Anwalts-GmbH

Geschäftsführer-Anwälte sind sozialversicherungspflichtig

Nur weil Anwalt ein freier Beruf ist, sind Anwälte nicht selbständig. Auch für die Anwalts-GmbH gelten die normalen Regeln, urteilte das BSG.

04.07.2022Rechtsprechung

Die fünf klagenden Anwälte sind Gesellschafter-Geschäftsführer einer Anwalts-GmbH. Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) festgestellt hatte, sie seien sozialversicherungspflichtig, klagten die Advokaten unter Berufung auf ihre Stellung als Rechtsanwälte.

Als solche seien sie unabhängige Organe der Rechtspflege. Sie seien damit, so die Anwälte, nicht abhängig beschäftigt im Sinne von § 7 Sozialgesetzbuch (SGB) IV. Die Norm definiert als Anhaltspunkte für eine nichtselbständige – und damit sozialversicherungspflichtige – Arbeit u.a. eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) gewährleiste in § 59f Abs. 4 ausdrücklich die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit auch von Rechtsanwälten, die Geschäftsführer einer GmbH seien, argumentierten die Anwälte. Damit konnten sie schon die DRV und das Landessozialgericht nicht überzeugen. In der vergangenen Woche hat das Bundessozialgericht (BSG) nun auch ihre Revision zurückgewiesen. Die Anwalts-GmbH als Arbeitgeberin muss also weiterhin Rentenbeiträge – entweder in die DRV oder an das anwaltliche Versorgungswerk -, Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und ggf. zur Krankenversicherung für die Anwälte zahlen. 

BSG: Selbständig ist nur, wer über die Geschicke der GmbH bestimmen kann

Dabei stellen die Richterinnen und Richter in Kassel nicht in Abrede, dass die klagenden Anwälte ihre anwaltlichen Dienste in der GmbH unabhängig, weisungsfrei und eigenverantwortlich unter Beachtung ihres Berufsrechts erbringen. Nur ändere das nichts daran, dass sie im sozialversicherungsrechtlichen Sinne nicht selbständig, sondern angestellt tätig seien, so der 12. Senat: Auch für sie als Rechtsanwälte gölten die allgemeinen Maßstäbe für Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH (BSG, Urt. v. 28.06.2022, B 12 R 4/20 R).

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG gelten nur solche Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH als nicht abhängig beschäftigt (und damit nicht sozialversicherungspflichtig), die über eine gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht verfügen, die es möglich macht, über die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen. Diesen strengen Maßstab hatten Deutschlands oberste Sozialrichter erst im Februar in mehreren Urteilen bestätigt (Urt. v. 01.02.2022, Az. B 12 KR 37/19 R, B 12 R 20/19 R, B 12 R 19/19 R).

Keiner der Anwälte, die zunächst jeweils über 20, später nach Ausscheiden eines Gesellschafters über 25 % Geschäftsanteil verfügten und damit Minderheitsgesellschafter sind, habe eine solche gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht, stellte der 12. Senat folgerichtig fest. Auch ihre Arbeitsverträge, die ein festes Gehalt, Tantieme und 30 Urlaubstage pro Jahr enthielten, enthielten typische Regelungen für eine abhängige Beschäftigung.

Unabhängig als Anwalt heißt nicht unabhängig als Geschäftsführer

Dass die Berufsträger innerhalb ihrer anwaltlichen Tätigkeit nach § 59f Abs. 4 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) fachlich unabhängig und keinen Weisungen unterworfen seien, ändere an dieser fehlenden Rechtsmacht nichts, so der Senat. Dabei gehe es eben um die Ausübung des Anwaltsberufs, nicht aber um ihre Stellung als Geschäftsführer der GmbH. Als solche könnten sie dennoch „in funktionsgerechter, dienender Teilhabe am Arbeitsprozess in das Unternehmen eingegliedert sein und im Rahmen der Unternehmenspolitik Weisungen der Gesellschafterversammlungen unterliegen“.  

Die Norm des § 59f Abs 4 BRAO soll laut dem BSG nur klarstellen, dass trotz des Weisungsrechts der Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern einer GmbH (§ 37 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) auch Rechtsanwälte, die in einer GmbH organisiert sind, bei der Ausübung anwaltlicher Tätigkeit unabhängig sind. Über das unternehmerische Geschick der (Anwalts-)GmbH zu entscheiden, dazu ermächtige auch § 59f Abs 4 BRAO nicht.