BAG zum Weisungsrecht

Arbeitgeber darf Angestellte auch ins Ausland versetzen

Das BAG hat entschieden, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich das Recht umfasse, Mitarbeiter ins Ausland zu versetzen.

06.12.2022Rechtsprechung

Arbeitgeber können Arbeitnehmer anweisen, an einem anderen Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Grundsatzurteil. Grundlage dafür sei das arbeitsvertragliche Direktionsrecht nach § 106 Gewerbeordnung (GewO). Dieses sei nicht auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland begrenzt.

Ausnahmen von dieser Grundregel gelten laut BAG nur, wenn im Arbeitsvertrag ausdrücklich oder den Umständen nach konkludent etwas anderes vereinbart worden ist. Die Ausübung des Weisungsrechts im Einzelfall unterliege allerdings einer „Billigkeitskontrolle“, also einer Prüfung, ob die Versetzung in ein anderes Land für den Arbeitnehmer auch im Einzelfall zumutbar ist (Urt. v. 30.11.2022, Az. 5 AZR 336/21).

Weisungsrecht umfasst auch Versetzung ins Ausland

Geklagt hatte ein seit Januar 2018 bei der irischen Fluggesellschaft Ryanair beschäftigter Pilot. Er war zuletzt am Flughafen Nürnberg stationiert, sollte nun aber nach Bologna in Italien umziehen. Hintergrund für die Weisung war die Entscheidung der Fluggesellschaft, die Homebase am Flughafen Nürnberg Ende März 2020 aufzugeben.

Der Arbeitsvertrag des Flugkapitäns sah auch ausdrücklich vor, dass er auch an anderen Orten stationiert werden könne. Seine Vergütung solle sich dann nach dem dort geltenden System richten.

Der Pilot hielt seine Versetzung nach Bologna jedoch für unwirksam. Er war der Auffassung, das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO erfasse keine Versetzung ins Ausland. Zumindest sei eine solche unbillig. Deshalb sei die vereinbarte Versetzungsklausel in seinem Arbeitsvertrag unwirksam. Außerdem sei es unzumutbar, dass ihm sein tariflicher Vergütungsanpruch entzogen werde, schließlich sollte er in Italien zehntausende Euro weniger verdienen. In Deutschland hatte er aufgrund des Tarifvertrags zuletzt knapp 12.000 Euro brutto pro Monat verdient (über 140.000 Euro im Jahr), obwohl ihm sein Arbeitsvertrag gerade einmal ca. 75.000 Euro Jahreseinkommen zusicherte. Auch ansonsten würden für ihn erhebliche Nachteile entstehen.

Doch bereits das Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen seine Klage ab (LAG, Urt. v. 23.04.2021, Az. 8 Sa 450/20). Auch seine Revision blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Erfurter Richterinnen und Richter entschieden: Sofern arbeitsvertraglich ein bestimmter inländischer Arbeitsort nicht fest vereinbart, sondern ausdrücklich eine unternehmensweite Versetzungsmöglichkeit vorgesehen sei, umfasse das Weisungsrecht auch die Versetzung an einen ausländischen Arbeitsort. Eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland sei dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Gerechtigkeit im Einzelfall

Die einzige Grenze dieses internationalen Weisungsrechts: Dessen Ausübung unterliege einer „Billigkeitskontrolle“, so die Pressemitteilung des BAG. Das bedeutet, sie muss auch im Einzelfall zumutbar sein. Wie eine solche Prüfung ablaufen muss, zeigte das Gericht direkt am konkreten Fall, in dem die Maßnahme billigem Ermessen entsprochen habe.

Die Versetzung sei Folge der unternehmerischen Entscheidung gewesen, die Homebase am Flughafen Nürnberg aufzugeben. Damit sei die Möglichkeit, den Piloten dort zu stationieren, entfallen. Offene Stellen an einem anderen inländischen Stationierungsort habe es nicht gegeben. Ein Einsatz als „Mobile Pilot“ sei nicht möglich gewesen. Eine Base-Präferenz habe der Mann ebenfalls nicht angegeben. Schließlich seien alle am Flughafen Nürnberg stationierten Piloten an einen Standort in Italien versetzt worden – drei seiner Kollegen hatten sich im Übrigen ebenfalls erfolglos bis zum BAG geklagt. Der Inhalt des Arbeitsvertrags, in dem ja ein anderes Gehalt vereinbart war, bleibe durch die Weisung unberührt, so das BAG. Dass der Pilot zudem seinen Anspruch auf das erheblich höhere tarifliche Entgelt verliert, liege an dem vereinbarten Geltungsbereich des Vergütungstarifvertrags, der auf die in Deutschland stationierten Piloten beschränkt sei. Zudem sehe der Tarifsozialplan vor, dass Piloten, die an einen ausländischen Stationierungsort verlegt werden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen, insbesondere den dortigen Tarifgehältern, weiterbeschäftigt werden. Es sei auch nicht unbillig, wenn die Fluggesellschaft mit der Versetzung verbundene sonstige Nachteile des Piloten, der seinen Wohnort Nürnberg nicht aufgeben will, finanziell nicht stärker ausgleiche, als es im Tarifsozialplan vorgesehen ist.