Keine Altersdiskriminierung: Mit 70 Jahren endet Notarberuf
Die Altersgrenze von 70 Jahren für den Notarberuf verstößt nicht gegen den EU-rechtlichen Schutz vor Altersdiskriminierung, so der BGH.
Der Senat für Notarsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) hat entschieden, dass die Altersgrenze für Notare mit dem Recht der Europäischen Union (EU) vereinbar ist. Gemäß § 47 Nr. 2, § 48a der Bundesnotarordnung (BNotO) erlischt das Amt des Notars mit dem Ende des Monats, in dem er das 70. Lebensjahr vollendet (Urt. v. 21.08.2023, Az. NotZ(Brfg) 4/22).
Gegen die Altersgrenze geklagt hatte ein Anwaltsnotar, der im Laufe des Jahres 2023 seinen 70. Geburtstag feiern würde. Er macht geltend, die Altersgrenze verstoße gegen das aus EU-Recht ergebende Verbot der Diskriminierung wegen des Alters (Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der EU sowie Art. 1, Art. 2 Abs. 2 a der EU-Antidiskriminierungs-Richtlinie 2000/78/EG). Die Altersgrenze sei angesichts eines mittlerweile eingetretenen erheblichen Nachwuchsmangels nicht mehr im Sinn von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt. Daher begehrte er die Feststellung, dass sein Amt als Notar nicht mit dem Ablauf des Monats, in dem er das 70. Lebensjahr vollendet, erlischt. Vor dem Oberlandesgericht Köln blieb er damit jedoch ohne Erfolg. Der Senat für Notarsachen BGH wies die Berufung dagegen zurück.
Kein Bewerbermangel aus demographischen Gründen
Der BGH-Notarsenat führte dazu aus: Die Altersgrenze solle den Generationenwechsel erleichtern und den Berufsstand der Notare verjüngen. Sie sei zur Erreichung dieses Ziels nach wie vor erforderlich. Hierzu war ein Gutachten von der Bundesnotarkammer eingeholt worden. Geprüft wurde, wie viele bestehenden und ausgeschriebenen Stellen es zwischen 2020 und 2022 gab, außerdem wie viele Bewerbungen eingegangen waren und wie die Notarinnen und Notare in Altersgruppen verteilt waren.
Daraus ergab sich, dass im hauptberuflichen Notariat (die allerdings nur etwa ¼ der Notarinnen und Notare in Deutschland ausmachen) bundesweit sogar ein erheblicher Bewerberüberhang herrsche. Lediglich in den Oberlandesgerichtsbezirken, in denen Rechtsanwälte als Notare im Nebenberuf (neben dem Anwaltsberuf) tätig seien, bestehe teilweise ein erheblicher Bewerbermangel. Daraus und aus weiteren statistischen Daten hat der Senat für Notarsachen geschlossen, dass es für den Notarberuf keinen Nachwuchsmangel aus demographischen Gründen gebe. Der Bewerbermangel im Anwaltsnotariat habe andere, seit etwa 2010 bestehende strukturelle Gründe. Dies seien insbesondere die neben der Berufstätigkeit als Rechtsanwalt vorzubereitende und abzulegende notarielle Fachprüfung sowie die sich stetig weiter erhöhenden (auch technischen) Anforderungen an die Ausübung des Nebenberufs.
Altersgrenze weiterhin erforderlich, um Nachwuchs zu sichern
Die Altersgrenze sei vor diesem Hintergrund auch im Anwaltsnotariat nach wie vor erforderlich, um ein legitimes Ziel im Sinn von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 zu erreichen. Blieben lebensältere Notarinnen und Notare mit gut eingeführten Notarstellen und einem großen Stamm an Urkundsbeteiligten ohne Altersgrenze im Amt, hätten jüngere Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte keine hinreichende und planbare Aussicht auf wirtschaftlich leistungsfähige Notariate. Sie würden dann oftmals den erheblichen Aufwand für den Einstieg in den Nebenberuf nicht auf sich nehmen.
Außerdem führte der BGH als Argument an: Erst im Jahr 2021 hatte der Gesetzgeber im Hinblick auf den bereits seinerzeit bestehenden Bewerbermangel im Bereich des Anwaltsnotariats einige Verbesserungen beschlossen (§ 48b und § 5b Abs. 3 BNotO), jedoch an der Altersgrenze festgehalten. Der Senat konnte daher nicht feststellen, dass der Gesetzgeber den ihm nach der EuGH-Rechtsprechung zukommenden Prognose- und Beurteilungsspielraum verletzt habe. Ein angemessener Interessenausgleich werde auch dadurch gewährleistet, dass die Altersgrenze für Notare deutlich über den im Bund und in den Ländern geltenden Pensionsaltersgrenzen liege. Schließlich seien aus dem Amt ausscheidende Anwaltsnotare nicht gehindert, den Beruf des Rechtsanwalts weiterhin auszuüben und als Notarvertreter oder Notariatsverwalter tätig zu sein.