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Ausgabe 04/2010

04.03.2010

 

Themen in dieser Ausgabe:

 

Zivilrecht

EuGH: Ermäßigte Mehrwertsteuer auf Anwaltsdienstleistungen im Rahmen der Prozesskostenhilfe

Steuervergünstigung für notleidende Unternehmen

Ausdehnung des Mutterschaftsurlaubs auf 20 Wochen

Gleiche Sanktionen für Unternehmen und öffentliche Stellen bei Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr

 

Verbraucherrechte

Anhörung zur Verbraucherrechte-Richtlinie - Parlament

 

Wettbewerb

Entschließung über die Rechte des geistigen Eigentums - Rat

 

Rat der Justiz- und Innenminister

Interne Sicherheitsstrategie für die EU

SWIFT-Abkommen

Europäische Schutzanordnung

Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzung in Strafverfahren

 

 

Zivilrecht

 

EuGH: Ermäßigte Mehrwertsteuer auf Anwaltsdienstleistungen im Rahmen der Prozesskostenhilfe

EuGH-Generalanwalt Niilo Jääskinen hat am 11 Februar 2010 seine Schlussanträge in der Rechtssache Europäische Kommission ./. Französische Republik (C-492/08) vorgelegt. Jääskinen vertritt darin die Auffassung, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz, der in Frankreich für Dienstleistungen, die von Rechtsanwälten im Rahmen der Prozesskostenhilfe erbracht und in vollem Umfang oder teilweise vom Staat erstattet werden, gegen Art. 96 und Art. 98 der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie (2006/112/EG) verstößt.

Nach dem französischen Allgemeinen Steuergesetzbuch unterliegen anwaltliche Dienstleistungen im Rahmen der Prozesskostenhilfe nicht 19,6%, sondern nur 5,5% Mehrwertsteuer. Dies wird damit begründet, dass die Prozesskostenhilfe gleichzusetzen sei mit Dienstleistungen gemeinnütziger Einrichtungen, die ebenfalls von einer niedrigeren Mehrwertsteuer profitierten, wie es Anhang III Nr. 15 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vorsieht. Außerdem sei die Steuerbegünstigung notwendig im Hinblick auf den Zugang zu den Gerichten für einkommensschwache Bürger. Demgegenüber vertritt die Kommission die Auffassung, dass anwaltliche Dienstleistungen im Rahmen der Prozesskostenhilfe keiner der in Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Kategorien von Dienstleistungen zuzurechnen sind. Der Zugang zu den Dienstleistungen eines Rechtsanwalts, so die Kommission weiter, werde von der Höhe der Prozesskostenhilfe und nicht durch den angewandten Mehrwertsteuersatz bestimmt.

In seinen Schlussanträgen anerkennt Generalanwalt Jääskinen die Bedeutung der Prozesskostenhilfe für den Zugang zum Recht, stellt jedoch gleichzeitig fest, dass die Anwendung des regulären Steuersatzes den Zugang nicht beschränken würde. Er bestätigt weiterhin die Auffassung der Kommission, dass Rechtsanwälte weder „von den Mitgliedstaaten anerkannte gemeinnützige Einrichtungen“, noch die von Rechtsanwälten erbrachten Leistungen im Rahmen der Prozesskostenhilfe Dienstleistungen „für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit“ seien, wie es die Mehrwertsteuersystemrichtlinie erfordert, wenn ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz angewendet werden soll. Dementsprechend schlägt Jääskinen dem Gerichtshof vor, der Vertragsverletzungsklage der Kommission stattzugeben.

 

