BGH zur Revision

Klage nur ausnahmsweise später konkretisierbar

Wer seine Feststellungsklage trotz ausreichenden Hinweises des Berufungsgerichts nicht konkretisiert, kann das in der Revision nicht mehr nachholen.

04.10.2022Rechtsprechung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem „Diesel-Fall“ ausgeführt, in welchen Fällen es möglich ist, ein bislang unbestimmtes Klagebegehren noch im Revisionsverfahren zu konkretisieren. Wenn aber die Berufungsinstanz bereits ausreichend auf die fehlende Bestimmtheit hingewiesen habe, könne dieser Fehler in der Re­vi­si­ons­in­stanz nicht mehr "ge­heilt" wer­den, so der BGH (Beschl. v. 01.08.2022, Az. VIa ZR 110/21).

Der Käufer eines manipulierten Dieselfahrzeugs hatte gegenüber der Motorenherstellerin gefordert, festzustellen, dass diese ihm Schadenersatz zu leisten habe. Er scheiterte damit jedoch in den ersten beiden Instanzen. Das Berufungsgericht wies seinen Feststellungsantrag als unzulässig ab. Insbesondere fehle es dem Kläger an dem nach § 256 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erforderlichen Feststellungsinteresse. Dieses gründe sich nicht darauf, dass der Kläger – der sich noch nicht auf den „großen“ oder „kleinen“ Schadensersatz festgelegt hatte - sich möglicherweise auf den "kleinen Schadensersatz" beschränken wolle. Denn der Anspruch auf den „kleinen Schadensersatz“ bestehe aus verschiedenen Gründen nicht.

Der Kläger legte dagegen Revision ein und erklärte daraufhin in der Revisionsbegründung, er halte sich nicht mehr offen, ob er den „kleinen“ oder den „großen“ Schadensersatz verlange bzw. verlangen werde, sondern er mache jetzt und künftig nur noch den „großen“ Schadensersatz geltend.

Berufungsgericht durfte Feststellungsinteresse verneinen

Der BGH wies in seinem Beschluss die Parteien jedoch darauf hin, dass er beabsichtige, die Revision als unzulässig zu verwerfen. Daraufhin nahm der Kläger das Rechtsmittel zurück, sodass das Revisionsverfahren erledigt war. In seinem Beschluss führte der BGH unter anderem aus, warum die Revision im Hinblick auf das Feststellungsbegehren unbegründet gewesen sei.

Das Berufungsgericht habe zu Recht angenommen, dass der Feststellungsantrag bereits unzulässig gewesen sei, weil es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse des Klägers gefehlt habe. Diesem stehe entgegen, dass sich der Kläger in den Vorinstanzen nicht entschieden habe, ob er den „großen“ oder den „kleinen“ Schadensersatz verlangt. Eine solche Entscheidung sei aber aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit geboten sowie dem Kläger möglich und zumutbar gewesen.

Der Kläger habe ein Feststellungsinteresse auch nicht dadurch begründet, dass er sich im Revisionsverfahren auf die Geltendmachung des „großen“ Schadensersatzes festlegte. Denn diese Erklärung sei im Streitfall nicht berücksichtigungsfähig.

Nur ausnahmsweise kann man sich später noch festlegen

Gemäß § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO könne das Revisionsgericht grundsätzlich nur dasjenige Parteivorbringen berücksichtigen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Für das Bestehen des Feststellungsinteresses seien bis auf Ausnahmen grundsätzlich nur die zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung vorgetragenen Tatsachen maßgeblich. 

In Fällen, in denen der Mangel der Bestimmtheit des Klageantrags erstmals in der Revisionsinstanz festgestellt wird, könne der Kläger sein bislang unbestimmtes Klagebegehren zwar gegebenenfalls noch im Revisionsverfahren konkretisieren und auf diese Weise klarstellen. Dies sei nach ständiger Rechtsprechung aber nur in folgenden Fällen möglich:

  1. Wenn das Berufungsgericht den - gegebenenfalls auch erst auf der Grundlage der rechtlichen Beurteilung des Revisionsgerichts - gebotenen Hinweis nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO unterlassen hat.
  2. Wenn das Berufungsgericht im angefochtenen Urteil erstmals Bedenken gegen die Bestimmtheit des Klagebegehrens geäußert hat und der Kläger die Nichterteilung eines vorherigen gerichtlichen Hinweises im Rahmen einer Verfahrensrüge (§ 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO) erfolgreich beanstandet.
  3. Wenn das Berufungsgericht vor Erlass des angefochtenen Urteils zwar auf die Unbestimmtheit des Klageantrags hingewiesen habe, der erteilte Hinweis aber inhaltlich nicht verdeutlicht hat, inwiefern eine Bestimmung des Klagebegehrens angezeigt ist. 

Kläger hätte sich noch in Berufungsinstanz entscheiden müssen

Daran gemessen könne die vom Kläger im Revisionsverfahren vorgenommene Konkretisierung keine Berücksichtigung mehr finden, so der BGH. Sein fehlendes Feststellungsinteresse sei nicht erst in der Revisionsinstanz zutage getreten, sondern bereits von dem Berufungsgericht erkannt worden. Dieses habe auch einen entsprechenden Hinweis erteilt, bevor es den Feststellungsantrag als unzulässig abwies.

Die Revision rüge erfolglos, das Berufungsgericht habe den Kläger entgegen § 139 ZPO nicht konkret darauf hingewiesen, dass die fehlende Festlegung auf den "großen" oder den "kleinen" Schadensersatz zur Verneinung des Feststellungsinteresses führen könnte. Ein gerichtlicher Hinweis solle aufzeigen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen das Begehren einer Partei gegebenenfalls keinen Erfolg haben kann, damit diese ihr Vorbringen entsprechend ergänzen oder ändern kann. Diesem Zweck werde der vom Berufungsgericht erteilte Hinweis gerecht.

Das Berufungsgericht habe in der Berufungsverhandlung darauf hingewiesen, dass es kein Feststellungsinteresse des Klägers im Hinblick auf die Frage sehe, ob er sich den "kleinen" Schadensersatz offenhalten könne. Dabei habe es das Feststellungsinteresse des Klägers nicht wegen der fehlenden Festlegung im Hinblick auf den Schadensersatz verneint, sondern weil es einen Antrag auf Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz des "kleinen" Schadensersatzes als nicht gerechtfertigt erachtet habe. Diese Beurteilung sei richtig gewesen, weil der Kläger den „kleinen“ Schadensersatz im Wege der erhobenen Feststellungsklage nicht geltend habe machen können.

Aufgrund des vom Berufungsgericht erteilten Hinweises habe der Kläger Anlass gehabt, sich für die Geltendmachung des sogenannten großen Schadensersatzes zu entscheiden. Gleichwohl habe seine Prozessbevollmächtigte erklärt, sie wolle sich zu den Hinweisen des Berufungsgerichts nicht äußern und am Feststellungsantrag festhalten.