RAuN Dr. Ulrich Wessels

Mal nachgefragt…

Wie sieht eigentlich die BRAK die Gründung des Bundesverbandes der Wirtschaftskanzleien?

12.04.2022Interview

Der Bundesverband der Wirtschaftskanzleien (BWD) ist in aller Munde. Doch wie steht die BRAK zu dieser Interessenbündelung? Der Bundesverbandes der Wirtschaftskanzleien ist ein am 29. März 2022 gegründeter Zusammenschluss von etwa 30 größeren Wirtschaftskanzleien. Ziel des Verbandes ist, sich gemeinsam für die fachlichen, strategischen und zukunftsorientierten Themen dieses Rechtsmarktsegments einzusetzen. Stephanie Beyrich, Pressesprecherin der BRAK, hakt bei BRAK-Präsident RAuN Dr. Ulrich Wessels nach.


RAuN Dr. Ulrich Wessels, Präsident der BRAK

Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels, Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer

Sehr geehrter Herr Dr. Wessels, wie ordnen Sie diese Gründung ein?

Bei uns gilt die Vereinsfreiheit. Der BWD ist weder der erste noch der letzte Verband, der gegründet wurde – innerhalb der Anwaltschaft. Neben dem DAV sind in letzter Zeit Verbünde entstanden, die sich an ihren speziellen, eigenen Interessen orientieren. Das sind zum Beispiel die Unternehmensanwälte und -juristen, wie der BUJ und der diruj oder innerhalb der Fachanwaltschaften gibt es noch weitere Interessengemeinschaften zum Beispiel der Gravenbrucher Kreis, die sich zu sehr speziellen Zielen engagieren.

Welche Bedeutung kommt den Wirtschaftskanzleien Ihrer Auffassung nach in Deutschland zu?

Für mich sind Wirtschaftskanzleien von enormer Bedeutung. So, wie jede andere Kanzlei in Deutschland auch. Die Gesamtheit der Kanzleien – und die in diesen tätigen Anwältinnen und Anwälte - bilden eine elementare Säule unseres Rechtsstaates: Die Anwaltschaft. Keinem Teil der Anwaltschaft kommt für mich weniger oder mehr Bedeutung zu, als einem anderen. Wir sind alle gleich: Organe der Rechtspflege, die den Zugang zum Recht sichern und in unserer Berufsausübung sind wir frei. Nicht ohne Grund spreche ich lieber von der Einheit der Anwaltschaft. Natürlich ist für jede Kanzlei elementar, sich flexibel an den Anforderungen ihrer Mandanten und der jeweiligen Mandantenstruktur zu orientieren und danach auszurichten. Genau das macht unsere Berufsfreiheit aus.

Glauben Sie, die Gründung von Interessenverbänden, die sich stark auf ein Thema fokussieren, gefährdet die von Ihnen angesprochene Einheit der Anwaltschaft?

Nein. Warum auch. Es ist doch sinnvoll, sich bei gleichlaufenden Interessen zusammenzuschließen, auszutauschen und zu versuchen, etwas zu bewegen. Letztlich dienen diese Zusammenschlüsse der Anwaltschaft. Was ich persönlich kritisch sehe, sind Modelle, in denen – gleichsam unter dem Deckmantel des Anwaltsberufes – de facto nicht anwaltlich beraten, sondern eher Unternehmensberatung oder dergleichen betrieben wird. Jede Anwältin und jeder Anwalt sollte sich als Organ der Rechtspflege stets den Kernwerten des Anwaltsberufen verschreiben und für deren Erhaltung kämpfen.

Sehen Sie im BWD eine Konkurrenz zur BRAK?

Worin genau soll denn eine Konkurrenz bestehen? Die BRAK vertritt die Interessen der Gesamtheit der deutschen Anwaltschaft und natürlich auch die derjenigen Kolleginnen und Kollegen, die in Wirtschaftskanzleien tätig sind. Diese Interessen sind uns nicht nur wichtig, sondern finden auch Gehör. Die Vertreter der Wirtschaftskanzleien sind in den 33 Fachausschüssen der BRAK nicht nur präsent, sondern außerordentlich aktiv und im ehrenamtlichen Engagement. Dies gilt im Übrigen auch für die Satzungsversammlung. Dort wird unmittelbar Rechtspolitik betrieben.

Lieber Herr Dr. Wessels, ich danke Ihnen für das interessante Gespräch.