Ausgabe 20/2019 v. 31.5.2019
 
 
Nur noch einen Monat: Bildchen statt Klartext

Am 1.7.2019 tritt eine erweiterte Regelung der ERVV in Kraft: Ab diesem Zeitpunkt ist das elektronische Dokument in durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF zu übermitteln (§ 2 I 1 ERVV). Darüber hatten wir bereits verschiedentlich berichtet (z.B. beA-Newsletter 45/2017). Der 1.7.2019 schien noch so weit weg – doch nun wird es höchste Zeit, sich mit den neuen Anforderungen zu befassen.

Aber von vorne: Was hat es mit der „durchsuchbaren Form“ auf sich?

Vereinfacht gesagt bedeutet sie, dass man in dem PDF-Dokument im Volltext z.B. nach Worten suchen oder sie markieren kann. Nicht durchsuchbar ist ein PDF-Dokument z.B., wenn es das Ergebnis eines Scans ohne Texterkennung ist - dieser ist letztlich nicht mehr als ein Foto des Dokuments, einzelne Worte suchen oder markieren ist hier unmöglich.

Die durchsuchbare Form muss zunächst nur dann genutzt werden, soweit sie technisch überhaupt möglich ist. Technische unmöglich ist sie z.B., wenn das Ausgangsdokument etwa handschriftliche oder eingeschränkt lesbare Aufzeichnungen oder Abbildungen enthält, die mit einem Texterkennungsprogramm nicht erfasst werden können (vgl. Regierungsentwurf zur ERVV, S. 14). Hierunter fällt also beispielsweise das handschriftliche Testament (1) oder ganz simpel die Unterschrift unter einem Vertragsdokument (2), das eben nur soweit texterkennungsfähig ist, wie die Unterschrift nicht betroffen ist.

Das elektronische Dokument ist in druckbarer, kopierbarer und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF zu übermitteln.
Und so erzeugen Sie ein PDF in „durchsuchbarer Form“:

Den eigentlichen Schriftsatz speichern Sie am besten aus der Textverarbeitung heraus gleich als PDF ab. Dann liegt er im Regelfall direkt als durchsuchbares Dokument vor (dazu beA-Newsletter 1/2019). Bei Anlagen ist es nicht ganz so einfach. Denn diese haben Sie entweder von Ihrem Mandanten schon digital erhalten oder Sie müssen sie in Ihrer Kanzlei selbst einscannen (lassen).

Wenn Sie Dokumente selbst einscannen, dann achten Sie einfach darauf, dass Ihr Scanner bereits eine Software (geräteintern oder extern für PC) bereitstellt, die eine automatische Texterkennung (auch OCR genannt - oder in Langform: Optical Character Recognition) durchführt. Sollten Sie elektronische Dokumente von Mandanten erhalten, müssen Sie diese ggf. noch mit einer gesonderten Software bearbeiten. Einen ersten Einstieg zum Thema Texterkennung mit Vorschlägen für käufliche und freie Software bietet Ihnen Wikipedia.

In der Praxis wird sich zeigen, wie streng die Gerichte eine fehlende Texterkennung tatsächlich handhaben. Auch gerichtsintern wird nämlich, soweit bekannt, häufig die Texterkennung (auch) durchgeführt, um Posteingänge für elektronische Akten aufzubereiten.

Gut zu wissen: Sofern ein Gericht das eingereichte elektronische Dokument nicht für zur Bearbeitung geeignet hält, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und auf die geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt (§ 130a VI ZPO).
 
Kein Kommentar!?

Die beA-Webanwendung bietet so manche nützliche Funktion, die gelegentlich übersehen wird. Dazu gehört die Möglichkeit, Nachricht mit Kommentaren zu versehen. Damit kann z.B. die Zusammenarbeit von mehreren Personen mit einem Postfach erleichtert werden, und einzelne Bearbeitungsschritte lassen sich nachvollziehbar machen. Wir haben Ihnen die Kommentarfunktion schon einmal vorgestellt (beA-Newsletter 8/2017) – hier kommt eine kleine Auffrischung:

