Büro Brüssel

Ausgabe 16/2008                                                                                                                18.09.2008

Themen in dieser Ausgabe:

Zivilrecht

-          Rom III - Abstimmung im EP

-          Ausweitung des Anwendungsbereichs der EuGVVO durch den EuGH

-          Beschlussvorschlag über die Unterzeichnung des Übereinkommens über die Gerichtsstandsvereinbarungen durch die EG

 

Wirtschaftsrecht

-          Berichtsentwurf zur Europäischen Privatgesellschaft (EPG)

 

 

Wettbewerb

-        Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts

 

Sonstiges

-        EuroparlTV

 


 

Zivilrecht

 

Rom III – Abstimmung im EP

Am 9. und 16. September 2008 stimmten der federführende Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) und der Rechtsausschuss (JURI) über den Verordnungsentwurf über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Ehesachen (Rom III) ab.

Die – von der BRAK begrüßte - geplante Verordnung soll ihrerseits die sog. Brüssel II a–Verordnung teilweise abändern. Internationale Ehepaare sollen künftig für den Fall einer Scheidung die Möglichkeit haben, selbst zu wählen, welches Gericht angerufen werden und welches Recht anwendbar sein soll. Gewählt werden kann zwischen Gerichtsständen und Rechtsordnungen, zu denen die betreffende eheliche Verbindung einen objektiven Bezug aufweist. Bisher wird das anwendbare Recht nach den Kollisionsnormen des jeweiligen Mitgliedstaates bestimmt, welche jedoch von Staat zu Staat divergieren.

Der federführende LIBE-Ausschuss legt vor allem darauf Wert, dass sichergestellt ist, dass die Parteien ausreichend über die rechtlichen und sozialen Auswirkungen ihrer Wahl informiert sind. Dies soll dadurch erreicht werden, dass den Parteien vor Unterzeichnung der Urkunde vollständige und richtige Informationen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus soll gewährleistet werden, dass das Gericht - vor Behandlung des Falles - das Vorliegen eines Einvernehmens bestätigen muss.

Der JURI-Ausschuss regt die Aufnahme eines neuen Artikels an, der ausdrücklich festlegt, dass ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet werden kann, eine Scheidung auszusprechen, wenn nach seinem Recht eine Ehescheidung nicht vorgesehen ist oder die Ehe nicht anerkannt wird. Für den Fall, dass keine Rechtswahl getroffen worden ist, soll das Recht desjenigen Mitgliedstaates gelten, in welchem der Scheidungsantrag gestellt wird.

Frühere Berichte: 8/2007, 17/2007, 12/2008

 

Ausweitung des Anwendungsbereichs der EuGVVO durch den EuGH

In dem Vorabentscheidungsverfahren Allianz SpA u.a. ./. West Tankers Inc. hat Generalanwältin Kokott am 4. September 2008 in ihren Schlussanträgen zu der Frage Stellung genommen, ob es mit der EuGVVO vereinbar ist, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats eine Entscheidung erlässt, wonach eine Person es zu unterlassen hat, ein Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat einzuleiten oder fortzuführen, weil ein solches Verfahren gegen eine Schiedsvereinbarung verstößt.

Hintergrund ist eine Vorlagefrage des House of Lords, das sich mit einer Feststellungsklage zu befassen hat, ob die Allianz SpA u. a. aufgrund einer Schiedsgerichtsvereinbarung an London als Gerichtsstand gebunden sind und ob ein Prozessführungsverbot zum Schutz einer Schiedsvereinbarung vom Anwendungsbereich der EuGVVO umfasst ist.

Die Generalanwältin verneint die Vorlagefrage und überträgt nun die durch den Gerichtshof im Urteil Turner gewonnenen Grundsätze auf solche Prozessführungsverbote, die zum Schutz von Schiedsverfahren erlassen werden. In der Rechtssache Turner hatte der EuGH 2004 entschieden, dass das EuGVÜ  (jetzt EuGVVO) Prozessführungsverboten – vor staatlichen Gerichten – entgegensteht. Nach Ansicht der Generalanwältin Kokott steht die EuGVVO Prozessführungsverboten auch zum Schutz von Schiedsverfahren entgegen, selbst wenn diese sich an Personen und nicht an Gerichte wenden und Schiedsgerichtsverfahren vom Anwendungsbereich der EuGVVO gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. b ausgenommen sind. Allerdings müsse das Verfahren erfasst sein, welches durch das Prozessführungsverbot unterbunden werden soll, da sonst die Wirksamkeit der Verordnung durch ein Prozessführungsverbot beeinträchtigt werden könne.

