BGH zum Mailzugang

B2B-Mails gehen zu, wenn sie im Postfach eingehen

Eine Mail, die im Geschäftsverkehr zu üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers eingeht, gilt als zu diesem Zeitpunkt zugegangen.

07.11.2022Rechtsprechung

In einem Fall, der für eine Juraklausur wie geschaffen wirkt, hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs klargestellt, wann eine E-Mail im geschäftlichen Verkehr als zugegangen gilt. Man mag es drollig finden, dass das 51 Jahre nach dem Versand der weltweit ersten Mail geschieht und die Karlsruher Richterinnen und Richter diese Entscheidung für so wichtig halten, dass sie ihren Weg in die amtliche Sammlung “BGHZ” finden soll.

Doch tatsächlich ist umstritten, wann eine Mail als zugegangen gilt. Nach einer Ansicht soll sie dem Empfänger oder der Empfängerin unmittelbar zugehen, wenn sie abrufbereit in seinem elektronischen Postfach eintrifft, es sei denn, das geschieht “zur Unzeit oder außerhalb der üblichen Geschäftszeiten” ein, dann würde sie erst am Folgetag zugehen.

Nach anderer Auffassung geht die Mail dem Empfänger, wenn ein Abruf im geschäftlichen Verkehr erwartet werden kann, an dem Tag zu, an dem sie abrufbereit im Postfach liegt. Diese Auffassung stellt darauf ab, wann der Absender mit einer Kenntnisnahme der Mail nach dem üblichen Geschäftsablauf rechnen kann und nimmt den Abruf dann spätestens zum Ende der Geschäftszeit an.

So lange soll es laut dem BGH nicht dauern. Jedenfalls dann, wenn die Mail – wie in dem vom VII. Zivilsenat entschiedenen Fall – im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers eingeht, sei sie ihm grundsätzlich in diesem Zeitpunkt zugegangen, urteilte der Senat. Damit sei sie so in seinen Machtbereich gelangt, dass er sie unter gewöhnlichen Umständen zur Kenntnis nehmen könne.

Tatsächlich abrufen und lesen muss der Empfänger die Mail also nicht  (BGH, Urt. v. 06.10.2022, Az. VII ZR 895/21). Das soll jedenfalls dann gelten, wenn er durch die öffentliche Angabe einer Mailadresse oder durch andere Erklärungen im Geschäftsverkehr zeigt, dass er bereit ist, per Mail elektronische Willenserklärungen anzunehmen, also digital Rechtsgeschäfte abzuwickeln.

Nach Zugang trotz Widerrufs ans Vergleichsangebot gebunden

Den Meinungsstreit hat der BGH damit übrigens nicht final entschieden, den Fall,  in dem es um einen Vergleich über eine offene Restwerklohnforderung ging, hingegen lehrreich deutlich. Er zeigt, dass man sich auch Vergleichsangebote per Mail vorab gut überlegen sollte.

Die Anwälte des klagenden Unternehmens hatten die umstrittene Mail – ein Vergleichsangebot, das die Beklagte durch Zahlung annehmen könne und mit dem dann alles erledigt wäre – an einem Freitag  versendet, die Mail war beim beklagten Unternehmen um 9:19 Uhr eingegangen. Dass die Klägeranwälte um 9:56 Uhr am selben Tag  wiederum per Mail erklärten, die Mail von 9:19 Uhr könne nicht berücksichtigt werden, weil doch noch nicht geklärt sei, ob nach der Zahlung tatsächlich keine weiteren Forderungen mehr erhoben werden würden, änderte daran nicht,. das klagende Unternehmen konnte sein Vergleichsangebot nicht mehr widerrufen. Die Mail von 9:19 Uhr galt bereits als zugegangen, vor oder zu diesem Zeitpunkt war dem beklagten Unternehmen kein Widerruf  und keine Anfechtung zugegangen und die Anwälte der Klägerin hatten in der Mail keinerlei Erklärung abgegeben, mit der sie zum Ausdruck gebracht hätten, sich nicht ans das Angebot gebunden zu fühlen.

So zahlte das beklagte Unternehmen rund acht Tage später die in der Vergleichsmail angebotene Summe. Und hat damit alles vom Tisch geschafft, weil es den Vergleich konkludent angenommen hat, bestätigte der BGH die vorherigen Instanzen. Die anwaltliche Vertretung der Beklagtenseite hatte offenbar ihre Hausaufgaben gemacht: wie eine Klausur zum Allgemeinen Teil des BGB eben.