Büro Brüssel

Ausgabe 04/2009                                                                                                                05.03.2009

Themen in dieser Ausgabe:

Zivilrecht

- Schlussanträge zur Frage Wertersatz für Nutzung und Fernabsatzrichtlinie

 

Verbraucherrecht

- Kollektive Rechtsschutzverfahren für Verbraucher

 

Strafrecht

- Kompetenzkonflikte in Strafsachen

 

Freizügigkeit

- Bulgarien wegen Vorschriften über den Anwaltsberuf unter Druck

 

Sonstiges

- Europarechtliches Symposion 2009 des BAG

- Seminar der China-EU School of Law „Foreign Investments in China – Secrets of a Boom“


 

 

 

Zivilrecht

 

Schlussanträge zur Frage Wertersatz für Nutzung und Fernabsatzrichtlinie

Auf Grundlage eines Vorabentscheidungsersuchens des Amtsgerichts Lahr hat die Generalanwältin Verica Trstenjak am 18. Februar ihre Schlussanträge vorgelegt. In dem Ausgangsfall hatte eine Deutsche ein gebrauchtes Notebook im Versandhandel gekauft. Nachdem acht Monate nach Vertragsschluss das Display einen Defekt aufwies, widerrief die Frau den Vertrag. Daraufhin verlangte der Verkäufer einen Wertersatz für die Nutzungsdauer. Das vorlegende Gericht fragt, ob die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 2 i.V. mit Abs. 1 S. 2 der Richtlinie 97/7/EG  zu bestimmten Aspekten des Verbraucherschutzes bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatzrichtlinie) dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, die besagt, dass der Verkäufer im Falle des fristgerechten Widerrufes durch den Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des gelieferten Verbrauchsgutes verlangen kann. Die Generalanwältin sieht den Wertersatz für die Nutzung eines gelieferten Verbrauchsguts zwar nicht als mit der Richtlinie unvereinbare Strafzahlung, da der Wertersatz für die Nutzung auf einen von einer Strafe abgrenzbaren eigenen Zweck bezogen sei. Die Generalanwältin sieht den Wertersatz jedoch als finanzielle Belastung, die die Funktionsfähigkeit und Effektivität des Rechts auf Widerruf beeinträchtigen kann und die nicht nach Art. 6 Abs. 2 dem Verbraucher auferlegt werden kann. Aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Sa. 2 und Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie ergebe sich, dass nur die Kosten dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, die unmittelbar mit der Rücksendung der Ware verbunden sind.

 

Verbraucherrecht

 

Kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher

Die Bundesrechtsanwaltskammer hat zu dem Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher Stellung genommen (Stellungnahme-Nr.6/2009). Das Ziel der Europäischen Kommission, den Zugang zum Recht für Verbraucher zu stärken, wird begrüßt. Initiativen der Kommission müssen jedoch die gewachsenen nationalen Strukturen respektieren, wie sie z.B. in Deutschland für den Bereich des kollektiven Rechtsschutzes vorhanden sind. Die Bundesrechtsanwaltskammer plädiert dafür, den Bedarf für ein EU-weites System für Verfahren des kollektiven Rechtsschutzes sorgfältig zu prüfen, bevor ein solches eingeführt wird. Es muss evaluiert werden, inwieweit das Misstrauen der Verbraucher in den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr nicht auf Nichtwissen über die gerichtlichen Durchsetzungsmöglichkeiten basiert. Sofern eine Prüfung den Bedarf für weitere Maßnahmen ergibt, spricht sich die Bundesrechtsanwaltskammer für die Einführung eines neben den nationalen Verfahrensarten stehenden Verfahrens für den kollektiven Rechtsschutz aus. Ein solches darf jedoch nicht nur für Verbraucherstreitigkeiten gelten. Die Bundesrechtsanwaltskammer plädiert für die Einbeziehung des Weißbuchs über Schadensersatzklagen im Wettbewerbsrecht in die Überlegungen. Für kollektive Verfahren muss grundsätzlich der Opt-in-Grundsatz gelten, da aus Gründen der Individualrechte und der Rechtsstaatlichkeit ein Zwang zur Teilnahme an kollektiver Rechtsdurchsetzung abzulehnen ist. Nur für Kleinstschäden (Streuschäden), bei denen die Opt-in-Lösung einen enormen Bürokratieaufwand  bedeuten würde, sollte eine Opt-out-Lösung angestrebt werden. Solche Ansprüche sollten nur von anerkannten Verbraucherorganisationen geltend gemacht werden können, die dann über den Erlös im Sinne des Verbraucherschutzes verfügen sollten. Die Verknüpfung von Verfahren des kollektiven Rechtsschutzes mit Erfolgshonoraren lehnt die Bundesrechtsanwaltskammer aus Gründen des Mandantenschutzes ab. Jedoch darf die Finanzierung eines neuen kollektiven Verfahrens nicht einseitig zu Lasten der Anwälte entschieden werden. Es gibt keinen sachlich nachvollziehbaren Grund, weshalb die Anwaltschaft – etwa durch eine Kappung von Prozesskosten, wie dies im Grünbuch angedacht ist – ein Sonderopfer in derartigen Verfahren bringen soll, das ggf. auch Gewerbetreibenden und  Verbrauchern zugute kommt, die keine Prozesskostenhilfe oder Beratungshilfe benötigen. Eine staatliche Finanzierung kollektiver Rechtsstreitigkeiten wird abgelehnt, da gerade das Risiko, bei ungünstigem Prozessverlauf die Verfahrenskosten tragen zu müssen, dazu beiträgt, missbräuchlichen Klagen vorzubeugen.