Kommentare (auch mehrere) können Sie nur in einer geöffneten Nachricht mit dem gleichnamigen Befehl (1) erzeugen. Im Freitextfeld können Sie z.B. eine Arbeitsanweisung einfügen (2) und mit „OK“ bestätigen (3).
Angefügte Kommentare finden Sie unmittelbar unter den Anhängen zu einer Nachricht. Sie können mit dem „Lupensymbol“ (1) nicht nur angezeigt, sondern auch weiter bearbeitet werden. Durchgeführte Arbeitsaufträge können durch das Setzen eines Hakens als erledigt markiert werden (2). Der Button „X“ ermöglicht das sofortige Löschen des Kommentars (3).
Kommentare dienen in erster Linie der unmittelbaren Bearbeitung der Nachricht innerhalb der beA-Webanwendung. Sollen sie gleichwohl auch außerhalb lesbar sein, können sie mit der Funktion „Drucken“ (1) ausgegeben werden. Achten Sie lediglich darauf, im folgenden Fenster den Haken bei „Kommentare beim Drucken anzeigen“ zu setzen (2). Anschließend müssen Sie nur noch den Druckbefehl Ihres Browsers nutzen (meist [Strg]+P) und das Dokument z.B. über einen Papier- oder PDF-Drucker ausgeben.
Damit Nachrichten mit einem Kommentar in der Nachrichtenübersicht gleich erkennbar sind, empfiehlt es sich, diese farblich hervorzuheben. Das gelingt mit der gleichnamigen Funktion der beA-Webanwendung (nachzulesen im beA-Newsletter 25/2017). Unabhängig davon wird der Inhalt von Nachrichten mit Kommentaren natürlich nicht verändert. Kommentare werden daher weder der exportierten Nachricht beigefügt, noch werden sie im Nachrichtenjournal vermerkt.

Also: Einfach mal ausprobieren!
 
BGH zu Vorkehrungen für den Krankheitsfall – und was das für das beA bedeutet

Jüngst musste sich der BGH wieder einmal mit den Vorkehrungen befassen, die in einer Kanzlei für Fälle unvorhergesehener Verhinderung des Anwalts zu treffen sind (BGH, Beschl. v. 19.2.2019 – VI ZB 43/18). Diese Entscheidung hat auch Bedeutung für die regelmäßige Überwachung des Posteingangs in Ihrem beA.

In der Sache ging es um ein Fristversäumnis und die im Wiedereinsetzungsverfahren zu klärende Frage, ob der Prozessvertreter dieses schuldhaft verursacht hatte. Dieser war Einzelanwalt – und nach seinem Vortrag war er am Tag des Fristablaufs plötzlich so erkrankt, dass er keine Maßnahmen mehr zur Fristwahrung ergreifen konnte.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Er muss seinem Personal die notwendigen allgemeinen Anweisungen für einen solchen Fall geben. Ist er als Einzelanwalt ohne eigenes Personal tätig, muss er ihm zumutbare Vorkehrungen für einen Verhinderungsfall, z.B. durch Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen treffen.

Weiter betont der BGH in seiner aktuellen Entscheidung: Ein Rechtsanwalt muss, wenn er unvorhergesehen erkrankt, nur das, aber auch alles das zur Fristwahrung unternehmen, was ihm dann möglich und zumutbar ist. Die fristwahrenden Maßnahmen eines unvorhergesehen erkrankten Einzelanwalts ohne eigenes Personal können sich darin erschöpfen, die Vertretung, für die er zuvor im Rahmen der ihm obliegenden allgemeinen Vorkehrungen für Verhinderungsfälle Vorsorge zu treffen hatte, zu kontaktieren und um die Beantragung einer Fristverlängerung zu bitten.

Und was bedeutet das für Ihr beA?

Übertragen auf die Überwachung des beA – hier sei an die „passive Nutzungspflicht“ gem. § 31a VI BRAO erinnert – bedeutet dies, dass im Rahmen einer Einzelkanzlei ohne Kanzleipersonal allgemeine Vorkehrungen dazu getroffen werden müssen, dass ein zur Vertretung bereiter Kollege im Fall einer unvorhersehbaren Erkrankung eingehende Nachrichten überprüfen und erste Maßnahmen wie z.B. die Beantragung einer Fristverlängerung beantragen können muss.

