BGH zu Anwaltsschreiben

Schriftsatz unter fremdem Briefkopf spricht für Vertretung

Ein Rechtsanwalt, der einen Schriftsatz unter dem Briefkopf einer anderen Kanzlei verfasst, handelt im Zweifel als deren Vertreter.

21.02.2023Rechtsprechung

Verfasst ein Anwalt unter dem Briefkopf einer anderen Kanzlei einen Schriftsatz und unterschreibt diesen, ist bereits aufgrund dieser Umstände zu vermuten, dass er als Vertreter dieser Kanzlei tätig ist. Die Verwendung von Zusätzen wie „i.V.“ oder „für“ sei nicht zwingend, damit ein Gericht auf ein Vertretungsverhältnis schließen könne. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem nun veröffentlichten Urteil entschieden (Urt. v. 20.12.2022, Az. VI ZR 279/21).

Berufungsgericht will Schriftsatz des fremden Anwalts nicht anerkennen

In dem Fall ging es um die Einlegung einer Berufung. Der mandatierte Anwalt hatte offenbar einen nicht in seiner Kanzlei tätigen Kollegen gebeten, die Berufungsbegründung für ihn zu verfassen. Jedenfalls ging bei Gericht ein Schriftsatz mit dem Briefkopf der in dem Fall mandatierten Kanzlei ein. Unterschrieben war der Schriftsatz jedoch mit dem Namen eines Anwalts, der nicht auf dem Briefkopf der Kanzlei gelistet war.

Das Landgericht (LG) Berlin verwarf wegen dieser Umstände die Berufung als unzulässig. Sie sei nicht in der gesetzlichen Form begründet worden, sodass das Schreiben der mandatierten Kanzlei nicht zugerechnet werden könne. Schließlich habe ein nicht der mandatierten Kanzlei zugehöriger Anwalt das Schreiben ohne Vertreterzusatz unterschrieben. Damit sei nicht erkennbar, dass dieser Rechtsanwalt selbst für den Inhalt der Rechtsmittelbegründung Verantwortung übernehmen wolle und nicht bloßer Erklärungsbote sei. Auch ergäben sich aus den Umständen keine Hinweise auf ein Vertretungsverhältnis zwischen den beiden Rechtsanwälten.

BGH: Umstände sprechen für Vertretung

Die hiergegen gerichtete Revision hatte Erfolg. Der BGH stellte fest, dass die Vorinstanz die Berufung mit dieser Begründung nicht als unzulässig habe verwerfen können.

Aus §§ 130 Nr. 6, 520 Abs. 5 Zivilprozessordnung (ZPO) ergebe sich zunächst, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt für den Inhalt der Rechtsmittelbegründung die Verantwortung übernommen haben muss und nicht bloßer Erklärungsbote gewesen sein darf, so der BGH. Die Annahme des LG, dies sei im Streitfall nicht erkennbar, sei hingegen unzutreffend. Denn es spreche grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass der Unterzeichner sich den Inhalt des Schreibens zu Eigen gemacht habe, dafür aufgrund eigener Prüfung die Verantwortung übernehme und nicht lediglich als Erklärungsbote tätig werde. Diese Vermutung könnte lediglich erschüttert werden, wenn der unterzeichnende Rechtsanwalt mit "i.A." unterzeichnet hätte, was hier nicht der Fall war.

In der Folge komme es für eine Zurechnung zur mandatierten Kanzlei darauf an, dass der Unterzeichner als Bevollmächtigter aufgetreten sei und nicht etwa eine Erklärung im eigenen Namen abgegeben habe. Ein Handeln als Vertreter sei zwar generell dann anzunehmen, wenn sich neben der Unterschrift der Zusatz "i.V." oder der Zusatz "für" den Hauptbevollmächtigten befindet. Dass ein solcher Zusatz hier fehlte, sei aber nicht entscheidend. Es reiche aus, wenn sich das Handeln als Vertreter für das Gericht aus den Umständen hinreichend deutlich erkennbar ergibt. Dies sei hier der Fall. Schließlich habe der unterzeichnende Rechtsanwalt die Berufungsbegründung auf dem Briefkopf der mandatierten Kanzlei verfasst. Dass er trotz fehlender Mandatierung eine Erklärung im eigenen Namen abgeben wollte, sei fernliegend. Ein solches Verständnis würde ihm den Willen zu einer eindeutig unzulässigen Prozesshandlung unterstellen. Das würde gegen den Auslegungsgrundsatz verstoßen, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht.

Allerdings blieb bislang in der Vorinstanz ungeklärt, ob der unterzeichnende Rechtsanwalt zu dieser Vertretung tatsächlich befugt gewesen ist. Dies muss das LG nun in einer erneuten Verhandlung klären.