, dass die für die Besteuerung von Dienstleistungen maßgebliche Bestimmung des Leistungsortes im deutschen Umsatzsteuerrecht gegen Vorschriften der Umsatzsteuerrichtlinie verstoße: Nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz ist bei Leistungen eines Rechtsanwaltes der Ort des Empfängers, hingegen bei Leistungen eines Testamentsvollstreckers der Ort maßgeblich, an dem dieser seine Niederlassung hat. Und dies obwohl, so argumentierte die Kommission, als Testamentsvollstrecker regelmäßig Anwälte tätig würden. Maßgeblich für die Entscheidung des EuGH war die Frage, ob die Leistung der Testamentsvollstreckung und die von einem Rechtsanwalt erbrachte Leistung ähnlich sind – wie es Art. 9 Umsatzsteuerrichtlinie voraussetzt. Der EuGH hat diese Frage verneint. Nach seiner Ansicht ist die Leistung des Testamentsvollstreckers weder eine hauptsächlich und gewöhnlich von einem Rechtsanwalt erbrachte Leistung, noch eine Leistung, die derjenigen von Rechtsanwälten ähnlich ist. Zu den hauptsächlich und gewöhnlich im Rahmen des Anwaltsberufes erbrachten Leistungen gehört – so der EuGH bereits im Urteil von Hoffmann (Rz 17) –, dass sie die Vertretung und Verteidigung der Interessen eines Mandanten zum Gegenstand haben. Der Testamentsvollstrecker – wenn auch oftmals Anwalt – vertrete aber nicht die Interessen des Erblasser im eigentlichen Sinne, sondern vollziehe seinen festgelegten Willen. Dabei handele es sich überwiegend um eine wirtschaftliche Tätigkeit, da es für ihn in den meisten Fällen um die Bewertung des Vermögens des Erblassers gehe. Demgegenüber dienten die Leistungen eines Rechtanwalts – wenn ihm auch wirtschaftliche Erwägungen nicht fremd seien – vor allem der Rechtspflege.

 

Institutionelles

 

Reflexionsgruppe „Horizont 2020-2030“

Mit dem Ziel, die Herausforderungen in der EU besser vorhersehen und bewältigen zu können, hat der Europäische Rat auf seiner Sitzung am 14. Dezember 2007 eine unabhängige Reflexionsgruppe unter dem Vorsitz von Felipe Gonzáles Márques eingesetzt. Zu den Themen, mit denen sich die maximal neunköpfige Gruppe auseinander setzen soll, gehören neben der Verbesserung des Kontakts zu den Bürgern u. a. die Stärkung und Modernisierung des europäischen Modells wirtschaftlichen Erfolgs und sozialer Verantwortung, die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der EU, die Rechtsstaatlichkeit, nachhaltige Entwicklung, Stabilität, Migration, Energie und Klimaschutz und die Bekämpfung von Unsicherheit in der Welt, internationaler Kriminalität und Terrorismus. Institutionelle Fragen sollen nicht behandelt werden. Die Reflexionsgruppe soll dem Europäischen Rat auf seiner Tagung im Juni 2010 ihren Bericht vorlegen.

 

Impressum

Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel, Avenue des Nerviens 85, bte 9, B-1040 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax: 0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.eu

 

Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Mila Otto, LL.M. und Natalie Barth

© Bundesrechtsanwaltskammer

 

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