 

Beschlussvorschlag über die Unterzeichnung des Übereinkommens über die Gerichtsstandsvereinbarungen durch die EG

Die Kommission hat dem Rat am 5. September 2008 einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Unterzeichnung eines Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen durch die EG vorgelegt.

Mit dem 2005 im Rahmen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht geschlossenen Übereinkommen wurde eine fakultative, weltweit nutzbare gerichtliche Alternative zum bestehenden Schiedsgerichtsverfahren geschaffen, um die Rechtssicherheit und Berechenbarkeit in den Handelsbeziehungen mit Drittstaaten zu erhöhen.

Die Unterzeichnung des Übereinkommens durch die EG würde eine Vereinheitlichung der Vorschriften innerhalb der Gemeinschaft im Verhältnis zu Drittstaaten bewirken. Die Ziele des Übereinkommens gehen mit denen der EuGVVO konform, deren Anwendungsbereich - mit Ausnahme der enthaltenen Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung – berührt wird, wenn mindestens eine Partei ihren Aufenthaltsort in einem Vertragsstaat hat. 

Ausgenommen werden sollten jedoch aus Sicht der Kommission Rechtssachen in Verbindung mit bestimmten Versicherungsverträgen sowie Urheber- und verwandte Schutzrechte, deren Gültigkeit an einen Mitgliedstaat gebunden ist.

 

Wirtschaftsrecht

 

Berichtsentwurf zur Europäischen Privatgesellschaft (EPG)

Der Berichterstatter MdEP Klaus-Heiner Lehne hat am 9. September 2008 seinen Berichtsentwurf zum Verordnungsvorschlag über das Statut der EPG vorgelegt.

Die neue Gesellschaftsform soll kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) die Möglichkeit geben, in der gesamten EU tätig zu werden, um Zeit und Kosten bei der Gesellschaftsgründung zu sparen. Bereits in der Sitzung des Rechtsausschusses (JURI) vom 8. September 2008 begrüßte MdEP Lehne den Vorschlag. Die im Berichtsentwurf vorgeschlagenen Änderungen betreffen insbesondere die bereits in der Ausschusssitzung kontrovers diskutierten Punkte des erforderlichen Mindestkapitals, der Arbeitnehmermitbestimmungen und des grenzüberschreitenden Bezugs der EPG.

Der Berichtsentwurf sieht ein Gründungsmindestkapital von 10.000 € vor und erteilt damit dem Kommissionsvorschlag, nach dem das Mindestkapital nur einen Euro betragen soll, eine Absage. Obwohl das Stammkapital in der Praxis nicht mehr dem Gläubigerschutz diene, könne ein bestimmter Betrag an Mindestkapital eine für das Ansehen der EPG förderliche Seriositätsschwelle darstellen. Eine gewisse Kapitalaufbringung sei die Gegenleistung für die nur beschränkte Haftung der Gesellschafter. Jedenfalls dürfe das Gründungskapital aber kein schwerwiegendes Gründungshindernis darstellen.

Anders als der Kommissionsvorschlag, nach dem die jeweilige Mitbestimmungsregel des Sitzlandes maßgeblich ist, sieht der Berichtsentwurf die Aufnahme von Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmer in die Verordnung vor, um ihre Umgehung durch Unternehmen möglichst auszuschließen.

Der Verzicht auf einen grenzüberschreitenden Bezug bei der Gründung der EPG ist – so wünschenswert er sei – wegen der nur eingeschränkten legislativen Kompetenz des europäischen Gesetzgebers, der nur bei einem grenzüberschreitenden Bezug tätig werden kann, durch möglichst weit gefasste Anforderungen an einen grenzüberschreitenden Bezug der EPG zu ersetzen.

Außerdem sieht der Berichtsentwurf vor, dass einige Verweise auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten durch EPG-spezifische Regelungen ersetzt werden.

Die am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten hoffen, die Verordnung noch 2008 zu verabschieden.

