BGH zu Covid-19-Impfung

Impfpassfälschung auch nach altem Recht strafbar

Der BGH hat nach lange bestehender Rechtsunsicherheit entschieden, dass Impfpassfälscher auch nach alter Rechtslage bestraft werden können.

14.11.2022Rechtsprechung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die Fälschung von Impfpässen auch nach alter Rechtslage als Urkundenfälschung nach § 267 Strafgesetzbuch (StGB) bestraft werden konnte. Eine Sperrwirkung des § 277 a.F., dem Fälschen von Gesundheitszeugnissen, habe nicht bestanden (Urt. v. 10.11.2022, Az. 5 StR 283/22).

Das Gesetz war am 24. November 2021 geändert worden, weil zuvor Unsicherheit darüber bestand, ob eine Strafbarkeitslücke existierte. Nun ist aber klar, dass auch Täterinnen und Täter, die vor dieser Gesetzesänderung Impfpässe mit Nachweisen vermeintlich stattgefundener Corona-Impfungen hergestellt, verkauft oder vorgezeigt haben, sich strafbar gemacht haben. Damit beendet der BGH einen lange währenden juristischen Richtungsstreit.

Angeklagter wurde zunächst aus Rechtsgründen freigesprochen

In dem Fall, den der BGH nun entschieden hat, hatte das LG Hamburg einen Angeklagten aus Rechtsgründen vom Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung freigesprochen (Urt. v. 01.03.2022, Az. 634 KLs 8/21). Der Mann hatte insgesamt 19 mal Sars-CoV-2-Impfungen nebst Impfstoffbezeichnung und Chargennummer in von ihm erstellte oder bereits ausgestellte Impfpässe gegen Bezahlung eingetragen. Diese versah er mit dem vorgeblichen Stempel eines Impfzentrums sowie der nachgeahmten oder erfundenen Unterschrift eines angeblichen Impfarztes.

Das LG sah sich jedoch an einer Verurteilung des Angeklagten wegen dieser Taten gehindert – aus folgenden Gründen: Eine Strafbarkeit wegen Fälschung von Gesundheitszeugnissen gemäß § 277 StGB a. F. sei nicht in Betracht gekommen, da die damalige Vorschrift eine Verwendung der Falsifikate bei einer Behörde oder einer Versicherung voraussetzte, was bei Gebrauch in der Gastronomie oder in Apotheken nicht gegeben sei. Einer Verurteilung wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB habe nach Ansicht des LG entgegengestanden, dass § 277 StGB a.F. eine abschließende Sonderregelung gewesen sei, die einen Rückgriff auf das allgemeine Urkundenstrafrecht verboten habe.

Rechtsunsicherheit bezüglich der Strafbarkeit der Impfpassfälschung

Mit dieser Ansicht war das LG nicht allein. Zuletzt hatte auch das Bayerische Oberlandesgericht (OLG) eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung abgelehnt (Beschl. v. 03.06.2022, Az. 207 StRR 155/22).

Die Hauptargumente der Ansicht, § 277 a.F. entfalte grundsätzlich eine Sperrwirkung gegenüber § 267 StGB waren: Es erscheine wertungswidersprüchlich, das Vorzeigen eines gefälschten Gesundheitszeugnisses gegenüber Behörden und Versicherungen mit nur einem Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe zu versehen, das Vorzeigen eines falschen Impfpasses gegenüber einer Apotheke oder einem Restaurant hingegen mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe. Mögliche Gründe für diesen Wertungswiderspruch sah man darin, dass der Gesetzgeber 1871 nicht habe voraussehen können, dass ein Impfpass einmal im Rahmen eine Pandemie einen solchen Wert haben würde. Er habe falsche Gesundheitszeugnisse schlicht als weniger „gefährlich“ angesehen als sonstige falsche Urkunden und nur ganz spezielle Fälle unter eine geringere Strafandrohung stellen wollen. Da Strafrecht nicht zu Lasten der Täter ausgelegt werden könne, bestehe eine Strafbarkeitslücke, die dringend geschlossen werden müsse.

Unter anderem das OLG Hamburg, das OLG Stuttgart, das OLG Schleswig und das OLG Celle hatten hingegen eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung bejaht und damit das Bestehen von Strafbarkeitslücken verneint. Auch das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe war dieser Ansicht, hatte wegen der divergierenden Rechtsauffassung des Bayerischen OLG jedoch ebenfalls den BGH angerufen (Beschl. v. 26.07.2022, Az. 2 Rv 21 Ss 262/22).

Infolge dieser Rechtsunsicherheit hatte der Gesetzgeber das StGB entsprechend angepasst und das Vorzeigen unrichtiger Gesundheitszeugnisse in § 279 n.F. unabhängig davon, wem gegenüber es vorgezeigt wird, unter Strafe gestellt. In der Gesetzesbegründung wurde außerdem klargestellt:

„Gesundheitszeugnisse sind regelmäßig Urkunden im Sinne der §§ 267 und 269 StGB; die §§ 277 bis 279 StGB entfalten keine Sperrwirkung für die §§ 267 ff. StGB, sondern enthalten lediglich darüber hinausgehende Strafbarkeiten für spezielle Konstellationen.“

Die Begründung des BGH

Der BGH hat nun ebenfalls entschieden, dass es sich bei § 277 StGB a.F. nicht um eine spezielle Vorschrift handele, die den Täter der Fälschung von Gesundheitszeugnissen im Verhältnis zu dem einer Urkundenfälschung privilegieren sollte, so die Karlsruher Richterinnen und Richter.

 Weder dem Zweck noch dem systematischen Zusammenhang der miteinander konkurrierenden Bestimmungen oder dem Willen des Gesetzgebers ließen sich Anhaltspunkte für eine solche Privilegierung entnehmen. Erst recht entfalte § 277 StGB a.F. keine "Sperrwirkung" gegenüber der Urkundenfälschung, wenn der Tatbestand der Fälschung von Gesundheitszeugnissen – so wie hier - nicht (vollständig) erfüllt sei.

Der Freispruch eines Angeklagten wurde daher aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG Hamburg zurückverwiesen.