Büro
Brüssel
Ausgabe
17/2008 02.10.2008
Themen
in dieser Ausgabe: -
Schlussanträge zur EuGVVO mit Bezugnahme auf den DCFR -
Vereinfachung von
Verschmelzung und Spaltung von europäischen Aktiengesellschaften -
Entschließung des EP zur Terrorismusbekämpfung |
- EP-Abstimmung über den Schutz personenbezogener
Daten -
Konsultation zu künftigen
Schwerpunkten der EU-Justizpolitik |
Zivilrecht
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Schlussanträge
zur EuGVVO mit Bezugnahme auf den DCFR
Am 11. September 2008 hat die
Generalanwältin Verica Trstenjak ihre Schlussanträge in der Rechtssache
Renate Ilsinger ./. Martin Dreschers vorgelegt, in denen erstmals der sog.
Draft Common Frame of Reference (DCFR) zur Auslegung herangezogen wird.
Hintergrund sind
Vorabentscheidungsfragen des OLG Wien zur Auslegung der Bestimmungen der EuGVVO.
Konkret fragt das Oberlandesgericht Wien, ob sich die gerichtliche Zuständigkeit
für den Anspruch eines Verbrauchers auf Auszahlung eines ihm von einem Unternehmen
scheinbar zugesagten Gewinns nach den Bestimmungen dieser Verordnung richtet,
ob es sich also um einen Anspruch aus einem Vertrag i.S.v. Art. 15 Abs. 1 c
EuGVVO handelt.
Die Zuständigkeit nach Art. 15 Abs. 1 c
EuGVVO setzt insbesondere den Abschluss eines Verbrauchervertrags voraus,
dessen Voraussetzungen - so die Generalanwältin - mangels zwingender
zivilrechtlicher Vorschriften auf Gemeinschaftsebene aus der Rechtsprechung des
EuGH, aus einer Analogie zu Rechtsakten des sekundären Gemeinschaftsrechts
sowie aus Dokumenten von Expertengruppen im Bereich des Europäischen
Vertragsrechts unter Berücksichtigung des Schrifttums abzuleiten seien.
Mehrfach verweist sie konkret auf den DCFR, den akademischen Entwurf eines Gemeinsamen
Referenzrahmens für das Europäische Vertragsrecht. Welche
Bedeutung sie dem DCFR einräumt, wird in Randziffer 49 ihrer Schlussanträge deutlich,
wo sie formuliert: [
] ferner ergibt sich aus dem Fachdokument Draft Common
Frame of Reference [
], das in Zukunft möglicherweise den Ausgangspunkt einer
einheitlichen Regelung des Europäischen Privatrechts bilden wird, [
]. Die
Vorlage des DCFR hat auch die BRAK sehr begrüßt und zum Anlass genommen, ihre Unterstützung der
Arbeiten mit dem mittel- bis langfristigen Ziel, ein optionales Instrument auf dem Gebiet
des europäischen Vertragsrechts bereit zu stellen, zu unterstreichen und
zu den im DCFR enthaltenden Regelungen Stellung
zu nehmen.
Die Vorlagefragen bejaht die
Generalanwältin jedenfalls für den Fall, dass der Verbraucher Waren bestellt habe, auch wenn dieses nicht zur Voraussetzung
des Gewinnauszahlungsanspruch gemacht
worden sei. Auch wenn keine Waren bestellt worden seien, könne der Anspruch
des Verbrauchers ein Anspruch aus einem Vertrag i.S.v. Art. 15 Abs. 1 c EuGVVO
sein. Dies sei vom nationalen Gericht anhand sämtlicher Umstände des Falles
festzustellen.
