VG zu Corona-Soforthilfen

Soloselbstständige in NRW müssen nicht zurückzahlen

Erst auf Umsatzausfall, dann auf Liquiditätsengpass abstellen? Das VG Düsseldorf erklärt die Rückforderung von Corona-Soforthilfen für rechtswidrig.

17.08.2022Rechtsprechung

Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf hat in drei Verfahren selbständiger Unternehmer in Nordrhein-Westfalen entschieden, die sich gegen die Anordnung der teilweisen Rückzahlung sog. Corona-Soforthilfen wehrten. Die Rückforderungsbescheide des Landes NRW seien rechtswidrig, so die Düsseldorfer Verwaltungsrichter (Urt. v. 16.08.2022, Az. 20 K 7488/20, 20 K 217/21 und 20 K 393/22).

Das VG, bei dem nach eigenen Angaben noch rund weitere 500 Klageverfahren rund um Corona-Soforthilfen anhängig sind, erklärt die drei Streitigkeiten ausdrücklich für „repräsentativ für einen Großteil“ dieser Verfahren. Die Entscheidungen sind aber nicht rechtskräftig, wegen grundsätzlicher Bedeutung hat die Kammer die Berufung zum Oberverwaltungsgericht in Münster zugelassen.

Land NRW: Aus Umsatzausfall wurde Liquiditätsengpass

Die Kläger der drei Verfahren, über die das VG am Dienstag urteilte, waren ein Betreiber eines Düsseldorfer Schnellrestaurants, eine Kosmetikerin aus Remscheid und ein Steuerberater aus Düsseldorf, der einen Großteil seiner Umsätze mit der Aus- und Fortbildung von Steuerberaterinnen und Steuerberatern erwirtschaftet. Der Gastronom und die Kosmetikerin mussten während des Corona-bedingten Lockdowns im Frühjahr 2020 ihre Betriebe schließen, der Steuerberater erlitt Umsatzeinbußen durch den Wegfall von Präsenzvorträgen.

Alle drei erhielten Soforthilfen, mit denen Bund und Länder wirtschaftliche Notlagen aufgrund der Corona-Maßnahmen verhindern wollten.: Ende März/Anfang April erließ die Bezirksregierung Düsseldorf Bewilligungsbescheide über jeweils 9.000 Euro, die auch ausgezahlt wurden. Wie auch viele andere Unternehmerinnen und Unternehmer in NRW erhielten die drei aber später im Rahmen sog. Rückmeldeverfahren eine Rückforderung: Die Soforthilfe wurde auf 2.000 Euro festgesetzt, die Bezirksregierung forderte entsprechend 7.000 Euro zurück. Sie stützte sich dabei auf eine Richtlinie des Wirtschaftsministeriums NRW, die am 31. Mai 2020 rückwirkend in Kraft getreten war.

Die Richtlinie enthielt erstmals eine Definition des Liquiditätsengpasses, auf den das Land sich nun berief: Während die Unternehmerinnen und Unternehmer zunächst aufgrund der Bewilligungsbescheide davon ausgegangen waren, dass für den Erhalt und das Behaltendürfen der Gelder pandemiebedingte Umsatzausfälle ausschlaggebend seien, stellte die Bezirksregierung nun beim Erlass der Schlussbescheide auf einen Liquiditätsengpass ab: Nur eine Differenz zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Geschäftsbetriebs, also ein Verlust sollte nun zum Erhalt der Hilfen berechtigen.

VG: Spätere Abweichung von eigener Förderpraxis rechtswidrig

Das VG Düsseldorf hat das nun für rechtswidrig erklärt. Für die Rechtmäßigkeit der Schlussbescheide sei die Förderpraxis des Landes NRW während des Antragsverfahrens maßgeblich, also bis zum Erlass der Bewilligungsbescheide. Die darin zum Ausdruck gebrachte Verwaltungspraxis des Landes stimme mit den Festsetzungen in den Schlussbescheiden nicht überein.

Vielmehr hätten die Unternehmerinnen und Unternehmer nach allen Antragsvordrucken, online verfügbaren Informationen des Landes und den Bescheiden selbst davon ausgehen dürfen, dass das Land auf pandemiebedingte Umsatzausfälle abstellte und nicht auf einen Verlust. Dann später von dieser Förderpraxis abzuweichen und auf Liquiditätsengpässe abzustellen, sei rechtswidrig. Auch die rückwirkend in Kraft getretene Richtlinie habe das nicht ändern können.

Schließlich seien die Bewilligungsbescheide auch missverständlich formuliert gewesen, es sei nicht erkennbar gewesen, nach welchen Parametern eine Rückzahlung zu berechnen wäre.