Die Rechtsprechung zur Wiedereinsetzung und zur effektiven Postausgangskontrolle füllt bekanntermaßen Bände. Ein vergleichsweise neues Terrain ergibt sich aber durch die Änderung der Kanzleiabläufe, die der elektronische Rechtsverkehr mit sich bringt. So hatte sich jüngst das OLG Frankfurt am Main in seinem Beschluss vom 16.6.2017 (Az. 16 U 41/17) mit einer hinreichenden Ausgangskontrolle bei der Nutzung des EGVP-Verfahrens zu befassen. (Psst… was das EGVP ist, können Sie hier nachlesen!)
Im zugrundeliegenden Fall wurde die Frist zur Berufungsbegründung versäumt. Im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrags hatte der säumige Anwalt vorgetragen, dass es nach der Büroorganisation vorgesehen sei, den Schriftsatz von der Schreibkraft in einen Signaturordner einzustellen, die Akte dem Anwalt vorzulegen und nach dessen Signatur an das Gericht zu schicken. Die Schreibkraft habe es aber unterlassen, den Schriftsatz in den Signaturordner einzustellen. Die mit der Fristenkontrolle beauftragte Mitarbeiterin habe bei Überprüfung der Frist den relevanten Schriftsatz in der Akte gesehen und sei davon ausgegangen, der Schriftsatz sei an das Gericht geschickt worden. Sie habe dabei übersehen, dass kein Sendebericht vorgelegen habe, und habe die Frist gelöscht. Da die Frist im Kalender gelöscht gewesen sei, sei der Prozessbevollmächtigte davon ausgegangen, der Schriftsatz sei auch versandt worden.
Das OLG Frankfurt lehnte die Wiedereinsetzung u.a. wegen unklaren Sachvortrags ab und verwies auf die Rechtsprechung des BGH zur Wiedereinsetzung. Diese Anforderungen müssten auch an ein Postausgangskontrollsystem gestellt werden, bei dem die Schriftsätze über ein EGVP an das Berufungsgericht geschickt werden. Auch hier müsse ein abgestuftes System der Postausgangskontrolle eingerichtet sein. Denn elektronische Systeme dürften keine hinter der manuellen Führung z.B. eines Postausgangsbuchs zurückbleibende Überprüfungssicherheit bieten (BGH, Beschl. v. 2.3.2000 – V ZB 1/00 Rn. 7; BGH, Beschl. v. 4.11.2014 – VIII ZB 38/14 Rn. 10).
Was bedeutet das nun für Ihre eigene elektronische Kanzleiorganisation? Nichts, wovor man sich fürchten müsste jedenfalls – und wo es mit dem beA Neues zu beachten gibt, zeigen wir Ihnen:
1. Ein Rechtsanwalt hat dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck hat er eine zuverlässige Fristenkontrolle zu organisieren, um Fehlerquellen bei der Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen (BGH, Beschl. v. 2.2.2010 – XI ZB 23/08; BGH, Beschl. v. 4.11.2011 – VIII ZB 38/14 Rn. 9 ff. – jeweils zu elektronischem Fristenkalender). Das gilt ganz unabhängig davon, auf welchem Weg fristgebundene Schriftsätze versandt werden.
2. Der Rechtsanwalt hat nicht nur eine zuverlässige Kanzleiorganisation für die Eintragung, Verwaltung und Löschung von Fristen sicherzustellen, sondern er hat auch die Ausgangskontrolle von fristgebundenen Schriftsätzen so zu organisieren, dass sie einen gestuften Schutz gegen Fristversäumungen bietet (BGH, Beschl. v. 4.11.2011 – VIII ZB 38/14 Rn. 9 ff.). Auch das gilt ganz unabhängig vom Versandweg.
3. Zu einem gestuften Schutz gehört, dass die fristgebundenen Schriftsätze nicht nur hergestellt, sondern auch so "postfertig" gemacht worden sind, dass die Beförderung nicht mehr durch ein Versehen verhindert werden kann (BGH, Urt. v. 11.1.2001 – III ZR 148/00). Beim Versand über EGVP dürfte zusätzlich verlangt werden, dass anhand des Sendeberichts der erfolgreiche Versand überprüft worden ist. Das kennen Sie längst von der Ausgangskontrolle beim Faxversand – und wie man das mit dem beA macht, lesen Sie gleich.
4. Zur Postausgangskontrolle gehört, dass am Ende jedes Arbeitstags zu prüfen ist, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest nach den genannten Grundsätzen versandfertig gemacht wurden und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen (BGH, Beschl. v. 4.11.2011 – VIII ZB 38/14 Rn. 9 ff.).
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