 

Zu dem gleichen Thema fand am 04. März 2009 ein Seminar der Alliance of Liberals and Democrats for Europe (ALDE) im Europäischen Parlament statt. Verbraucherkommissarin Kuneva betonte wiederholt, dass die Einführung amerikanischer Verhältnisse  - Stichwort „class actions“ – von der Kommission nicht gewollt und verfolgt würde. Sie arbeite eng mit Wettbewerbskommissarin Kroes zusammen, aus deren Generaldirektion das Weißbuch über Schadenersatzklagen im Wettbewerbsrecht stammt. Die zu dem Grünbuch abgegebenen Stellungnahmen sollen in einem Feedback-Statement zusammengefasst werden. Für Juni ist ein Hearing angesetzt. Kroes merkte in ihrem Vortrag an, dass es trotz enger Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den Generaldirektionen nicht zu einem horizontalen Instrument für den kollektiven Rechtsschutz kommen werde, da die Zielrichtungen zu unterschiedlich seien. Für den Bereich des Kartellrechts gebe es ihrer Ansicht nach nur die Option eines opt-in-Modells.

 

Frühere Berichte: 21/2008, 10/2008, 7/2008, 3/2008, 21/2007, 11/2007, 9/2007, 6/2007, 5/2007, 3/2007, 17/2006, 11/2006, 6/2006, 1/2006, 

 

Strafrecht

 

Kompetenzkonflikte in Strafverfahren

Die Innen- und Justizminister haben auf ihrer Tagung vom 26./27. Februar 2009 eine erste Orientierungsdebatte über den Entwurf für einen Rahmenbeschluss zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren zur politischen Richtungsfindung für die weiteren Arbeiten abgehalten. Das Hauptaugenmerk der Diskussion lag auf Ziel und Anwendungsbereich des zukünftigen Rechtsinstruments sowie auf der Gestaltung der zuständigen Stellen und der Kommunikation zwischen diesen Stellen. Weitgehend einig war man sich darüber, dass das Instrument nur in Situationen angewendet werden soll, in denen gegen eine oder mehrere Personen parallel in verschiedenen Mitgliedstaaten Strafverfahren wegen derselben Tat durchgeführt werden. Zur frühzeitigen Information der nationalen Stellen über parallel laufende Verfahren und um so schnell wie möglich eine Einigung darüber zu erzielen, in welchem Mitgliedstaat das Verfahren abgewickelt werden soll, wurden folgende Maßnahmen vorgeschlagen: frühzeitiger Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten über laufende Strafverfahren, die eine besondere Verknüpfung mit einem anderen Mitgliedstaat aufweisen; Formulierung transparenter Vorschriften und gemeinsamer Kriterien, nach denen die Mitgliedstaaten den am besten geeigneten Staat bestimmen sollen; Ermöglichung von direkten Konsultationen zwischen den nationalen Behörden.

