Ausgabe 17/2019 v. 9.5.2019
 
 
Erste „Flächengerichtsbarkeit“ mit elektronischer Akte

Die Einführung der (führenden) elektronischen Akte bei den Gerichten hat der Gesetzgeber bis spätestens 1.1.2026 vorgeschrieben. Voraussichtlich zum 1.1.2022 gilt die Pflicht für alle Rechtsanwälte, Dokumente nur auf elektronischem Weg an die Gerichte zu übermitteln (sog. aktive Nutzungspflicht nach § 130d ZPO n.F.). Bereits jetzt bereitet sich die Justiz auf die Umstellung von der Papierakte auf die elektronische Akte vor. Hierzu gibt es eine Reihe von Pilotprojekten (dazu beA-Newsletter 29/2018).

Die baden-württembergische Arbeitsgerichtsbarkeit arbeitet seit April vollständig und flächendeckend mit der elektronischen Akte. Dies teilte das LAG Baden-Württemberg kürzlich in einer Pressemitteilung mit. Die Arbeitsgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg sei daher die erste vollständig digital arbeitende „Flächengerichtsbarkeit“ in Deutschland. Bei den 360 Richterinnen und Richter, Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern sowie Servicekräften hätte eine besondere Aufgeschlossenheit bestanden, die jährlich rund 38.000 Verfahren nur noch digital abzuwickeln.

Besonders gut könne man die Vorteile der elektronischen Akte in den mündlichen Verhandlungen sehen. Denn alle Sitzungssäle seien nunmehr mit großen Bildschirmen ausgestattet, auf denen die Richterinnen und Richter Dokumente anzeigen könnten. Dort könnten auch Inhalte juristischer Datenbanken abgerufen oder Vergleichsvereinbarungen gemeinsam entworfen werden. Das vereinfache den Ablauf der mündlichen Verhandlungen und erhöhe die Qualität der juristischen Arbeit.
 
 
Rheinland-Pfalz: elektronische Gerichtspost im Anrollen

Die aktive Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs hält in immer mehr Gerichten Einzug – davon haben wir schon einige Male berichtet (etwa beA-Newsletter 9/2019, beA-Newsletter 23/2018 oder beA-Newsletter 29/2018 oder zuletzt beA-Newsletter 11/2019). Auch die rheinland-pfälzischen Gerichte sind dabei, den „e-Versand“ flächendeckend auszurollen.

Spätestens zum 1.9.2019 sollen nach derzeitiger Planung alle Gerichte in Rheinland-Pfalz elektronisch versenden (formlos wie auch gegen eEB). Die Fachgerichtsbarkeit versendet bereits umfänglich. Derzeit versenden die beiden Oberlandesgerichte, alle Landgerichte sowie alle Amtsgerichte an den Landgerichtsstandorten und darüber hinaus auch die Amtsgerichte Altenkirchen, Betzdorf, Diez, Lahnstein, Linz, Ludwigshafen, Montabaur, Neuwied, Speyer und Westerburg.

Für die übrigen Amtsgerichte sind die folgenden Starttermine im Rahmen des Projektes „EdeV“ (Einführung des elektronischen Versands) geplant:
Die Zahl der von den Gerichten versandten Nachrichten an beA-Postfächer ist dementsprechend seit Jahresbeginn sprunghaft angestiegen.
Und das bedeutet für die Anwaltschaft, dass sie sich zunehmend an Gerichtspost in ihrem beA gewöhnen muss.
 
 
Automatisiertes Mahnverfahren – eine kleine Erinnerung…

Anträge auf Erlass eines Mahnbescheids und Folgeanträge müssen maschinell lesbar eingereicht werden. Das gilt für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bzw. für Inkassodienstleister bereits seit 2008 (für Mahnanträge) bzw. seit dem 1.1.2018 (für Folgeanträge). Die Hintergründe der seit dem 1.1.2018 geltenden Rechtslage haben wir hier erläutert.