Steuervergünstigung für notleidende Unternehmen

Die Europäische Kommission wird die deutsche Steuervergünstigung für notleidende Unternehmen, deren Beteiligungsstruktur sich erheblich geändert hat, auf der Grundlage der EU-Beihilferegeln förmlich prüfen. Die Sanierungsklausel wurde im Juli 2009 beschlossen und wird rückwirkend seit dem 1. Januar 2008 angewandt. Ursprünglich sollte die Klausel Ende 2009 auslaufen. Sie wurde dann jedoch von der Bundesregierung in eine dauerhafte Maßnahme umgewandelt. Die Sanierungsklausel ermöglicht notleidenden Unternehmen- mit Aussicht auf Gesundung, ihr steuerpflichtiges Einkommen künftiger Steuerjahre auch dann um frühere Verluste zu senken, wenn sich die Eigentümerstruktur deutlich geändert hat. Nach den allgemeinen Vorschriften wird ein solcher Verlustvortrag durch eine wesentliche Änderung der Beteiligungsstruktur unmöglich. Derartige Staatsbeihilfen sind nur in genau festgelegten Fällen erlaubt. Deutschland geht davon aus, dass die Sanierungsklausel nicht unter das EU-Beihilferecht fällt. Die Kommission hegt diesbezüglich jedoch Zweifel, weil sich die Regel nur auf notleidende Unternehmen bezieht und damit die notleidenden Unternehmen in Bezug auf den Verlustvortrag besser stellt als gesunde. Darüber hinaus hat die Kommission auch Zweifel, ob die Sanierungsklausel mit den EU-Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen vereinbar ist.

Ausdehnung des Mutterschaftsurlaubs auf 20 Wochen

Der Bericht der EU-Abgeordneten Edite Estrela (S&D) betreffend die Gesundheit und Sicherheit von schwangeren Arbeitnehmerinnen wurde am 23. Februar 2010 im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter mit 19 Ja-Stimmen, 13 Gegenstimmen und einer Enthaltung angenommen. Im Oktober 2008 hatte die Europäische Kommission eine Überarbeitung der geltenden Richtlinie 92/85/EWG und eine Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs auf mindestens 14 bis 18 Wochen vorgeschlagen. In ihrem Richtlinienentwurf empfahl die Kommission, das volle Monatsgehalt auf Grundlage der letzten Lohnabrechnung zu zahlen, jedenfalls sollte die Zahlung nicht unter dem Satz für Krankheitsurlaub liegen. Der Entwurf soll die Mindeststandards auf EU-Ebene festlegen, wobei die Mitgliedstaaten Vorschriften erlassen oder bestehende Regeln aufrechterhalten können, die über die Regelungen der Richtlinie hinausgehen. Die Vorschriften über den Mutterschaftsurlaub gelten auch für inländische Arbeitnehmer und selbständige Erwerbstätige. Der Bericht der EU-Abgeordneten sieht eine Ausdehnung des Mutterschaftsurlaubs auf 20- vollbezahlte- Wochen vor, wobei sechs davon unmittelbar nach der Geburt des Kindes genommen werden müssen. Dem Bericht zufolge soll ein Vaterschaftsurlaub eingeführt werden, welcher mindestens zwei Wochen während der Dauer des Mutterschaftsurlaubs genommen werden  kann und ebenfalls voll bezahlt werden soll. Bisher gibt es solche Regelungen auf EU-Ebene nicht. Darüber hinaus soll bei Frühgeburten, Kindern oder Müttern mit Behinderungen, minderjährigen Müttern, Mehrlingsgeburten und Geburten, die innerhalb von 18 Monaten nach einer vorangegangenen Geburt eintreten, zusätzlicher Mutterschaftsurlaubs gewährt werden. Der Ausschuss hat außerdem Änderungen angenommen, um die Kündigung von schwangeren Arbeitnehmerinnen in dem Zeitraum von Beginn der Schwangerschaft bis mindestens sechs Monate nach dem Ende des Mutterschaftsurlaubs verbieten zu lassen. Eine Kündigung während dieser Zeit muss schriftlich begründet werden. Ferner müssen Frauen das Recht und die Möglichkeit haben, zu ihrem Arbeitsplatz oder in eine „gleichwertige“ Position zurückzukehren.

Früherer Bericht: 16/2009

Gleiche Sanktionen für Unternehmen und öffentliche Stellen bei Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr

