BFH: Finanzamt darf Kontoauszüge für Steuerprüfung fordern
Das Finanzamt darf für sämtliche Maßnahmen im Steuerverfahrensrecht personenbezogene Daten verarbeiten – die Erlaubnisnorm der AO ist DSGVO-konform.
Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) beschränkt zwar die Verarbeitung personenbezogener Daten. Doch das Finanzamt dürfe basierend auf § 29b der Abgabenordnung (AO) diese Daten für sämtliche das Steuerverfahrensrecht betreffende Maßnahmen verarbeiten, so der Bundesfinanzhof (BFH). Die Erlaubnisnorm aus dem Steuerrecht sei DSGVO- und grundrechtskonform (Urt. v. 05.09.2023, Az. IX R 32/21).
Geklagt hatte ein Anwalt, der verhindern wollte, dass das Finanzamt (FA) seine Kontoauszüge für eine Außenprüfung verarbeitet. Auf die Anordnung, diese herauszugeben, hatte er zunächst nicht reagiert. Doch letztlich hatte das FA die Unterlagen von der Bank des Klägers erhalten (unter Hinweis auf § 97 Abs. 1 Satz 1 und 3 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO). Das FA berief sich außerdem auf § 29b Abs. 1 AO, worin steht:
„Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine Finanzbehörde ist zulässig, wenn sie zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgabe oder in Ausübung öffentlicher Gewalt, die ihr übertragen wurde, erforderlich ist.“
Der Anwalt machte daraufhin sein Recht auf Löschung nach Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO (unrechtmäßige Verarbeitung) geltend, hilfsweise seinen Widerspruch nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO. Er war hierzu der Ansicht, weder § 97 AO noch § 29b Abs. 1 AO seien mit der DSGVO vereinbar; insbesondere würde § 29b AO nicht einmal die Unterlagen nennen, die dem FA vorzulegen seien.
BFH: § 29b AO erlaubt Datenverarbeitung für sämtliche Maßnahmen im Steuerverfahrensrecht
Der BFH lehnte jedoch Haupt- und Hilfsanspruch ab, weil die Daten rechtmäßig verarbeitet worden seien. Als generelle Erlaubnisnorm diene hier § 29b AO, der eine zulässige deutsche Erlaubnisnorm neben Art. 6 und 9 DSGVO sei. § 29b AO erlaube dem FA sogar die Verarbeitung personenbezogener Daten (unter den dort genannten Voraussetzungen) für sämtliche das Steuerverfahrensrecht betreffenden Maßnahmen. Es handele sich um die "Kopfnorm" des entsprechenden AO-Abschnitts, außerdem um einen abstrakten Erlaubnistatbestand für die Datenverarbeitung. Die Norm müsse nicht einzeln die Unterlagen nennen, die das FA fordern dürfe. Auch im konkreten Fall sei die Forderung der Kontoauszüge von § 29b AO gedeckt gewesen.
Nur eine kleine Einschränkung machte der BFH: So beschränke sich der Anwendungsbereich des § 29b AO auf solche Datenverarbeitungen, die bereits bei ihrer Einführung Gegenstand steuerverfahrensrechtlicher Verwaltungs- und Eingriffsbefugnisse waren. Die Vorschrift biete keine Grundlage für die Schaffung neuer Formen der Datenerhebung.
Begründung des BFH
Zur Begründung führte der BFH aus, § 29b AO genüge zunächst den Anforderungen von Art. 6 Abs. 3 DSGVO. Insbesondere sei die Verarbeitung personenbezogener Daten für die Erfüllung der legitimen (Kern-)Aufgabe der FA, Steuern gleichmäßig festzusetzen und zu erheben, erforderlich. Dabei sei es in Ordnung, dass die Norm nicht noch präziser gefasst sei, schließlich brauche die Verwaltung ein gewisses Maß an Flexibilität und Ermessen.
Auch mit dem besonderen Schutz sensibler Daten wie der politischen Meinung nach Art. 9 DSGVO sei § 29b AO vereinbar. Zwar erforderte Art. 9 DSGVO hier ein erhebliches öffentliches Interesse. Dieses liege bei Steuersachen aber vor, schließlich gehe es um die Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung.
§ 29b AO beschränke auch in zulässiger Weise das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie Art. 8 Abs. 1 und 2 Satz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
Schließlich ging auch das Vorbringen des Anwalts gegen die Herausgabeanordnung gegenüber der Bank nach § 97 Abs. 1 Satz 1 AO ging fehl. Aus § 29b AO leite sich auch die Befugnis ab, die erforderlichen Unterlagen ggf. von anderen Beteiligten herauszuverlangen, so der BFH.
Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) sei ebenfalls nicht notwendig gewesen. Durch die Rechtsprechung des EuGH seien die entscheidenden Rechtsfragen bereits geklärt. Vernünftige Zweifel an der Rechtmäßigkeit der deutschen Erlaubnisnorm für Steuersachen bestünden daher nicht.