BVerwG zu Altersvorsorge

Satzung des Versorgungswerks ist nicht revisibel

Das BVerwG kann ein Urteil zur Auslegung der Satzung eines Versorgungswerks nicht prüfen, weil Satzungen als Landesrecht nicht revisibel seien.

13.09.2022Rechtsprechung

Die freiwillige Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk für Rechtsanwälte kann nicht durch die Pflichtmitgliedschaft in einem anderen beendet werden, sofern das Mitglied in letzterem keine Chance hat, Ansprüche auf Altersvorsorge zu erwerben. Dies hat zunächst der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Bayern durch Auslegung der einschlägigen Satzung entschieden und die Revision dagegen nicht zugelassen. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die Nichtzulassungsbeschwerde dagegen nun u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, dass Sat­zungs­recht als Lan­des­recht nicht re­vi­si­bel sei (Beschl. v. 27.07.2022, Az. 8 B 22.22).

Versorgungswerk beendet freiwillige Mitgliedschaft wegen anderweitiger Pflichtmitgliedschaft 

Geklagt hatte eine 1955 geborene Rechtsanwältin, deren freiwillige Mitgliedschaft die Bayerische Versorgungskammer Ende 2018 beendet hatte, weil sie – zunächst – Pflichtmitglied im Versorgungswerk Bremen geworden war.

Die Juristin war (mit Unterbrechung) ab 1986 Pflichtmitglied bei der Bayerischen Versorgungskammer, wechselte jedoch 1994 zur freiwilligen Mitgliedschaft, weil sie zu diesem Zeitpunkt bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main zugelassen wurde. 2012 wechselte sie dann erneut, diesmal zur Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Bremen. Mitglied des dortigen Versorgungswerks wurde sie jedoch (zunächst) erst mit Wirkung zum 31. Dezember 2018, weil das Versorgungswerk Bremen erst dann die bislang bestehende Altersgrenze von 45 Jahren aufhob.

Anfang 2019 informierte das Versorgungswerk Bremen die Rechtsanwältin allerdings darüber, dass die Möglichkeit der Befreiung von der Mitgliedschaft bestehe. Außerdem könne man in Bremen einen Anspruch auf Altersrente nur nach Erfüllung einer Wartezeit von 60 Monaten erwerben. Das bedeutete aufgrund ihres damaligen Alters, dass sie von vornherein keine Möglichkeit mehr hatte, in Bremen weitere Ansprüche auf Altersvorsorge zu erwerben. Dementsprechend beantragte die Rechtsanwältin im Februar 2019 beim Versorgungswerk Bremen eine Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft. Diesem Wunsch kamen die Bremer allerdings erst mit Bescheid vom 5. Juli 2019 nach und befreiten sie rückwirkend zum 31. Dezember 2018. Zuvor hatten sie allerdings noch im März 2018 den Bayern mitgeteilt, dass die Rechtsanwältin bei ihnen Pflichtmitglied geworden war.

Daraufhin hatte die Versorgungskammer Bayern der Juristin mit Schreiben vom 8. März 2019 bereits mitgeteilt, dass ihre freiwillige Mitgliedschaft mit Ablauf des 30.12.2018 aufgrund des Beginns der Pflichtmitgliedschaft in Bremen beendet worden sei. Dies sehe § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung vor.Die Möglichkeit der Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft in Bremen sei in diesem Kontext irrelevant. Auch weitere Nachfragen der Rechtsanwältin in Bayern blieben erfolglos, sodass sie schließlich Klage erhob.

VGH Bayern: Keine Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München hatte sie damit zunächst keinen Erfolg (Urt. v. 07.11.2019, Az. M 12 K 19.2005). Die Münchener Verwaltungsrichter gingen – wie auch die Versorgungskammer – davon aus, dass es nach der Bayerischen Satzung allein auf die Pflichtmitgliedschaft in einem anderen Versorgungswerk ankomme und die Möglichkeit der Befreiung von dieser nicht zu berücksichtigen sei.

Der VGH München sah dies jedoch anders und stellte fest, dass die Rechtsanwältin weiterhin freiwilliges Mitglied der Bayerischen Versorgungskammer sei (Urt. v. 07.02.2022, Az. 21 B 21.1629). Dies begründete es mit einer historischen und teleologischen Auslegung von § 47f Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung der Bayerischen Versorgungskammer unter Berücksichtigung ihrer Aufgabe, der Altersvorsorge. Demnach sei die Beendigung einer freiwilligen Mitgliedschaft bei der Bayerischen Versorgungskammer durch die Begründung der Pflichtmitgliedschaft bei einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung nur dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn die Betroffene dort grundsätzlich (auch) Ansprüche auf Altersvorsorge erwerben könne. Das sei in diesem Fall aber aufgrund der Vorgaben der Bremerischen Satzung und ihres Alters von vornherein unmöglich gewesen. Ohne die tatsächliche Möglichkeit des Erwerbs von Versorgungsansprüchen könne eine Pflichtmitgliedschaft aber ihren wesentlichen Zweck - nämlich die wirtschaftliche Absicherung im Fall des Alters - nicht erfüllen. Betroffene würden so aus dem System der berufsständischen Versorgung herausfallen, wenn parallel auch eine freiwillige Mitgliedschaft erlösche. An dieser Ansicht ändere sich auch durch die in der Bremerischen Satzung vorgesehene teilweise Beitragsrückerstattung nichts.

BVerwG: Satzungsrecht als Landesrecht nicht revisibel

Die Revision gegen das Berufungsurteil ließ der VGH nicht zu. Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Bayerischen Versorgungskammer, die sich auf alle drei Gründe des § 132 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) stützte, hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Sie sei insbesondere nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Bayerische Versorgungskammer hatte ihre Revision zunächst mit der grundlegenden Rechtsfrage begründet, ob das ihrem Verwaltungsrat eingeräumte weite Satzungsermessen dann einzuschränken sei, wenn ein bislang freiwilliges Mitglied eine Pflichtmitgliedschaft bei einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung begründet, jedoch dort - aus Gründen, die allein im Einflussbereich des dortigen Satzungsgebers liegen - keine Ansprüche auf Versorgung wegen Alters erwerben kann. Dabei handele es sich aber nicht um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage zur Auslegung von Normen des Bundesrechts oder sonstigen revisiblen Rechts, so das BVerwG. Das Satzungsrecht einer berufsständischen Versorgungseinrichtung gehöre zum Landesrecht, das nicht revisibel sei. Eine unzureichende Berücksichtigung des Verfassungs- und Unionsrechts habe die Kammer nicht substantiiert dargetan.