 

Frühere Berichte: 11/2006, 7/2006, 5/2006, 1/2006, 21/2005, 16/2005, 2/2009.

 

 

Freizügigkeit

 

Bulgarien wegen Vorschriften über den Anwaltsberuf unter Druck

Die Europäische Kommission hat den ersten Schritt für ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Bulgarien eingeleitet. Sie entschied am 19. Februar, Bulgarien, seit 2007 Mitglied der EU, ein Aufforderungsschreiben wegen seiner Vorschriften über den Anwaltsberuf zu übermitteln. Beanstandet wird, dass einige Vorschriften des bulgarischen Rechtsanwaltsgesetzes gegen die in Art. 43 EG-Vertrag garantierte Niederlassungsfreiheit verstoßen könnten. Außerdem ist die Kommission der Ansicht, dass einige Regelungen gegen die Richtlinie 98/5/EG verstoßen könnten. Diese Richtlinie regelt die Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als, dem, in dem die Qualifikation erworben wurde. Insbesondere die folgenden Vorschriften sind ins Visier der Kommission geraten: Die bulgarische Staatsbürgerschaft als Voraussetzung für die Zulassung zum Rechtsanwaltsberuf in Bulgarien, unterschiedliche Ausgestaltung der Rechte bei Ausübung der Anwaltstätigkeit für bulgarische Anwälte und Anwälte aus anderen Mitgliedstaaten, eine Regelung, wonach es Rechtsanwälten und Rechtsanwaltskanzleien aus anderen Mitgliedstaaten verboten ist, unter ihrem Kanzleinamen in Bulgarien aufzutreten. Bulgarien hat nun die Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern, bevor die Kommission ggf. eine mit Gründen versehene Stellungnahme abgibt und, wenn Bulgarien die Stellungnahme nicht befolgen sollte, die Kommission den EuGH anruft.

 

 

Sonstiges

 

Europarechtliches Symposion 2009 des BAG

Am 14./15. Mai 2009 findet in Erfurt ein Europarechtliches Symposion statt, veranstaltet vom Bundesarbeitsgericht und dem Deutschen Arbeitsgerichtsverband e.V. Behandelt werden: Kollektives Arbeitsrecht in Europa, Nationale Koalitionsfreiheiten vs. Europäische Grundfreiheiten, das Verhältnis der Grundfreiheiten zu den Gemeinschaftsgrundrechten sowie aktuelle Tendenzen in der europäischen Rechtsentwicklung zum Individualarbeitsrecht. Nähere Informationen sind unter www.bag-symposion.de abzurufen, Anmeldefrist ist der 20. März 2009.

 

Seminar der China-EU School of Law „Foreign Investments in China – Secrets of a Boom“

Die im Oktober vergangenen Jahres in Beijing neu gegründete „China-EU School of Law“ (CESL) wird vom 21. bis zum 23. Mai 2009 in Budapest ein Seminar zum Thema „Foreign Investments in China – Secrets of a Boom“ unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Messmann (Universität Budapest) und Dr. Knut B. Pissler (MPI für IPR, Hamburg) durchführen. Für eine Teilnahmegebühr von 800 Euro wird das Seminar einen grundlegenden Überblick zu Rechtsfragen ausländischer Investitionen in China geben. Die Themen der einzelnen Vorträge reichen von einer Einführung in das chinesische Recht über Kartellpolitik bis hin zu chinesischem Arbeitsrecht. Weitere Informationen zur CESL erhalten Sie unter www.cesl-beijing.eu, Anmeldung zum Seminar per E-Mail an: messmann@ceu.hu oder pissler@mpipriv.de.

 

 

Impressum

Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel, Avenue des Nerviens 85, bte 9, B-1040 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax: 0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.eu

 

Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Anabel von Preuschen und Natalie Barth

© Bundesrechtsanwaltskammer

 

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