BMAS legt Referentenentwurf für geändertes Arbeitszeitgesetz vor
Die Arbeitszeiterfassung ist seit 2022 verpflichtend. Das Gesetz soll nun die nähere Ausgestaltung regeln: Grundsatz wird die elektronische Erfassung.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat einen lange erwarteten Referentenentwurf zur Neufassung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG-E) vorgelegt. Darin sollen die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur bereits jetzt verpflichtenden Arbeitszeiterfassung näher ausgestaltet werden.
Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung
Nach § 16 Abs. 2 ArbZG-E wird „der Arbeitgeber verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen.“ Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können die Erfassung zwar selbst vornehmen, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bleiben jedoch weiterhin für die ordnungsgemäße Aufzeichnung verantwortlich. Sie haben „durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen“, dass ihnen „Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden.“ Gelten soll die Pflicht grundsätzlich am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Quartals. Für Verstöße drohen nach § 20 ArbZG Bußgelder bis zu 30.000 Euro.
Genauere Vorgaben zur Ausgestaltung der elektronischen Erfassung macht der Entwurf nicht. Neben den bereits gebräuchlichen Zeiterfassungsgeräten kämen auch andere Formen der elektronischen Aufzeichnung mit Hilfe von Apps oder Excel-Tabellen, heißt es sinngemäß im Entwurf.
Abweichungen von der Formvorschrift der elektronischen Zeiterfassung – z.B. eine händische Dokumentation auf Papier - sollen jedoch möglich sein. Zum einen per Tarifvertrag, Betriebs- oder Dienstvereinbarung. Zum anderen gelten gewisse Ausnahmeregelungen und Übergangsfristen: So soll auch eine nichtelektronische Zeiterfassung innerhalb von einem Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes noch erlaubt sein, damit sich die Betriebe entsprechend umstellen können. Je nach Betriebsgröße ist diese Übergangsfrist länger ausgestaltet: Betriebe mit weniger als 250 Mitarbeitenden haben zwei Jahre Zeit, bei unter 50 Angestellten sind es fünf Jahre. Auf die elektronische Form gänzlich verzichten können Betriebe mit weniger als zehn Arbeitnehmenden, ausländische Arbeitgebende ohne Betriebsstätte im Inland, wenn sie bis zu zehn Arbeitnehmende nach Deutschland entsenden sowie Privathaushalte, die Hausangestellte beschäftigen.
Weitere Ausnahmen und Pflichten
Von der Pflicht, die Aufzeichnung bereits am selben Tag vorzunehmen, kann hingegen nur per Tarifvertrag, Betriebs- oder Dienstvereinbarung abgewichen werden. Dann kann die Aufzeichnung auch an einem anderen Tag erfolgen, spätestens aber bis zum Ablauf des siebten, auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages.
Ebenfalls per Tarifvertrag, Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann geregelt werden, dass die Aufzeichnungspflicht nicht für Mitarbeitende gilt, „bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann.“ Laut der Begründung können das Führungskräfte, herausgehobene Experten oder Wissenschaftler sein, die nicht verpflichtet sind, zu festgesetzten Zeiten am Arbeitsplatz anwesend zu sein, sondern über den Umfang und die Einteilung ihrer Arbeitszeit selbst entscheiden können. Tarifvertragsparteien bzw. Betriebspartner sollen hier festlegen, für welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Voraussetzungen zutreffen.
Der Entwurf regelt auch eine Informationspflicht der Arbeitgebenden: Sie müssen ihre Mitarbeitenden auf Verlangen über die aufgezeichnete Arbeitszeit informieren und ihnen ggf. eine Kopie der Aufzeichnungen zur Verfügung stellen. Mindestens für zwei Jahre sind diese aufzubewahren.
Die Möglichkeit der Vertrauensarbeitszeit soll laut Entwurf explizit nicht beeinträchtigt werden. Gemeint ist das flexible Arbeitszeitmodell, bei dem Beginn und Ende der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht festgelegt, sondern Mitarbeitenden überlassen werden. Das soll auch weiterhin möglich sein - solange die gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeiten nicht überschritten und die Pausenzeiten eingehalten werden, betont der Entwurf.
Hintergrund: Entscheidungen des EuGH und des BAG
Mit der geplanten Reform reagiert das BMAS auf die Entscheidungen des EuGH (Urt. v. 14.05.2019, Az. C-55/18) und des BAG (Beschl. v. 13.09.2022, Az. 1 ABR 22/21).
Das BAG hatte 2022 entschieden, dass die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist – und zwar ab sofort. Dies ergebe sich aus einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 3 Absatz 2 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Zur Sicherung des Gesundheitsschutzes hätten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber “für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen.” Zuvor war in Deutschland lediglich eine Erfassung der Überstunden üblich gewesen.
Das BAG bezog sich auf ein vorheriges Urteil des EuGH. Dieser hatte 2019 auf Vorlage eines spanischen Gerichts entschieden, dass Arbeitgebende ein „objektives, verlässliches und zugängliches System“ zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter einführen müssen. Dies ergebe sich durch Auslegung der Arbeitszeitrichtlinie sowie der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie. Nur so lasse sich überprüfen, ob zulässige Arbeits- und Ruhezeiten eingehalten würden.
Viele hatten dieses Urteil aber lediglich als Handlungsvorgabe an die nationalen Gesetzgeber verstanden, ihre Gesetze anzupassen. Damals konnte sich die große Koalition jedoch nicht auf ein entsprechendes Gesetz einigen. Dann folgte das BAG-Urteil, wonach die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ab sofort galt. Das BAG hatte damals aber nur über die Frage des „Ob“ der Arbeitszeitaufzeichnung entschieden. Bezüglich des „Wie“ der Aufzeichnung bestehen jedoch weiterhin Unsicherheiten. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte deshalb angekündigt, zeitnah einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Nach dem nun veröffentlichten Referentenentwurf werden erst einmal zahlreiche Stellungnahmen von Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und Branchenverbänden erwartet. Das Gesetz soll dann zeitnah eingebracht werden und könnte ggf. bereits in diesem Jahr in Kraft treten.