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Themen in dieser
Ausgabe: Zivilrecht Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte stärkt das
Sorgerecht unverheirateter Väter Verbraucherschutz Ausdehnung der Pauschalreiserichtlinie? Institutionen Letzter
Rat für Justiz und Inneres vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags Vertrag
von Lissabon mehr Gewicht für die Europäische Justiz- und Innenpolitik Rat
für Binnenmarkt, Industrie und Forschung Sonstiges EU-Innenminister verabschieden Swift-Abkommen In eigener SacheNachrichten aus Brüssel-Weihnachtsferien |
Zivilrecht
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Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
stärkt das Sorgerecht unverheirateter Väter
Mit seinem Urteil vom 3. Dezember
2009 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg das
Sorgerecht unverheirateter Väter in Deutschland gestärkt. Der Kläger ist Vater
einer mittlerweile vierzehnjährigen Tochter, mit der Kindesmutter war er nicht
verheiratet. Nach geltendem Recht steht bei unverheirateten Eltern das
alleinige Sorgerecht der Mutter zu. Mit der Reform des Kindschaftsrechts 1998
wurde für unverheiratete Eltern erstmals die Möglichkeit geschaffen, das
Sorgerecht gemeinsam auszuüben. Die Kindesmutter kann hierzu jedoch nicht
gezwungen werden. Im vorliegenden Fall lehnte die Kindesmutter das gemeinsame Sorgerecht
ab. Der Vater klagte auf Erteilung des Sorgerechts, was ihm jedoch durch
deutsche Gerichte unter Berufung auf eine fehlende gemeinsame
Sorgerechtserklärung versagt wurde. Das OLG Köln verwies dabei im
Berufungsverfahren auf den zugrundeliegenden § 1626a BGB, den das
Bundesverfassungsgericht in einem Urteil im Januar 2003 für verfassungskonform
erklärt hatte. Gegen diese Gerichtsentscheidungen richtete sich der Kläger mit
einer Klage vor dem EGMR. Er sieht sich in seinem Recht auf Familienleben gemäß
Artikel 8 EMRK verletzt und aufgrund seines Geschlechtes und im Vergleich zu
verheirateten oder geschiedenen Vätern gemäß Artikel 14 in Verbindung mit
Artikel 8 EMRK diskriminiert. Der EGMR urteilte, dass eine Verletzung von
Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 EMRK vorliegt. Das Recht auf
Familienleben gemäß Artikel 8 EMRK sei für Väter weniger stark ausgeprägt als
für Mütter und es würden Unterschiede zwischen ehelichen und nichtehelichen
Kindern gemacht. Für die Rechtfertigung solcher Ungleichbehandlungen hat der
EGMR schon in seiner bisherigen Rechtsprechung sehr große Hürden festgelegt. Es
sei nicht hinreichend begründet worden, warum der Kläger anders behandelt wurde
als ein Vater, der von Anfang an ein Sorgerecht hatte und es trotz einer Trennung
oder Scheidung von der Mutter behält. Das Bundesjustizministerium prüft nun
gesetzliche Änderungen.
Ausdehnung der
Pauschalreiserichtlinie?
Die
EU-Kommission hat am 26. November 2009 eine öffentliche
Konsultation zur Frage der Ausdehnung der Richtlinie 90/314/EWG über
Pauschalreisen gestartet. In ihrer heutigen Form ist die Richtlinie nur
einschlägig, wenn mindestens zwei im voraus festgelegte Dienstleistungen
(Beförderung, Unterbringung oder andere touristische Dienstleistungen) zu einem
Gesamtpreis verkauft oder zum Verkauf angeboten werden, wenn diese Leistung
länger als 24 Stunden dauert oder eine Übernachtung einschließt. Diese Art der
Pauschalreise, gebucht in einem Reisebüro, ist jedoch heutzutage nicht mehr der
Regelfall. Viele Verbraucher buchen ihre Reisen über das Internet (knapp 25 %
in der EU und über 40 % in Schweden und Irland), indem sie die einzelnen
Reiseelemente unabhängig voneinander im Internet zusammenstellen. Die
Kommission plant daher, die Richtlinie auch auf solche Reisen auszudehnen. Ein
weiterer Vorschlag der Kommission geht dahin, den Schutz bei Insolvenzen von
Fluggesellschaften nicht nur Pauschalreisenden zu gewähren, sondern auf alle
Flugpassagiere auszudehnen. Dies ist auch eine Forderung des Europäischen
Parlaments (siehe Entschließung
vom 25. November 2009 zur Entschädigung von Fluggästen im Falle einer Insolvenz
der Fluggesellschaft). Andere Fragen beziehen sich auf die
Informationspflichten gegenüber Passagieren (wann und auf welche Weise),
Vertragsänderungen (Rücktrittsrecht, mit oder ohne Schadensersatz,
Preisänderungen zwischen Vertragsabschluss und Antritt der Reise) und
Verpflichtungen und Haftung bei Problemen des Verbrauchers. Die Konsultation
richtet sich an alle Bürger, Organisationen und Behörden. Die Antworten auf den
Fragenkatalog der Kommission können bis zum 7. Februar 2010 übersandt werden.
