OVG zu Demos in Berlin

Ukrainische Flaggen bleiben verboten

Das VG beurteilte es noch anders. Das OVG aber untersagte auch kleinen Versammlungen, beim Gedenken ans Weltkriegsende ukrainische Fahnen zu zeigen.

10.05.2022Rechtsprechung

Das Ende des zweiten Weltkrieges jährte sich am 8. und 9. Mai 2022 zum 77. Mal. Als Deutschland am 8. Mai 1945 kapitulierte, hatte in der damaligen Sowjetunion der 9. Mai bereits begonnen. Dadurch kam es auch 77 Jahre später an beiden Tagen in Berlin zu Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen. Zugleich stand aber der derzeitige Krieg in der Ukraine im Fokus.

Die Stadt Berlin hatte per Allgemeinverfügung am 4. Mai 2022 verboten, Flaggen und Fahnen mit russischem und ukrainischem Bezug zu zeigen, auch russische und ukrainische Militärlieder wurden pauschal für 15 Gedenkorte untersagt. So sollten Konfrontationen an diesen Orten vermieden und ein würdevolles, friedliches Gedenken ermöglicht werden.

Ein Bürger aus Baden-Württemberg, der für den 9. Mai 2022 von 21:30 bis 22:00 Uhr eine Versammlung mit wenigen Teilnehmenden am Museum Berlin-Karlshorst angemeldet hatte, wehrte sich gegen die Allgemeinverfügung; das Zeigen ukrainischer Flaggen und das Abspielen ukrainischer Lieder solle ermöglicht werden.

VG: Verbot gilt nicht für kleine Versammlungen

Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin gab seinem Eilantrag noch statt (VG Berlin, Beschl. v. 09.05.2022, Az. VG 1 L 172/22), es gebe keine Rechtsgrundlage für ein Verbot der Versammlung nach § 14 Abs. 1 oder § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 des Versammlungsfreiheitsgesetzes Berlin (VersFG BE). Vielmehr gefährde die kleine geplante Versammlung gerade nicht die öffentliche Sicherheit, insbesondere die Individualrechtsgüter Dritter, so die Richterinnen und Richter. Die Allgemeinverfügung der Stadt Berlin beziehe sich zudem auf Versammlungen mit pro-russischem Bezug, der bei der hier geplanten Versammlung nicht erkennbar sei.

Auch eine Gefahr für die öffentliche Ordnung verneinte das VG. Schließlich fehle es bei der vom Antragsteller geplanten Versammlung schon wegen der geringen Teilnehmendenzahl und der kurzen Dauer zu einer Tagesrandzeit an einer einschüchternden Wirkung. Laut VG Berlin hätte eine etwaige Gewaltbereitschaft der Teilnehmenden durch die örtliche Polizeipräsenz daher leicht unterbunden werden können.

OVG: Allgemeinverfügung gilt doch

Noch am Abend desselben Tages, ebenfalls mit Beschluss vom 9. Mai 2022 (Az. OVG 1 S 35/22) und damit buchstäblich in letzter Sekunde, hob das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg jedoch die Entscheidung des VG auf.

Damit galt die Allgemeinverfügung der Polizei Berlin wieder, auch die geplante kleine Versammlung am Museum Berlin-Karlshorst durfte also keine ukrainischen Flaggen zeigen und keine ukrainische Militärmusik abspielen. Wegen der Eilbedürftigkeit der Sache begründeten die Richterinnen und Richter ihren unanfechtbaren Beschluss in der Sache zunächst nicht.