BVerwG zur Impfpflicht

Soldaten müssen sich gegen Covid-19 impfen lassen

Soldaten müssen die Corona-Impfung weiterhin dulden, so das BVerwG. Das Verteidigungsministerium müsse diese Anordnung aber ständig überprüfen.

09.07.2022Rechtsprechung

Die für Soldatinnen und Soldaten geltende Corona-Impfpflicht ist rechtmäßig.

Der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Anträge zweier Luftwaffenoffiziere gegen eine entsprechende Anordnung als unbegründet zurückgewiesen (BVerwG, Beschlüsse vom 07.07.2022, Az. BVerwG 1 WB 2.22, BVerwG 1 WB 5.22).

Das Bundesverteidigungsministerium hatte die Schutzimpfung gegen Covid-19 am 24. November 2021 in die Liste der für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten verbindlichen Basisimpfungen aufgenommen. Die antragstellenden Soldaten waren jedoch der Ansicht, die Impfung mit den mRNA-Impfstoffen sei rechtswidrig und greife in unzumutbarer Weise in ihre Rechte ein. Die mit den Impfstoffen verbundenen Risiken stünden außer Verhältnis zu deren Nutzen.

Der Wehrdienstsenat am BVerwG erörterte und überprüfte die Einwände gegen die Covid-19-Impfung sehr gründlich. Über vier Verhandlungstage hinweg hörten die Richterinnen und Richter neben Sachverständigen der Soldaten auch solche der Bundeswehr und Fachleute des Paul-Ehrlich- sowie des Robert-Koch-Instituts an. Im Ergebnis habe sich die Anordnung der Impfpflicht danach als formell und materiell rechtmäßig erwiesen, so die Leipziger Richter.

Verteidigungsministerium durfte Covid-19-Impfpflicht anordnen

Das Bundesverteidigungsministerium habe innerhalb der ihm zustehenden Weisungsbefugnis nach § 10 Abs. 4 Soldatengesetz (SG) gehandelt, als es die Covid-19-Schutzimpfung durch Verwaltungsvorschrift festlegte. Das Soldatengesetz verpflichte jeden Soldaten nach § 17a SG, sich im Interesse der militärischen Auftragserfüllung gesund zu erhalten. Dabei müsse er auch ärztliche Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten gegen seinen Willen dulden. Dauerhaft einsatzfähig zu sein, sei eine zentrale Dienstpflicht im hoheitlichen Dienst- und Treueverhältnis des Soldaten.

Auch die gesetzliche Ausgestaltung dieser Duldungspflicht genüge dem rechtsstaatlichen Gebot, dass der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Dieser habe die Reichweite des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit der Soldatinnen und Soldaten hinreichend klar bestimmt und auf das Zumutbare beschränkt. Insbesondere habe er die Wahl des Impfstoffs dem Dienstherrn überlassen dürfen, damit dieser abhängig vom Einsatzort schnell und flexibel beim Auftreten neuer Krankheitserreger oder Bekanntwerden von Impf-Nebenwirkungen entscheiden könne.

Das Bundesverteidigungsministerium habe auch das ihm eingeräumte Ermessen nicht überschritten. Im November 2021, als es die Impfplicht einführte, habe die Delta-Variante des SARS-CoV-2-Virus eine erhebliche Gefährlichkeit aufgewiesen. Die vorhandenen Impfstoffe hätten zwar das Risiko einer Infektion und Übertragung nur verringern, aber die Gefahr schwerer Verläufe um 90 % reduzieren können. Dabei verweist das BVerwG auch auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Danach könne Experten zufolge die Impfung das Übertragungsrisiko von Covid-19 erheblich reduzieren (BVerfG, Beschl. v. 27.04.2022, Az. 1 BvR 2649/21 - Rn. 157 ff., 173 f.).

Impfung hilft auch gegen Omikron – Lage muss aber dauerhaft evaluiert werden

Eine weitere Frage war aber, ob die Impfpflicht auch mit Auftreten der nunmehr vorherrschenden Omikron-Variante weiterhin aufrechterhalten werden könne. Hier kam das BVerwG nach der Sachverständigenanhörung zu der Erkenntnis, dass die Impfung auch weiterhin eine noch relevante Schutzwirkung bewirke und die Weitergabe des Virus verringere. Außerdem reduziere sie - vor allem nach einem Booster - das Risiko eines schweren Verlaufs über längere Zeiträume. Daher überwiege auch weiterhin der positive Effekt der Impfung das mit ihr verbundene Risiko deutlich. Dies gelte nach den aktuellen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts auch für die Gruppe der 18- bis 59-Jährigen, die den überwiegenden Anteil des militärischen Personals ausmachen. 

Allerdings stellte das BVerwG klar, dass das Bundesverteidigungsministerium verpflichtet sei, die Aufrechterhaltung der Covid-19-Impfpflicht zu evaluieren und zu überwachen. Daueranordnungen müssten stets daraufhin überprüft werden, ob sie angesichts veränderter Umstände weiterhin verhältnismäßig und ermessensgerecht sind. Sollte die Gefährlichkeit des SARS-CoV-2-Virus weiter nachlassen oder sich die Effektivität der aktuell verfügbaren Impfstoffe verringern, könnte das dazu führen, dass das Ministerium sein Ermessen erneut ausüben müsse. Außerdem sei eine entsprechende Evaluierung im Schlichtungsverfahren zugesagt worden.