Der elektronische Rechtsverkehr wird auch für die Mahngerichte noch weiterentwickelt. Ab dem 1.1.2020 müssen auch Widersprüche gegen Mahnbescheide in maschinell lesbarer Form eingereicht werden. Die amtlichen Vordrucke dürfen dann durch Anwaltschaft und Inkassodienstleister nicht mehr genutzt werden. Darauf hat das gemeinsame Portal der Mahngerichte aller Bundesländer in einer aktuellen Meldung hingewiesen.

Durch eine Änderung der §§ 689 und 702 ZPO ist ab dem 1.1.2020 die Einreichung des Widerspruchs für Rechtsanwälte und registrierte Inkassodienstleister im automatisierten Mahnverfahren nur noch in maschinell lesbarer Form zulässig. Für diesen Rechtsbehelf dürfen die amtlichen Formulare von Rechtsanwälten und Inkassodienstleistern nicht mehr genutzt werden. Die bereits bestehende Nutzungsverpflichtung des automatisierten Mahnverfahrens wird dadurch also zum 1.1.2020 erweitert.

Und wie ging das noch einmal mit den maschinell-lesbaren Mahn- bzw. Folgeanträgen?

Die entsprechenden Formulare finden Sie im Portal www.online-mahnantrag.de unter dem Menüpunkt „Weitere Anträge“ (1). Der Widerspruch ist ebenfalls dort zu finden (2).
Maschinell-lesbare Widersprüche können derzeit nur als Barcode-Antrag in Form eines PDF Formulars erstellt werden; dieses muss dann ausgedruckt, unterschrieben und postalisch an das Mahngericht versandt werden. Alle weiteren Folgeanträge – wie etwa der Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids – können auch als Datei (EDA-Datei) in der „Download-Variante“ (1) erstellt werden. Diese kann sodann elektronisch an das Mahngericht mit Hilfe des beA übermittelt werden. Im Laufe des Sommers 2019 wird nach aktueller Auskunft der Koordinierungsstelle für das automatisierte Mahnverfahren dann auch die „Download-Variante“ für den Widerspruch zur Verfügung stehen.
Die EDA-Datei kann auf einem sicheren Übermittlungsweg nach § 130a ZPO (bzw. den Parallelvorschriften der anderen Verfahrensordnungen) an das Gericht übermittelt werden. Dazu muss der Versand entweder durch den Postfachinhaber selbst über sein eigenes beA veranlasst werden oder die EDA-Datei muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein. Diese können Sie z.B. im Rahmen der Funktion „Anhang hochladen“ (1) an die vom Portal „Online-Mahnantrag“ heruntergeladene EDA-Datei mit Hilfe der beA Karte Signatur anbringen (2).
Gut zu wissen: Die Verpflichtung zur Einreichung der maschinell-lesbaren Anträge im Mahnverfahren nach § 702 ZPO ist nicht zu verwechseln mit einer Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung. Nach § 130d ZPO n.F. wird eine solche „aktive Nutzungspflicht“ erst zum 1.1.2022 kommen (mit der Möglichkeit für die Länder, dies auf den 1.1.2021 oder 2020 vorzuziehen). Ab diesem Zeitpunkt wird dann keine postalische Übermittlung für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mehr zulässig sein.

Eine gewisse Unsicherheit besteht derzeit noch hinsichtlich der Frage, ob der Barcode-Antrag als PDF an die Mahngerichte elektronisch bspw. per beA übermittelt werden darf. Da der Gesetzgeber diese Möglichkeit wohl nicht zulassen wollte, jedenfalls aber nicht gesehen hat, schließt die Koordinierungsstelle für das automatisierte Mahnverfahren in ihrer Stellungnahme vom 19.10.2016 eine elektronische Übermittlung aus. Andererseits lassen etliche Mahngerichte die elektronische Übermittlung zwischenzeitlich zu.

Sicherheitshalber wird gleichwohl empfohlen, nur eine EDA-Datei an die Mahngerichte zu übermitteln oder sich zumindest bei dem jeweiligen Mahngericht zu den zugelassenen Übermittlungswegen rückzuversichern. Und selbst wenn ein Barcode-Antrag elektronisch an das Gericht übermittelt wird, sollten Sie dringend darauf achten, dass dieser nicht zuvor in der Kanzlei ausgedruckt, mit einer Unterschrift versehen und dann wieder eingescannt wird. Zum einen genügt allein die handschriftliche Unterzeichnung nicht. Zum anderen könnte der Barcode durch den erneuten Scanvorgang ungültig werden.

