Kenntnis der eigenen Abstammung

Leibliche Mutter eines adoptierten Kindes muss leiblichen Vater nennen

Eine leibliche Mutter muss ihrem Kind mitteilen, wer ihr leiblicher Vater war. Das gilt auch dann, wenn sie nach einer Adoption nicht mehr die rechtliche Mutter des Kindes ist, entschied der BGH. Sonst wären adoptierte Kinder beim Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung ungerechtfertigt schlechter gestellt.

20.01.2022Rechtsprechung

Die 1984 geborene Antragstellerin verlangt von ihrer leiblichen Mutter Auskunft darüber, wer ihr leiblicher Vater ist. Die Antragstellerin hatte nach ihrer Geburt zunächst mit ihrer leiblichen Mutter zusammengelebt, die sie im Alter von 16 Jahren und in schwierigen Verhältnissen zur Welt gebracht hatte. Danach wurde sie von einem Ehepaar adoptiert.

Im Jahr 2003 trafen die beiden sich einmal, im Jahr 2018 forderte die Frau ihre Mutter auf, ihr ihren leiblichen Vater zu nennen. Die berief sich, auch mit Blick auf ein 1985 durchgeführtes erfolgloses Vaterschaftsfeststellungsverfahren, stets darauf, sie könne sich nicht an mögliche Erzeuger im relevanten Zeitraum erinnern.

Vor dem Amtsgericht hatte sie damit noch Erfolg. Schon das Oberlandesgericht verurteilte die Mutter aber dazu, ihrer leiblichen Tochter alle Männer mit vollständigem Namen und Adresse zu nennen, mit denen sie in der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr hatte.

Auskunftsanspruch aus § 1618 BGB entstand vor der Adoption

Der für das Familienrecht zuständige XII. Senat des Bundesgerichtshofs hat diese Entscheidung jetzt bestätigt. Die Karlsruher Richter stellten fest, dass die Mutter ihrer leiblichen Tochter grundsätzlich zur Auskunft über ihren leiblichen Vater verpflichtet ist, und zwar auch nach deren Adoption (BGH, Besch. v. 19.01.2022, Az. XII ZB 183/21).

Die Anspruchsgrundlage sieht der Senat in § 1618 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Norm regelt, dass Eltern und Kinder einander Beistand schulden. Auch wenn sie damit keinen ausdrücklichen Auskunftsanspruch enthält, nimmt der Senat einen solchen per Auslegung an. Dabei sei die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates zu berücksichtigen, „der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen vor der Vorenthaltung verfügbarer Informationen über die eigene Abstammung bei der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Betroffenen angemessen Rechnung zu tragen“.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das einen Anspruch des sog. Scheinvaters gegen die Kindesmutter auf Auskunft über die Identität des leiblichen Kindsvaters ablehnt, stehe dem nicht entgegen: Schließlich gehe es hier nicht nur um finanzielle Interessen, sondern um das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, eine Rechtsposition von erheblicher Bedeutung.

Daran ändert nach Ansicht des Senats auch die Adoption der Tochter nichts. Das Auskunftsschuldverhältnis zwischen Mutter und Kind sei vor der Adoption entstanden und die Adoption würde die Tochter sonst erheblich schlechterstellen als ein Kind, das nicht adoptiert wurde. Mit der Mitteilung, sich nicht an mögliche Väter erinnern zu können, habe die Mutter den Auskunftsanspruch ihrer Tochter auch nicht erfüllt oder dargelegt, dass es ihr unzumutbar wäre, Erkundigungen einzuholen. Vielmehr müsse sie eine Liste des OLG abarbeiten, das mögliche Kontaktpersonen genannte hatte, an die sie sich wenden könne, um Hinweise zu potenziellen Erzeugern ihrer Tochter zu erhalten.