Ein entsprechender Gesetzesvorschlag der Kommission ist nicht vor Herbst 2010
zu erwarten.
Letzter Rat für Justiz und Inneres vor
Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags
Neben
dem SWIFT-Abkommen (siehe unten Sonstiges) hat der Rat für Justiz und Inneres (JI-Rat) auf seiner letzten Tagung vor
Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags auch
noch den Rahmenbeschluss zu Kompetenzkonflikten im Strafverfahren angenommen.
Nach den Regeln des Lissabonner Vertrags können nun auch die Gesetzesvorhaben
im Strafrechtsbereich nur noch unter Beteiligung des Europäischen Parlaments
abgeschlossen werden. Das heißt, dass derzeit im JI-Rat diskutierte
Rahmenbeschlüsse mit strafrechtlichem Inhalt, selbst wenn schon eine politische
Einigung auf Ministerebene erreicht worden ist, in Form von Richtlinien neu
eingebracht werden müssen. Betroffen davon sind u.a. der Rahmenbeschluss über
die Übertragung
von Strafverfahren, der Rahmenbeschluss zur Verhütung
und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz von Opfern, der
Rahmenbeschluss zur Bekämpfung
des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der
Kinderpornografie sowie der Rahmenschluss über das Recht
auf Verdolmetschung und Übersetzung in Strafverfahren. Da das Europäische
Parlament nun über das Mitentscheidungsrecht in diesem Bereich verfügt, ist
davon auszugehen, dass bereits erzielte Einigungen im Rat nur sehr begrenzt
übernommen werden können, da die Vergangenheit gezeigt hat, dass die
EU-Parlamentarier insbesondere in Punkten des Schutzes der bürgerlichen
Freiheiten andere Akzente setzen.
Vertrag von Lissabon mehr Gewicht für die
Europäische Justiz- und Innenpolitik
Mit
dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags am 1. Dezember 2009 wird nun der
gesamte Bereich der Europäischen Justiz- und Innenpolitik in einem
einheitlichen Rechtsrahmen (Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts,
Titel V AEUV) zusammengeführt. Das Europäische Parlament wird, von ganz wenigen
Ausnahmen abgesehen, gleichberechtigter Mit-Gesetzgeber neben dem Rat.
Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass endlich das Innen- und
Justizressort der Kommission getrennt worden ist, es gibt nun also einen
eigenständigen Kommissar für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft. Die
Bundesrechtsanwaltskammer hatte sich seit langem für die Trennung in zwei
unterschiedliche Ressorts, wie sie in Deutschland und auch anderen
Mitgliedstaaten durch unterschiedliche Ministerien praktiziert wird,
eingesetzt. Allerdings sollte dies nur der erste Schritte sein, denn es ist notwendig,
auch den Unterbau, das heißt die zuständige Generaldirektion für Justiz und
Inneres, zu trennen, denn nur so kann gewährleistet werden, dass bei der
Vorbereitung von Gesetzesvorschlägen beide Bereiche, Justiz und Inneres,
entsprechend gewichtet werden können. Erste Kommissarin, zuständig für Justiz,
Grundrechte und Bürgerschaft, wird die Luxemburgerin Viviane Reding, die in der
ersten Barroso-Kommission Kommissarin für Bildung, Kultur, Jugend, Medien und
Sport war.
Rat für Binnenmarkt, Industrie und
Forschung
Bei
ihrer Ratssitzung am 4. Dezember 2009 haben die für Wettbewerbsfähigkeit
zuständigen Minister zwar keine bindenden Entscheidungen getroffen, aber
wichtige politische Kompromisse geschlossen: Nachdem die Verhandlungen für
längere Zeit ins Stocken geraten waren, einigten sich Minister auf Festlegungen
für ein einheitliches Europäisches Patent sowie zur Schaffung einer
Patentgerichtsbarkeit. Der Aspekt der Übersetzungen soll in einer separaten Verordnung
geregelt werden, da in diesem Punkt noch Verhandlungsbedarf besteht. Es wird außerdem
noch ein Gutachten des Europäischen Gerichtshofes erwartet, in dem dieser
Stellung zu der Vereinbarkeit des Regelungsentwurfs einer Europäischen
Patentgerichtsordnung mit den EU-Verträgen nehmen soll. Nach dem Lissabon-Vertrag
unterfällt das Patentrecht dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, in dem Rat
und Parlament gemeinsam die Legislativgewalt ausüben.
