BSG zu überlangen Verfahren

Staat muss Entschädigung für kranken Richter zahlen

Für einen kranken Richter muss der Staat zahlen, urteilte das BSG. Doch nur eine langsame Instanz reicht nicht: Auf die gesamte Dauer kommt es an.

31.03.2022Rechtsprechung

Der Kläger hatte Entschädigung verlangt, weil sein Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin gegen die Bundesagentur für Arbeit über den Erlass einer Darlehensschuld mehr als viereinhalb Jahre gedauert hatte. Das lag unter anderem an langen Krankheitszeiten des zuständigen Kammervorsitzenden.

Er klagte auf Zahlung von 4.700 Euro Entschädigung, gestützt auf § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Die Regelung normiert eine angemessene Entschädigung, wenn ein Verfahrensbeteiligter infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens einen Nachteil erleidet.  Während die Richterinnen und Richter am Landessozialgericht die krankheitsbedingte Verzögerung pauschal als höhere Gewalt qualifiziert und einen Anspruch auf Entschädigung abgelehnt hatten, sprach das Bundessozialgericht ihm nun immerhin 2.800 Euro Entschädigung zu (BSG, Urt. v. 24.03.2022, Az. B 10 ÜG 2/20 R).

Das BSG hingegen wird in Sachen Justizgewährungsanspruch deutlich. Zwar sei eine Verfahrensdauer von regelmäßig bis zu zwölf Monaten pro Instanz angemessen, so die Richter in Kassel. Doch der Staat schulde Rechtsuchenden eine ausreichende personelle und sachliche Ausstattung der Justiz. Für richterliche Erkrankungen und andere Ausfallzeiten müsse er Vorkehrungen treffen, also eine wirksame Vertretung und, wenn nötig, auch eine schnelle Umverteilung gewährleisten.

Instanzübergreifende Verrechnung möglich

In einem weiteren Urteil vom selben Tag zu überlangen Verfahrensdauern hat das BSG bestätigt, dass die Vorbereitungs- und Bedenkzeit der Richterinnen und Richter instanzübergreifend verrechnet werden kann. So könne bspw. eine Verzögerung in einer nachfolgenden Instanz durch eine nicht ausgeschöpfte Vorbereitungs- und Bedenkzeit in der Vorinstanz ausgeglichen werden (BSG, Urt. v. 24.03.2022, Az. B 10 ÜG 4/21 R).

Die Kasseler begründen das mit dem Wortlaut von § 198 GVG: Die Dauer einer Gerichtsverhandlung in diesem Sinne sei nicht die Dauer einer einzelnen Instanz, sondern die Gesamtdauer der Verfahren.