Frühere
Berichte: 5/2004,
20/2004,
23/2004,
17/2005,
18/2005,
6/2006,
11/2006,
17/2006,
3/2007,
05/2007,
6/2007,
7/2007,
8/2007,
11/2007,
15/2007,
17/2007,
1/2008,
5/2008,
8/2008
Wirtschaftsrecht
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Vereinfachung von Verschmelzung und
Spaltung von europäischen Aktiengesellschaften
Die
Kommission hat am 24. September 2008 einen Richtlinienvorschlag
für die Verringerung des Verwaltungsaufwands bei Verschmelzung und Spaltung von
europäischen Aktiengesellschaften vorgelegt, der zu einer Kostenersparnis und Verringerung des
Verwaltungsaufwandes um 25 % führen soll. Der Vorschlag ist Teil der Initiative
Bessere Rechtsetzung, in deren Rahmen die Kommission das legislative Umfeld
für europäische Unternehmen vereinfachen will. Das Potential für
Vereinfachungen hatte die Kommission 2007 in einer Konsultation
abgefragt und anschließend bereits mehrere Richtlinienvorschläge erlassen.
Der
aktuelle Richtlinienvorschlag beinhaltet die Verringerung der Berichtspflichten
der Gesellschaften bei Verschmelzungen und Spaltungen. Wenn aufgrund anderer
EU-Bestimmungen bereits eine Berichtserstattungspflicht besteht und die
Gesellschaft ihre Verschmelzungs- oder Spaltungspläne sowie die für Aktionäre
erforderlichen Unterlagen im Internet veröffentlichen oder durch elektronische Datenübermittlung
übermitteln kann, soll auf die doppelte Berichterstattung verzichtet werden.
Gläubiger und Aktionäre sollen durch die Notwendigkeit eines einstimmig
beschlossenen Verzichts auf den Bericht des Leitungs- oder Verwaltungsorgans
sowie die Zwischenbilanz und das Sachverständigengutachten geschützt werden.
Frühere
Berichte: 5/2007,
14/2007,
18/2007
Strafrecht
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Entschließung des EP zur
Terrorismusbekämpfung
Am
23. September 2008 hat das EP dem Rahmenbeschluss
zur Änderung des Rahmenbeschlusses
2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung zugestimmt.
Die Änderung sieht eine Angleichung an das Abkommen des
Europarates zur Verhütung von Terrorismus und die Aufnahme von drei neuen Straftatbeständen vor,
die sich auf vorbereitende Maßnahmen beziehen. Namentlich handelt es sich um
die öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat sowie
um die Anwerbung und Ausbildung für terroristische Zwecke. Damit soll der wachsenden
Bedrohung durch den Terrorismus, u.a. durch die Nutzung des Internets,
entgegengetreten werden.
Das
EP hat sich für weitere Änderungen gegenüber dem Kommissionsvorschlag
ausgesprochen. Diese umfassen zum einen den Vorschlag, den Begriff der Aufforderung
im gesamten Text durch den schärfer gefassten Begriff der Anstiftung zu
ersetzen. Ebenfalls wird die Aufnahme weiterer Schutzklauseln in den
Rahmenbeschluss angeregt. Damit sollen die Mitgliedstaaten zum einen auf die
Notwendigkeit der Einhaltung der Grundrechtscharta der EU und ihre Pflichten im
Bereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit hingewiesen werden. Zum anderen
wird eine Klarstellung der Tatsache bezweckt, dass die Strafbarkeit dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegt und jegliche Form der Willkür oder
der diskriminierenden oder rassistischen Behandlung ausschließen soll.
Frühere Berichte: 16/2007,
07/2008,
08/2008
Grundrechte
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EP-Abstimmung über den Schutz
personenbezogener Daten
Am
23. September 2008 fand im EP eine Debatte mit anschließender Schlussabstimmung
über den Rahmenbeschlussentwurf
über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und
justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verbreitet werden, statt. Die
polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen soll unter strikter
Einhaltung der wesentlichen Datenschutzvorschriften weiter gestärkt werden.
