Mord an Kasseler Regierungspräsident

BGH verwirft alle Revisionen im Fall Lübcke

Rechtskräftig: Markus H. war nicht der Beihilfe schuldig, Stephan E.s rassistische Gesinnung durfte das OLG Frankfurt gesondert berücksichtigen.

26.08.2022Rechtsprechung

Der Mord am ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten ist gerichtlich entschieden. Der Bundesgerichtshof hat die von buchstäblich allen am Verfahren Beteiligten eingelegten Revisionen samt und sonders verworfen (BGH, Urt. v. 25.08.2022, Az. 3 StR 359/21).

Die Familie des Opfers hatte sich auch vor dem Urteil aus Karlsruhe am Donnerstag über ihren Sprecher noch einmal ausdrücklich gewünscht, dass aufgeklärt würde, wie die letzten Sekunden von Dr. Walter Lübcke aussahen. Der CDU-Abgeordnete, der sich für Geflüchtete einsetzte, war am 1. Juni 2019 auf seiner Veranda durch einen Kopfschuss aus geringer Entfernung getötet worden. Mehr Aufklärung des Tathergangs wird es jedenfalls auf justizieller Ebene nicht mehr geben.

Der rechtsradikale Stephan E., der knapp 14 Tage später festgenommen worden war, hatte die Tat damals gestanden. Er begründete die Tötung mit der politischen Haltung Lübckes, über die er sich schon seit dem Jahr 2015 empört habe. Bei dieser Aussage blieb es nicht, E. widerrief mehrfach seine eigenen Aussagen und beschuldigte später im Laufe des Mordprozesses vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main seinen ehemaligen Freund Markus H., ihm bei der Tat geholfen zu haben. E.  machte im Verfahren mehrfach unterschiedliche Aussagen, gestand aber zuletzt wieder, selbst den tödlichen Kopfschuss auf Lübcke abgegeben zu haben.

OLG: Heimtückischer Mord an Lübcke durch Stephan E., keine Beihilfe durch Markus H.

Das OLG Frankfurt verurteilte E. im Januar 2021 wegen heimtückischen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, stellte die besondere Schwere der Schuld fest und behielt die Anordnung der Sicherungsverwahrung vor. Eine andere ihm zur Last gelegte Tat hingegen sah das OLG nicht als nachgewiesen an: Zwar sei ein Asylbewerber im Januar 2016 von einer männlichen Person mit einem Messer erheblich verletzt worden, allerdings war das OLG nicht davon überzeugt, dass E. damals der Täter war.

Den mitangeklagten Markus H. sprach das OLG vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord an Walter Lübcke frei, er wurde lediglich wegen unerlaubten Waffenbesitzes verurteilt.

Obwohl sich die Angeklagten gegen ihre Verurteilungen, der Generalbundesanwalt gegen die Teilfreisprüche beider Angeklagten sowie die bloß vorbehaltene Sicherungsverwahrung für Stephan E.  und die Familie Lübcke gegen den Freispruch von Markus H. wendeten, bleibt es bei genau diesen Verurteilungen.

BGH: Keine rechtlich gebotenen Beweiserhebungen unterlassen

Der für Staatsschutzsachen zuständige 3. Strafsenat des BGH hat weder materiellrechtliche Fehler im OLG-Urteil gefunden noch hätten die Beschwerdeführenden relevante Verfahrensfehler aufgezeigt. Die Beweiswürdigung trage die Feststellungen zur Verurteilung von Stephan E. wegen Mordes, so der BGH. Dabei stellt der Senat in seiner Pressemitteilung heraus, dass das OLG die Gesinnung von Stephan E. doppelt berücksichtigen durfte: Seine rassistischen und ausländerfeindlichen Beweggründe hätten über die rein politische Motivation hinaus gesondert in die Prüfung der besonderen Schwere der Schuld einfließen dürfen.

Auch den Freispruch von Markus H. in Bezug auf den Vorwurf der physischen oder psychischen Beihilfe zum Mord bestätigt der Senat: Das OLG sei nicht überzeugt gewesen, dass er am Tatort gewesen sei oder E., wie von diesem behauptet, im Vorfeld von der Tat zu überzeugen versucht habe. Das OLG habe auch „keine rechtlich gebotenen Beweiserhebungen unterlassen“.

Auch in Bezug auf den Vorwurf des versuchten Mordes an dem Asylbewerber im Jahr 2016 sieht der BGH keine Versäumnisse: Das OLG habe die Täterschaft nicht als erwiesen angesehen, auch hier habe die Nebenklage keine unzureichende Beweiserhebung durch das Gericht aufgezeigt.