BGH zur Schriftform

„Rechtsanwältin“ ist keine Signatur

Ein Schriftsatz, der mit „Rechtsanwältin“ endet, aber keinen Namen nennt, ist nicht (einfach) signiert im Sinne von § 130a ZPO.

11.10.2022beA & ERV

„Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt“.

Diesen auch nach eigener Auffassung strengen Maßstab legt der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss für die Frage des Verschuldens einer Anwältin an, die für einen Mandanten über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eine Beschwerde gegen einen familiengerichtlichen Beschluss eingelegt hatte. Unter dem Schriftsatz fand sich lediglich der maschinenschriftliche Zusatz „Rechtsanwältin“, also kein Name.

Wie schon das Oberlandesgericht ist der BGH der Ansicht, dass die Anwältin die Beschwerde damit nicht formgerecht innerhalb der Frist eingelegt und das auch verschuldet hat. Der XII. Senat schließt sich damit dem Bundesarbeitsgericht an und legt der Anwältin zur Last, dass sie dessen zu dem Zeitpunkt schon öffentliche Entscheidung zur einfachen Signatur nicht beachtet hat.

Der getippte Name reicht, ein getipptes „Rechtsanwältin“ nicht

Die Rechtsanwältin hatte den Schriftsatz zwar über ihr eigenes beA-Postfach versendet, dabei aber keine qualifizierte elektronische Signatur genutzt. Damit hätte das Dokument, um dennoch das Formerfordernis des § 130 a Abs. 3, 4 Zivilprozessordnung zu erfüllen, einfach signiert sein müssen.  Die Anforderungen an eine einfache Signatur regelt Art. 3 Nr. 10 der eIDAS-Verordnung (Nr. 910/2014), ausreichend ist auch eine „mit einem Textverarbeitungsprogramm zum Abschluss des Schriftsatzes angebrachte Namenswiedergabe des Verfassers“. Es genügt also, wie auch schon das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2020 (BAG, Beschl. v. 14.09. 2020, Az. 5 AZB 23/20) entschied, wenn am Ende des Textes maschinenschriftlich der Name des verantwortlichen Anwalts oder der verantwortlichen Anwältin steht oder eine eingescannte Unterschrift eingefügt wird; es reicht aber nicht aus, wenn dort nur „Rechtsanwältin“ steht (BGH, Beschl. v. 07.09.2022, Az. XII ZB 215/22).

Dadurch werde die Urheberin des Schriftsatzes, die verantwortlich für den Schriftsatz und seinen Versand ans Gericht zeichnen müsste, nicht identifiziert, so der BGH unter Bezugnahme auf die BAG-Entscheidung.  Die einfache Signatur solle schließlich gerade sicherstellen, dass die vom beA ausgewiesene Person auch mit der Person identisch ist, die mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt.

Dass in der Kanzlei laut Briefkopf nur eine weibliche Anwältin arbeitet, ändert für den BGH nichts: Schließlich könnte der Schriftsatz auch von einer nicht auf dem Briefkopf aufgeführten Anwältin stammen, meint der Senat und liegt damit ebenfalls auf der Linie des BAG.

Immer up to date mit dem beA-Newsletter der BRAK

So habe das OLG den Wiedereinsetzungsantrag der Anwältin zu Recht zurückgewiesen und ihre Beschwerde verworfen. Ihr Rechtsirrtum sei nicht unverschuldet gewesen. Sie hätte sich, gerade weil die Vorschriften für die elektronische Zustellung noch neu seien, besser informieren und im Zweifel den sichersten Weg wählen müssen, so die Richterinnen und Richter.

Übrigens: Dass das beA-Prüfprotokoll angab, „sämtliche durchgeführten Prüfungen lieferten ein positives Ergebnis“, entlastete die Advokatin nicht, schließlich bestätigt das nur die ordnungsgemäße Übertragung der Datei ans Gericht. Im Übertragungsprotokoll stand vielmehr auch „keine Signatur gefunden“, so dass für die Anwältin laut BGH klar erkennbar war, dass das Dokument - möglicherweise entgegen ihrer Annahme - nicht qualifiziert elektronisch signiert war.

Tipp: Der Senat bezieht sich bei der Frage des Verschuldens nicht nur darauf, dass die Entscheidung des BAG zum selben Thema zum Zeitpunkt des Vorfalles bereits in der Neuen Juristischen Wochenschrift veröffentlicht worden war. Die Richterinnen und Richter weisen vielmehr ausdrücklich auch auf den beA-Newsletter der BRAK (hier: Ausgabe 48/2017) hin, in dem die Anforderungen an eine einfache elektronische Signatur erklärt sind.