Der
Vorschlag für eine Richtlinie, durch die Verbraucherrechte in der EU noch
weiter harmonisiert werden sollen, fand Zustimmung.
Unternehmen sollen zu klareren Informationen verpflichtet, Rechte bei
verspäteter oder nicht erfolgter Lieferung gestärkt und Widerrufsrechte bei
Fernabsatz- und Haustürgeschäften konkretisiert werden. Der Vorschlag befindet
sich in der Phase der ersten Lesung.
Über
die Schaffung einer Europäischen Privatgesellschaft (EPG) konnten die Minister
dagegen keine Einigung erzielen. Umstritten sind insbesondere zwei Punkte: der
Sitz der EPG und die Arbeitnehmerbeteiligung. Nach dem Kommissionsvorschlag ist
es zulässig, dass Hauptverwaltung, beziehungsweise Hauptgeschäftsort, und Ort
der Eintragung unterschiedlich sind. Einige Mitgliedsstaaten stehen dieser
Regelung skeptisch gegenüber. Der Vorschlag der Kommission sieht außerdem vor,
dass für die Arbeitnehmermitbestimmung im Allgemeinen die nationalstaatlichen
Regelungen des Staates gelten, in dem die EPG ihren eingetragenen Sitz hat.
Uneinigkeit besteht aber noch darüber, welches Recht anzuwenden sein soll, wenn
die EPG ihren Sitz verlegt. Da Mitbestimmung in kleinen Unternehmen nur in
wenigen Mitgliedsstaaten vorgesehen ist, wird über die Einführung eines
Schwellenwertes bei Sitzverlegungen diskutiert. Dieser liegt nach einem
Kompromissvorschlag bei 500 Arbeitnehmern.
Frühere Berichte: 10/2009,
6/2009,
1/2009,
18/2008,
16/2008,
15/2008,
13/2008,
10/2008,
15/2007,
11/2007
EU-Innenminister verabschieden Swift-Abkommen
Die
Innenminister der Europäischen Union haben am 30. November 2009, nur wenige
Stunden vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags, dem sogenannten SWIFT-Abkommen
zugestimmt (Ratsbeschluss
mit Text des Abkommens). Damit wird zum ersten Mal eine rechtliche Grundlage
für den Zugriff von US-Behörden auf europäische Bankdaten geschaffen. Im
Europäischen Parlament wurde der Zeitpunkt der Abstimmung so kurz vor
Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags heftig kritisiert. Nach den neuen Regeln
ist das Parlament in allen Phasen des Verfahrens unverzüglich und umfassend zu unterrichten
und muss dem Abkommen zustimmen (Art. 218 Abs. 6 a) v), Abs. 10 AEUV). Auch dem
jetzigen, für neun Monate ausgehandelten, Abkommen muss das Europäische
Parlament zustimmen, es kann jedoch keine Änderungen mehr vorschlagen. Ab
Februar 2010 soll dann ein endgültiges Abkommen verhandelt werden. Das
Interimsabkommen hatte bei Datenschützern, EU-Parlamentariern, Bürgerrechts-
und Wirtschaftsverbänden und auch bei Regierungen für Unmut gesorgt.
Insbesondere wurden Datenschutz- und Rechtsschutzlücken, sowie die Möglichkeit
der Wirtschaftsspionage als Kritik angeführt. Auch das Bundesjustizministerium stand
dem Abkommen ablehnend gegenüber, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. So
enthielt sich Deutschland schließlich nur der Stimme wie auch Österreich,
Ungarn und Griechenland und stimmte nicht gegen das Abkommen, wodurch allein
sein Zustandekommen hätte verhindert werden können. Das Abkommen soll Anfang
Februar 2010 in Kraft treten.
Früherer
Bericht: 17/2009
Nachrichten
aus Brüssel-Weihnachtsferien
Wegen
der Weihnachtsferien erscheint die nächste Ausgabe der Nachrichten aus
Brüssel erst wieder am 7. Januar 2010.
Impressum Bundesrechtsanwaltskammer,
Büro Brüssel, Avenue des Nerviens 85, bte 9, B-1040 Brüssel, Tel: 0032-2-743
86 46, Fax: 0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.eu Redaktion und Bearbeitung: RAin
Dr. Heike Lörcher, RAin Anabel von Preuschen, RAin Tanja Ortel und Natalie
Barth © Bundesrechtsanwaltskammer |
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