Die Berichterstatterin des Ausschusses Binnenmarkt und Verbraucherschutz im Europäischen Parlament Barbara Weiler hat ihren Berichtsentwurfs über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr vorgelegt. Grundlage des Berichtsentwurfs ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission vom April 2009 zur Neufassung der Richtlinie 2000/35/EC zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, dessen Ziel es ist, die Wirksamkeit und Kosteneffizienz im Verhältnis zu dem Rückgriff im Falle einer verspäteten Zahlung zu verbessern. Dies soll durch den Zusatz von Bestimmungen erfolgen, nach denen die administrativen Kosten zurückgefordert werden können und eine Entschädigung für die internen Kosten, die mit dem Zahlungsverzug verbunden sind, verlangt werden kann. Sein Ziel ist es, die Unterschiede zwischen dem Zahlungsverzug einerseits von öffentlichen Verwaltungen und andererseits von Unternehmen durch eine Harmonisierung zu verringern. Grundsätzlich spricht sich die Berichterstatterin für die unterschiedliche Behandlung von privaten Unternehmen und Behörden im Geschäftsverkehr aus. Sanktionen gegen säumige Zahler sollten allerdings für alle gleichsam eingeführt werden. Diese Ansicht wurde von Abgeordneten aus den nationalen Parlamenten, die der Binnenmarkt-Ausschuss eingeladen hatte, im September 2009 unterstützt. Eine weitere Änderung durch den Richtlinienentwurf ist die Höhe der Strafe (als Verzugszinsen zu zahlen). Anstelle von 5% auf die geschuldete Summe, wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, fordert Barbara Weiler Zahlungen nach einer abgestuften Skala, nach der der Schuldner 2% der geschuldeten Summe zahlen müsste, sobald die Zinsen fällig werden, ab dem fünfundvierzigsten Tag nach Fälligkeit 4 % der Summe, und schließlich 5% ab dem sechzigsten Tag. Die Strafe sollte 50.000 Euro nicht übersteigen. Dadurch sollen Unternehmen in der Lage sein, schneller an ihr Geld zu gelangen, sobald dieses fällig wird. Die Definition der öffentlichen Hand wird auf öffentliche Unternehmen, die im Allgemeininteresse handeln (beispielsweise bezüglich Wasser, Strom und Transport), ausgeweitet. Eine Verlängerung der 30-tägigen Zahlungsfrist soll die Ausnahme bleiben.

 

Frühere Berichte: 07/2009, 17/2009

 

Verbraucherrechte

 

Anhörung zur Verbraucherrechte-Richtlinie - Parlament

Am 23. Februar 2010 debattierten Vertreter der nationalen Parlamente mit den Mitgliedern des Binnenmarktausschusses des Europaparlaments in einer Anhörung über die Ausgestaltung der neuen EU-Richtlinie zu Verbraucherrechten.  Der Berichterstatter des Ausschusses Binnenmarkt und Verbraucherschutz Andreas Schwab forderte, dass einheitliche Standards in den Kernbereichen im Rahmen einer gezielten Vollharmonisierung geschaffen werden müssten. Mit Blick auf die Situation der Verbraucher sei es wichtig, dass die Regeln überall in der EU gleich seien. Dies brächte besonders für kleine Unternehmen auch neue Marktchancen, die sich nicht immer die teure Anpassung an die verschiedenen nationalen Rechtsordnungen leisten könnten. Viele  Kleinunternehmen sähen bisher von einem Verkauf in EU-Nachbarländern ab, da eine Anpassung der Kaufverträge oder der Allgemeinen Geschäftsbedingungen an eine einzige nationale Rechtsordnung innerhalb der EU 20.000 Euro kosten könne. Für Online-Geschäfte fordert Schwab praxisorientierte Lösungen, wie etwa im Rahmen von Fernabsatzverträgen und Direktvertrieb ein Widerrufsrecht für Internetauktionsseiten wie e-bay. Darüber hinaus sollte es eine Muster-Widerrufsbelehrung geben. Die Beratungen über das Arbeitsdokument zum Verbraucherrecht beginnen in Kürze. Die Vorlage des Berichtsentwurfs im Binnenmarktauschuss ist für Juni vorgesehen.

Frühere Berichte: 19/2009, 09/2009, 18/2008, 03/2008

 

Wettbewerb

 

Entschließung über die Rechte des geistigen Eigentums - Rat

Der Rat für Wettbewerbsfähigkeit hat am 1. März 2010 eine Entschließung zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums verabschiedet. Die Entschließung nimmt Bezug auf die gleichlautende Mitteilung der Europäischen Kommission vom 11. September 2009. Zur Bekämpfung von Nachahmungen und Piraterie hatte die Kommission im Juli 2008 einen Gesamtplan vorgestellt.

