Gesetzentwurf Videokonferenztechnik

BRAK begrüßt die Förderung von Videoverhandlungen

Vorgelegter Entwurf bedeutet Fortschritt, ist aber verbesserungs- und ergänzungsfähig.

19.01.2023Gesetzgebung

Die Förderung von Videoverhandlungen wird seitens der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) grundsätzlich begrüßt, denn zweifelsohne besteht in Deutschland ein Digitalisierungsdefizit. Die vermehrte Nutzung von Videokonferenztechnik dürfte zu einer Beschleunigung der Verfahren führen, da über die reine Dauer der Verhandlung keine zeitliche Bindung für die Anreise besteht. Verlegungsanträge könnten somit teilweise entbehrlich werden. Der nun vorgelegte Entwurf enthält allerdings einige verbesserungs- bzw. ergänzungsfähige Regelungen.

Die öffentliche mündliche Verhandlung als zentrales Element eines rechtsstaatlichen Gerichtsverfahrens muss weiterhin erhalten bleiben. Grundlegende Prozessgrundsätze müssen zwingend unangetastet bleiben. Überragende Bedeutung kommt insoweit dem Unmittelbarkeitsgrundsatz zu. Beweisaufnahmen mit Zeugen-, Sachverständigen- und/oder Parteianhörungen sollten in Präsenz stattfinden, wenn nicht alle Beteiligten ihre Zustimmung zur Videovernehmung erteilen. Die Dispositionsmaxime hingegen wird nicht berührt, wenn der Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten die freiwillige Möglichkeit zur Teilnahme an einer virtuellen Verhandlung eingeräumt und hierdurch überdies das Verfahren beschleunigt wird. Insgesamt sollte in erster Linie immer der Parteiwille maßgeblich sein. Die Parteien sollten die Entscheidungsfreiheit darüber haben, ob eine Verhandlung als Videokonferenz oder in Präsenz durchgeführt wird.

Die BRAK fordert

  • eine gelungene technische und organisatorische Ausgestaltung und stellt Anforderungen an das zu verwendende Videokonferenzsystem,
  • die Erprobung der virtuellen mündlichen Verhandlung im zivilgerichtlichen Online-Verfahren,
  • die Beachtung und Einhaltung des Datenschutzes und
  • eine realistische Darstellung des finanziellen Aufwands.

Hinsichtlich der Neufassung von § 128a ZPO-E spricht sich die BRAK

  • für die Entscheidungsfreiheit der Parteien darüber aus, ob eine Verhandlung als Videokonferenz durchgeführt wird oder nicht (keine Anordnung von Amts wegen) und insbesondere für die Pflicht zur Durchführung einer Videoverhandlung, wenn die Verfahrensbeteiligten dies übereinstimmend beantragen. (Anpassung von § 128a Abs. 2 ZPO-E),
  • für eine Ergänzung von § 128a Abs. 3 aus, dass gegen anwesende Verfahrensbeteiligte im Sitzungszimmer kein Versäumnisurteil ergehen kann und
  • für eine Anwesenheit des Vorsitzenden und der Mitglieder des Spruchkörpers im Gericht aus (Änderung von § 128a Abs. 4 und 5 ZPO-E).

Die BRAK spricht sich gegen die Regelung in § 284 Abs. 2 ZPO-E aus und hält gegebenenfalls mindestens die ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten für eine Beweisaufnahme per Bild- und Tonübertragung für notwendig.