Frühere Ausgaben: 22/2006, 3/2007, 10/2008, 13/2008

 

Wettbewerb

 

Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts

Am 8. und 9. September 2008 berieten der federführende Wirtschafts- und Währungssauschuss (ECON) und der Rechtsausschuss (JURI) über das Weißbuch zu den Schadensersatzklagen wegen Verletzung des WG-Wettbewerbsrechts.

Das vorrangige Ziel des Weißbuchs besteht darin, die rechtlichen Rahmenbedingungen für Geschädigte zu verbessern, damit sie die ihnen durch Verstöße gegen die EG-Wettbewerbsvorschriften entstandenen Schäden wirksam geltend machen können. Hierzu sieht die Kommission u. a. einen Bedarf für Mechanismen (Verbandsklage und Opt-in-Gruppenklage), die eine Bündelung der individuellen Schadensersatzforderungen ermöglichen.

Der ECON-Berichterstatter MdEP Klaus-Heiner Lehne begrüßt eine Einführung von Kollektivklagen v. a. in Fällen, in denen eine Vielzahl von Geschädigten lediglich einen geringen Schaden erlitten hat. Bei diesen Streuschäden schreckten die Geschädigten angesichts der mit einem Gerichtsverfahren verbundenen Kosten häufig vor Individualklagen zurück.

Dabei dürften mit dem Vorhaben keine sektoralen Unterschiede geschaffen werden. Vielmehr müsse ein horizontaler Ansatz gefunden werden, um das Phänomen der Streuschäden in allen in Frage kommenden Rechtsgebieten ausreichend zu berücksichtigen. Hintergrund dieser Erwägungen, die die BRAK teilt, sind die parallelen Überlegungen der Generaldirektion Verbraucherschutz, Instrumente der kollektiven Rechtsdurchsetzung einzuführen. Auch der im JURI für die Stellungnahme verantwortliche MdEP Francesco Enrico Speroni vermutet eine Ausweitung des im Weißbuch „überraschend restriktiven“ Anwendungsbereichs des kollektiven Rechtsschutzes.

Nicht einverstanden erklärte sich MdEP Lehne mit der im Weißbuch vorgesehenen Haftung für vermutetes Verschulden. Auf einen Verschuldensnachweis dürfe nicht verzichtet werden. Zudem müsse die Frage des Zugangs zu den Beweismitteln – anders als im Weißbuch vorgesehen – in den Mitgliedstaaten selbst geregelt werden.

Innerhalb beider Ausschüsse wurde die Regelung des passing on defense begrüßt, bei der der indirekte Abnehmer sich auf die widerlegliche Vermutung berufen kann, dass der rechtswidrige Preisaufschlag in vollem Umfang auf ihn abgewälzt wurde.

Von allen Beteiligten wird betont, dass bei der Einführung von Sammelklagen in der EU US-amerikanische Verhältnisse in jedem Fall zu vermeiden sind.

Die JURI-Abstimmung über den bislang noch nicht vorliegenden Bericht ist für den 21. Januar 2009 vorgesehen. Die Abstimmung im ECON ist für Ende Februar 2009 geplant.

Frühere Berichte: 01/2006, 09/2007, 07/2008

 

Sonstiges

 

EuroparlTV

Am 17. September 2008 startete das EP den eigenen Fernsehsender EuroparlTV im Internet. Dieser kann unter www.europarltv.europa.eu weltweit aufgerufen werden. Mit EuroparlTV sollen die Institutionen der EU den Bürgern näher gebracht und das Interesse am EP verstärkt werden. Man hofft, damit auch die Wahlbeteiligung bei der Europawahl im Juni 2009 positiv beeinflussen zu können.

Rund um die Uhr werden vier Programme ausgestrahlt. „Parlament Live“ zeigt die Plenarsitzungen sowie die Beratungen einzelner Ausschüsse. „Ihre Stimme“ berichtet über europaweit kontrovers diskutierte Themen wie die Einwanderung oder den Klimaschutz. „Junges Europa“ soll Kindern und Jugendlichen die EU näher bringen und der Kanal „Ihr Parlament“ richtet sich an Menschen, die sich besonders für die EU interessieren. Die Beiträge werden in allen 23 Amtssprachen ausgestrahlt beziehungsweise untertitelt.

 

Impressum

Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel, Avenue des Nerviens 85, bte 9, B-1040 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax: 0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.eu

 

Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Mila Otto, LL.M. und Natalie Barth

© Bundesrechtsanwaltskammer

 

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