In ihrer Mitteilung schlägt die Kommission eine Reihe von praktischen Maßnahmen zur Eindämmung des ökonomischen und gesellschaftlichen Schadens der Marken- und Produktpiraterie. Die Kommission möchte den bestehenden Rechtsrahmen durch nichtlegislative Maßnahmen ergänzen und setzt dabei insbesondere auf eine verbesserte Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums durch die gezielte Zusammenarbeit der Privatwirtschaft, der Verwaltung und der Akteure.

In seiner Entschließung begrüßt der Rat den von der Kommission eingeschlagenen Kurs, fordert sie jedoch gleichzeitig auf, in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen in den Mitgliedstaaten die bestehenden nationalen Verwaltungsvorschriften noch weiter zu untersuchen und die Anwendung der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (2004/48/EG) in den Mitgliedstaaten zu überprüfen. Weiter fordert der Rat die Kommission auf, eingehend zu analysieren, ob die Einführung strafrechtlicher Sanktionen zur Bekämpfung von Fälschung und Piraterie ratsam ist. Der Rat schließt sich dem Aufruf der Kommission zur breiten Unterstützung der EU-Beobachtungsstelle für Marken- und Produktpiraterie an.

In der Entschließung werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, nationale Strategien gegen Produkt- und Markenfälschung zu entwickeln und transparente Koordinationsstrukturen aufzubauen. Die Mitgliedstaaten und die verschiedenen Akteure sollen außerdem Vereinbarungen für freiwillige praktische Maßnahmen zur Bekämpfung von Fälschung und Piraterie treffen.


 

Rat der Justiz- und Innenminister

 

Interne Sicherheitsstrategie für die EU

Auf ihrer Ratssitzung vom 25. Februar 2010 haben die Innenminister der EU-Mitgliedstaaten die Interne Sicherheitsstrategie für die EU verabschiedet. Schwerpunkte der Strategie sind insbesondere die verstärkte Zusammenarbeit der Strafverfolgungs-, Grenzschutz- und Justizbehörden sowie im Zivil- und Katastrophenschutz bei ausreichendem Schutz der Grundrechte. Die Entwicklung einer internen Sicherheitsstrategie ist bereits im Stockholm-Programm verankert worden.

 

Früherer Bericht: 12/2009

 

SWIFT-Abkommen

Nachdem das Swift-Abkommen zwischen der EU und den USA, das die Weitergabe von Bankdaten europäischer Bürger an die USA vorsieht, an dem ablehnenden Votum des Europäischen Parlaments gescheitert war, haben die Innenminister der EU am 25. Februar 2010 beschlossen, einen zweiten Anlauf zum Abschluss eines Swift-Abkommens zu unternehmen.

 

Frühere Berichte: 3/2010, 19/2009, 17/2009.

 

Europäische Schutzanordnung

Im Justizministerrat fand am 26. Februar 2010 eine Orientierungsdebatte im Hinblick auf einen Richtlinienentwurf für eine Europäische Schutzanordnung statt. Der Entwurf wurde dem Europäischen Parlament und der Kommission sowie erstmals gemäß dem Lissabon-Vertrag den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten vorgelegt. Die Konsultationsfrist der nationalen Parlamente läuft am 30. März 2010 aus.

 

Früherer Bericht: 1/2010

 

Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzung in Strafverfahren

Ebenfalls diskutiert wurde die Initiative für eine EU-Richtlinie über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzung in Strafverfahren. Die Minister waren sich einig, dass in diesem Bereich zügig weitergearbeitet werden muss und sind zuversichtlich, dass die Zusammenarbeit zwischen Rat, Kommission und Parlament in einen für alle Seiten zufriedenstellenden Text münden wird. Auch bei dieser Initiative endet die Konsultationsfrist der nationalen Parlamente am 30. März 2010.

 

Frühere Berichte: 14/2009, 12/2009.

 

Weiterhin wurde der Stand der Arbeiten zum Beitritt der EU zur Europäischen Menschrechtskonvention debattiert. Die Kommission wurde aufgerufen, so schnell wie möglich Vorschläge für ein Verhandlungsmandat vorzulegen.

 

Impressum

Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel, Avenue des Nerviens 85, bte 9, B-1040 Brüssel, Tel: 0032-2-743 86 46, Fax: 0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.eu

 

Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RAin Anabel von Preuschen und Natalie Barth © Bundesrechtsanwaltskammer

 

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