Der Gesetzgeber bemüht sich derzeit, den elektronischen Rechtsverkehr zu vereinheitlichen und auf rechtssichere Beine zu stellen. Der BGH scheint in seiner neuesten Entscheidung vom 8.5.2019 (
XII ZB 8/19) allerdings an seiner bisherigen Linie, auch ausgedruckte E-Mails als formwahrend anzuerkennen, weiterhin festhalten zu wollen.
In der Entscheidung des BGH ging es wieder einmal um einen Wiedereinsetzungsantrag. Am Tag des Fristablaufs hatte der Prozessbevollmächtigte innerhalb von immerhin 25 Minuten mehrfach erfolglos versucht, seine Beschwerdebegründung per Telefax an das OLG zu übermitteln. Bereits nach 22 Minuten wählte der Prozessbevollmächtigte als alternative Übermittlung den Versand eines elektronischen Dokuments per E-Mail an die allgemeine Poststellenadresse. Das Dokument enthielt lediglich die eingescannte Unterschrift des Prozessbevollmächtigten und wurde nach drei Wochen von der Geschäftsstelle ausgedruckt und zur gerichtlichen Verfahrensakte genommen.
Wie die Vorinstanz bestätigte der BGH zunächst, dass ein elektronisches Dokument grundsätzlich nach der Vorschrift des
§ 130a ZPO an ein Gericht zu übermitteln sei. Im vorliegenden Fall sei diese Bestimmung nicht beachtet worden. Denn das elektronische Dokument sei weder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen noch auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden.
Überraschenderweise lässt der BGH die Fristwahrung aber nicht bereits an dieser seit dem 1.1.2018 klar geregelten Formunwirksamkeit scheitern. Vielmehr prüft er weiter, ob durch den Ausdruck des per E-Mail eingereichten elektronischen Dokuments die Frist gerettet worden sein könnte. Dabei führt er die Rechtsprechung fort, wonach eine im Original unterzeichnete Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift, die eingescannt und im Anhang einer elektronischen Nachricht als PDF-Datei übermittelt wird, dann in schriftlicher Form bei Gericht eingereicht ist, sobald bei dem Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, ein Ausdruck der den vollständigen Schriftsatz enthaltenden PDF-Datei vorliegt. In diesen Fällen genüge es aber – anders als bei einem Telefax oder einem elektronischen Dokument nach § 130a V ZPO – für die Fristwahrung nicht, dass die E-Mail durch die Empfangsstelle vollständig gespeichert wurde.
Der BGH geht in seiner Entscheidung leider mit keinem Wort auf den Regelungszweck des seit dem 1.1.2018 neu gefassten
§ 130a ZPO ein; auch den ebenfalls seit dem 1.1.2018 geltenden
§ 4 I ERVV erwähnt er nicht. Danach darf ein elektronisches Dokument, das mit einer qeS der verantwortenden Person versehen ist, gerade nicht mittels E-Mail übermittelt werden. Zwar wurde hier ein elektronisches Dokument ganz ohne qeS per E-Mail übermittelt. Doch kann das im Erst-Recht-Schluss nicht zur Formwahrung verhelfen – auch nicht bei einem Ausdruck bei Gericht. Ein Verstoß gegen die Übermittlungsvorschrift des § 4 ERVV führt nach der mittlerweile umfassenden und höchstrichterlichen „Container-Rechtsprechung“ zur nicht nach § 130a VI ZPO heilbaren Formunwirksamkeit (dazu
beA-Newsletter 1/2019).
Vor diesem Hintergrund haben sich übrigens zahlreiche Gerichte bereits gegen die Rettung eines elektronischen Dokuments mit einen eingescannten Unterschrift entschieden, allen voran das BSG (dazu
beA-Newsletter 22/2018). Auch der Umweg über eine Behörde soll die Form nicht retten können (dazu
beA-Newsletter 16/2019).
Aber angesichts der aktuellen Entscheidung des BGH könnte man durchaus darüber nachdenken, zukünftig ein elektronisches Dokument zusätzlich mit der handschriftlichen Unterschrift des verantwortenden Rechtsanwalts zu versehen, damit bei Problemen mit dem vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis oder der qeS immer noch die Hoffnung bleibt, die Geschäftsstelle werde das elektronische Dokument rechtzeitig ausdrucken...