Dazu können Sie bei Ihrer zuständigen Rechtsanwaltskammer einen Jahresvertreter bestellen. Ein Jahresvertreter wird in das bundesweite amtliche Anwaltsverzeichnis eingetragen und erhält automatisch das Basisrecht, die Nachrichtenübersicht innerhalb Ihres beA anzusehen. Das bedeutet, er kann zumindest prüfen, ob und von wem eine Nachricht eingegangen ist. Er kann allerdings weder den Betreff lesen noch die Nachricht öffnen. Dazu müssten Sie ihm als Postfachinhaber noch weitere Rechte einräumen (dazu beA-Newsletter 29/2018).

Haben Sie Kanzleikollegen oder Kanzleipersonal, berechtigten Sie idealerweise bereits jetzt einen oder mehrere Kollegen und/oder Mitarbeiter zum Zugriff auf Ihr Postfach, damit sie ggf. Posteingänge überprüfen und auf sie reagieren können, falls Sie unvorhergesehen erkranken.
 
 
OLG Zweibrücken: Wiedereinsetzung wegen Rechtsirrtums!

Erinnern Sie sich noch an unseren Warnhinweis im beA-Newsletter 14/2019? In Straf- und OWi-Sachen sind sowohl beim Bund als auch in den einzelnen Ländern eventuell vorhandene Opt-Out-Regelungen zu beachten. Besonders tückisch stellt sich die Situation in Rheinland-Pfalz dar. Hier ist zwar der elektronische Rechtsverkehr in Straf- und OWi-Sachen grundsätzlich eröffnet, allerdings kann noch nicht auf den Einsatz der qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) allein wegen der Nutzung des sicheren Übermittlungswegs verzichtet werden.

Das OLG Zweibrücken (Beschl. v. 11.04.2019 – 1 OWi 2 Ss Rs 131/18) musste nun bereits zum zweiten Mal innerhalb eines Monats über einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Verletzung der elektronischen Form entscheiden. Ein Verteidiger hatte in einer Bußgeldsache die Rechtsbeschwerde gegen das amtsgerichtliche Urteil innerhalb der Wochenfrist zusammen mit dem Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels per beA an das zuständige Gericht übermittelt. Allerdings war das elektronische Dokument nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen.

Der Senat wies den Verteidiger auf die Formunwirksamkeit und damit das Fristversäumnis hin. In Rheinland-Pfalz sei die Einreichung elektronischer Dokumente nach Maßgabe des § 32a StPO in Verfahren nach der StPO, dem OWiG und solchen Gesetzen, die auf die Anwendung dieser Vorschriften verweisen, erst ab dem 1.1.2020 möglich. Der Verteidiger übersandte die Rechtsmittelschrift unverzüglich erneut an das Gericht mittels beA – diesmal aber mit der qeS. Gleichzeitig beantragte er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Das OLG Zweibrücken gewährte die Wiedereinsetzung, weil der Rechtsirrtum des Verteidigers über Anforderungen, die bei der Einreichung elektronischer Dokumente zu beachten seien, dem Mandanten nicht zugerechnet werden könne. Dem Beschuldigten ist das Verschulden seines Verteidigers und von dessen Angestellten nämlich generell nicht zuzurechnen ist (BVerfG, NJW 1994, 1856), wenn dieser zumindest selbst fristgemäß den Verteidiger mit der Verfahrenshandlung beauftragt hat. Irrt der Verteidiger über eine Frist oder vergisst er sie, hindert dies im Grundsatz nicht die Wiedereinsetzung für den Beschuldigten (BGH, NJW 1960, 1774). Dies gilt auch, wenn der Verteidiger vergisst, die Revisionsbegründungsschrift zu unterschreiben (BeckOK-StPO/Cirener, 33. Ed., § 44 StPO Rn. 27) – und übertragen auf den elektronischen Rechtsverkehr dürfte nichts anderes gelten, wenn der Verteidiger vergisst, eine qeS anzubringen.

Ganz so komfortabel geht es für den irrenden Rechtsanwalt im Zivilprozess bzw. Arbeitsgerichtsprozess nicht zu: Das OLG Braunschweig sah bei einem Rechtsirrtum über die Bestimmungen des elektronischen Rechtsverkehrs ein schuldhaftes Fristversäumnis als gegeben an (beA-Newsletter 19/2019); ebenso sah es auch das LAG Hessen (beA-Newsletter 10/2019).
Alle Informationen zum beA unter www.bea.brak.de