Zustellung im Ausland

Nichtabholen von Post ist keine treuwidrige Zugangsvereitelung

Laut OLG Frankfurt a.M. gilt bei Zustellung von Gerichtsentscheidungen im Ausland: Das bloße Nichtabholen der Post ist noch nicht treuwidrig.

03.04.2023Rechtsprechung

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. hat entschieden, dass das schlichte Nichtabholen einer ausländischen Gerichtsentscheidung bei der Post im Anwendungsbereich des Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 noch keine treuwidrige Zugangsvereitelung darstellt (Beschl. v. 21.02.2023, Az. 26 Sch 11/22).

Schwierigkeiten bei der Zustellung im Ausland

Hintergrund war ein Rechtsstreit zwischen zwei Baudienstleistern, die sich über Zahlungsansprüche aus einem Rahmenvertrag über eine frühere Zusammenarbeit stritten. Die Antragstellerin mit Sitz in Tschechien hatte zunächst gegenüber ihrer ehemaligen Geschäftspartnerin bei einem tschechischen Schiedsgericht einen Schiedsspruch über die Zahlung von ca. 120.000 Euro erwirkt.

Die in Deutschland ansässige Antragsgegnerin zahlte die Summe jedoch nicht, sondern verklagte ihre ehemalige Geschäftspartnerin stattdessen vor dem Landgericht (LG) Kassel. Weil die Antragsgegnerin keine Verteidigungsbereitschaft anzeigte, erging ein Versäumnisurteil mit dem Inhalt, dass die Entscheidung des Tschechischen Schiedsgerichts keine Rechtskraft entfalte und der Zahlungsanspruch verjährt sei.  

Das Versäumnisurteil wurde mit Auslandseinschreiben gegen Rückschein an die Antragstellerin versandt, allerdings unter einer alten Anschrift, die in der Klageschrift angegeben war. Im Rückschein stand dannh, dass die Sendung nicht abgeholt worden sei. Später stellte sich heraus, dass die Antragstellerin das Urteil tatsächlich nie erhalten hatte, weil sie umgezogen war. Darüber hatte die Antragsgegnerin eigentlich auch Kenntnis, denn der ursprüngliche Schiedsspruch enthielt bereits deutlich hervorgehoben den aktuellen Sitz der Antragstellerin.

Nach vermeintlicher Rechtskraft wollte die Antragsgegnerin das Versäumnisurteil vollstrecken. Sie war der Ansicht, nun könne der tschechische Schiedsspruch nicht mehr für vollstreckbar erklärt werden. Diese Information gelangte tatsächlich an die Antragstellerin, die nun – ca. ein halbes Jahr später - Einspruch gegen das Versäumnisurteil einlegte. Die mündliche Verhandlung hierüber beim LG Kassel sollte einen Tag nach dem Beschluss des OLG Frankfurt stattfinden. Im aktuellen Verfahren vor dem OLG Frankfurt beantragte die Antragstellerin nun die Vollstreckbarerklärung des ausländischen Schiedsspruchs in Deutschland. Sie brachte vor, dass bereits die Klageschrift nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei.   

Entscheidung des OLG Frankfurt

Das OLG Frankfurt hat nun die Entscheidung des tschechischen Schiedsgerichts für vollstreckbar erklärt. Die Antragsgegnerin muss nun also die ca. 120.000 Euro an die Antragstellerin zahlen.

Zunächst führte das OLG aus, dass sich die Antragsgegnerin weder auf den Einwand entgegenstehender Rechtskraft noch dem anderweitiger Rechtshängigkeit wegen des anderen Rechtsstreits vor dem LG Kassel berufen könne. Schließlich seien die beiden Streitgegenstände des aktuellen Verfahrens sowie des Verfahrens vor dem LG Kassel nicht identisch. Im vorliegenden Verfahren gehe es darum, den ausländischen Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, beim LG Kassel gehe es hingegen darum, den Schiedsspruch mit Wirkung für alle Rechtsordnungen für unbeachtlich zu erklären. Schließlich gehe es im aktuellen Verfahren darüber hinaus noch um die Frage der Verjährung und nicht um die Wirkung des Schiedsspruchs.

Auch die materiellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs lägen vor. Das Versäumnisurteil sei nicht in Rechtskraft erwachsen. Der Einspruch der Antragstellerin sei nicht verfristet gewesen. Die Frage, wann das Versäumnisurteil zugestellt worden ist, beurteile sich noch nach § 1068 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) a. F. i.V.m. Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007. Danach genügte zum Nachweis der Zustellung der Rückschein oder der gleichwertige Beleg. In diesem Fall enthielt der Rückschein aber lediglich einen Aufkleber mit dem Vermerk, dass die Sendung nicht abgeholt worden war.

Die Antragstellerin müsse nicht sich auch nicht so behandeln lassen, als hätte sie das Schriftstück erhalten. Sie habe den Zugang nicht treuwidrig verhindert. Das schlichte Nichtabholen bei der Post zur Abholung bereitliegender Sendungen stelle im Anwendungsbereich des Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 noch keine treuwidrige Zugangsvereitelung dar. Die Bestimmungen der Verordnung sollten nämlich u. a. einen angemessenen Schutz der Verteidigungsrechte des Empfängers der darin geregelten Schriftstücke gewährleisten, indem „ein tatsächlicher und wirksamer Empfang der Schriftstücke“ vorausgesetzt wird. Die in einem schlichten Nichtabholen möglicherweise liegende Nachlässigkeit sei daher vielmehr erst bei Hinzutreten weiterer Umstände treuwidrig, die hier aber nicht vorlagen. Vielmehr hätte die Antragsgegnerin die neue Adresse bereits beim Zustellversuch kennen müssen, da sie im tschechischen Schiedsspruch stand.

Das Versäumnisurteil des LG Kassel ist daher der Antragstellerin erst zugegangen, als sie im hiesigen Verfahren die Antragserwiderung erhalten hat. Ihr Einspruch erfolgte damit fristgerecht.