Noch ein kleiner Hinweis, falls Sie sich nun, inspiriert durch diesen Text, durch die Anleitungen zum Mahnverfahren schmökern möchten, die wir in früheren Ausgaben des beA-Newsletters (zu finden über den Index zum beA-Newsletter) publiziert haben: Behalten Sie dabei im Hinterkopf, dass einigen der Beiträge noch die alte Rechtslage zugrunde liegt, also von § 690 III ZPO die Rede ist.
 
Empfangsbereit für gerichtliche Hinweise?

Das OLG Koblenz (Beschl. v. 25.03.2019 – 1 U 1573/18, BeckRS 2019, 4890) hatte jüngst über einen Fall zu entscheiden, bei dem wieder mal einiges schief lief, nur leider erfuhr der Prozessbevollmächtigte zu spät davon. Die vorab per Fax übersandte Berufungsbegründungsschrift war nämlich nicht unterschrieben; auch das nachträglich eingereichte Original der Berufungsbegründungsschrift und die beglaubigten Abschriften wiesen keine Unterschrift auf.

Das Gericht wies den Prozessbevollmächtigten sofort am Folgetag auf die fehlende Unterschrift hin. Dieser Hinweis wurde elektronisch an das beA-Postfach des Anwalts übersandt. Im weiteren Verlauf verteidigte sich der Anwalt damit, dass die Nachricht an eine „inaktive“ SAFE-ID gesandt worden sei, die ebenfalls auf seinen Namen lauten würde. Was er damit gemeint hat, ergibt sich jedenfalls aus den Urteilsgründen nicht.

Sollten dem Anwalt beispielsweise wegen der Einrichtung weiterer Kanzleien (beA-Newsletter 43/2017) mehrere beA-Postfächer und damit SAFE-IDs (also Postfachadressen) zugewiesen worden sein (z.B. weil er eine „weitere Kanzlei“ hat oder zusätzlich auch als Syndikusrechtsanwalt zugelassen ist, siehe dazu beA-Newsletter 13/2018), so besteht selbstverständlich die Verpflichtung, alle Postfächer regelmäßig auf Posteingänge zu kontrollieren, vgl. § 31a VI BRAO. Inaktive SAFE-IDs existieren nicht. Wurde bei einem der Postfächer die Erstregistrierung bislang unterlassen, ändert dies an der Funktionsfähigkeit dieses Postfachs und am Zugang von Nachrichten nichts.

Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass der betroffene Kollege nicht seine „beA-ID“, sondern eine weitere „EGVP-ID“ gemeint hat. Das würde bedeuten, dass er zu einem früheren Zeitpunkt ein EGVP-Postfach mit seinem Namen angelegt hatte, das auch im Verzeichnisdienst bei den Gerichten auftauchen könnte. Gerichte sollten die EGVP-Postfächer eigentlich anhand der ID unterscheiden können (beA-Newsletter 12/2017). Gleichwohl wird dringend empfohlen, diese nicht mehr benötigten Postfächer zur Vermeidung von Fehlsendungen zu löschen (beA-Newsletter 27/2017).

In der Sache kam es übrigens gar nicht mehr auf die rechtzeitige Reaktion auf den richterlichen Hinweis an. Denn der Anwalt hatte im Rahmen seines nach Verwerfung der Berufung gestellten Wiedereinsetzungsantrags die versäumte Prozesshandlung nicht nachgeholt, § 236 II 2 ZPO. Das Gericht wies nochmals deutlich darauf hin, dass für den Fall des Fehlens einer Unterschrift die bloße „Genehmigung“ des nicht unterzeichneten Schriftsatzes nicht ausreiche, sondern der Schriftsatz mit der Unterschrift nachgereicht werden müsse. Diese Rechtsprechung lässt sich übrigens auch auf die elektronische Kommunikation überragen. Fehlt z.B. die qualifizierte elektronische Signatur (qeS) an einem elektronischen Dokument, müsste im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrags eben dieses mit der qeS nachgereicht werden.
Alle Informationen zum beA unter www.bea.brak.de