Dabei geht es vor allem um die Wahrung der Grundrechte des Betroffenen auf den
Schutz der Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten in der gesamten
EU. Darüber hinaus soll durch die Vereinheitlichung erreicht werden, dass der
Austausch sachdienlicher Informationen zwischen den Mitgliedstaaten nicht durch
Unterschiede im Datenschutz behindert wird. Die Parlamentarier waren sich
weitgehend einig, dass der Entwurf des Rates noch erhebliche Defizite im
Hinblick auf den Schutz personenbezogener Daten aufweise und stimmten somit
allen Änderungsanträgen
der Berichtserstatterin MdEP Martine Roure
zu. Diese sehen hauptsächlich eine weitere Stärkung der Position des
Betroffenen vor, so wie die Erweiterung der Anwendung des Rahmenbeschlusses
auch auf Daten, die auf nationaler Ebene verarbeitet werden. Weiter ist die
Aufnahme eines neuen Artikels vorgesehen, welcher die Einsetzung einer Gruppe
für den Schutz von Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zum
Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten
enthält. Zu den Aufgaben der eingesetzten Gruppe soll beispielsweise die Abgabe
einer Stellungnahme zum Schutzniveau zwischen den Mitgliedstaaten und
Drittländern zählen, um sicherzustellen, dass personenbezogene Daten nur an
Drittländer weitergegeben werden, die ein angemessenes Datenschutzniveau
vorsehen. Auch soll der Rahmenbeschluss dahingehend geändert werden, dass die
Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen eine rassische und ethische
Herkunft, politische Meinung, religiöse oder philosophische Überzeugung etc.
hervorgeht, außer unter engen, genau festgelegten Voraussetzungen untersagt
ist. Ferner soll künftig bereits jeder Zugriff, nicht nur jede Übermittlung
personenbezogener Daten protokolliert werden.
Frühere Berichte: 19/2005,
18/2006,
17/2007
Europäische
Union
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Konsultation zu künftigen Schwerpunkten der EU-Justizpolitik
Die Innen- und
Rechtspolitik in der EU folgt derzeit dem Haager
Programm. Das seit 2005 geltende Fünfjahresprogramm, das insbesondere die
Bereiche Asyl und Immigration, Grundrechte und die justizielle und polizeiliche
Zusammenarbeit umfasst, soll 2010 durch ein neues Mehrjahresprogramm für den
Zeitraum 2010-2014 im Bereich Justiz, Freiheit und Sicherheit abgelöst werden.
Zu seiner Vorbereitung und der Definition seiner Prioritäten hat die Kommission
nun eine bis zum 20. November 2008 andauernde Konsultation
eingeleitet. Zentrale
Aspekte sind dabei die Wahrung der Grundrechte, die Unionsbürgerschaft mit der
Teilnahme an Kommunal- und Europawahlen,
der freie Personenverkehr, Datenschutz, justizielle Zusammenarbeit in Zivil-
und Strafsachen, Drogenbekämpfung, polizeiliche Zusammenarbeit, Bekämpfung von
Terrorismus und organisierter Kriminalität, legale und illegale Einwanderung,
Integration, Asylpolitik, Visapolitik und Außengrenzen.
Der
Vorbereitung des neuen Programms dienten auch die Arbeiten einer sog.
Zukunftsgruppe (Justiz) der - unter Vorsitz des Rates und des Vizepräsidenten
der Kommission - Vertreter der
vergangenen, derzeitigen und künftigen Ratspräsidentschaften sowie Irland
angehörten. Sie rät u.a. dazu, einen der Schwerpunkte der künftigen
Justizpolitik auf die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus im Bereich der
Bürgerrechte zu legen und Mindestrechte zu schaffen. Dieses insbesondere von der
deutschen Ratspräsidentschaft vorangetriebene und von der BRAK intensiv
unterstützte Vorhaben war im vergangenen Jahr am Widerstand einiger
Mitgliedstaaten zunächst gescheitert. Im Bereich des Zivilrechts empfiehlt die
Gruppe
die grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung in den Fokus zu nehmen. Es sei
wichtig, die Rechtsunsicherheiten über Anwendbarkeit von Kollisionsregeln
abzubauen. Außerdem sollten die Arbeiten an dem Gemeinsamen Referenzrahmen für
ein Europäisches Vertragsrecht mit dem Ziel besserer Rechtssetzung verfolgt
werden. Im Bereich des Familienrechts wird ein Bedarf für Evaluation, neue
Rechtsinstrumente und gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen statuiert.
Frühere Berichte: 13/2006,
13/2007,
14/2008
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0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.eu Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Mila Otto, LL.M. und Natalie Barth |
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