BGH zur E-Signatur

Anwälte müssen kompletten Schriftsatz im beA überprüfen

Die Sekretärin versandte per beA nur Seite eins der Berufungsbegründung. Für den BGH Anwaltsverschulden, auch wenn die Anwältin zuvor geprüft hatte.

14.04.2022Rechtsprechung

Auch bei der Benutzung einer elektronischen Signatur müssen Anwältinnen und Anwälte selbst prüfen, ob das zu signierende fristwahrende elektronische Dokument richtig und vollständig ist. Das entschied der Bundesgerichtshof mit einem kürzlich veröffentlichten Beschluss (BGH, Beschl. v. 08.03.2022, Az. VI ZB 78/21). Diese Pflicht könnten Anwältinnen und Anwälte nicht auf das Büropersonal übertragen, ihre Verletzung muss die Mandantschaft sich bei einem Fristversäumnis zurechnen lassen.

Beim Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg war am letzten Tag einer Berufungsbegründungsfrist per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) ein Schriftsatz mit der Überschrift „Berufungsbegründung“ eingegangen. Diesen hatte die absendende Anwältin zwar qualifiziert signiert, er bestand aber lediglich aus einer Seite.  Erst einen Tag später - nach Ablauf der Frist – ging der vollständige, fünfseitige Schriftsatz beim OLG ein.

Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags trug der Mandant vor, dass die Anwältin bei der erstmaligen Überprüfung des elektronischen Dokuments einen Tippfehler auf Seite eins festgestellt hatte. Deren Sekretärin habe den Fehler daraufhin beseitigt und das Dokument zur finalen Signierung in das beA eingestellt. Hierbei habe es Probleme mit dem „Print-to-PDF“-Vorgang gegeben, wodurch nur Seite eins des Dokuments im beA erschien. Die Anwältin habe anschließend die Korrektur auf Seite eins überprüft und den Schriftsatz schließlich elektronisch signiert. Die sonst sehr erfahrene und stets zuverlässige Sekretärin habe dann wegen des Problems beim Print-to-PDF-Vorgang nur die Seite eins der Berufungsbegründung per beA an das OLG versendet. Die Anwältin, die davon habe ausgehen dürfen, dass nach der korrekten Änderung des Tippfehlers der Schriftsatz im Übrigen genau wie zuvor vollständig eingestellt worden sei, habe nicht schuldhaft gehandelt, er müsse sich mithin auch kein Verschulden zurechnen lassen.

BGH: Anwältin hätte nochmals das komplette Dokument kontrollieren müssen

Der BGH teilte diese Auffassung nicht. Der VI. Zivilsenat bejaht ein Verschulden der bevollmächtigten Anwältin. Schließlich sei es ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und beim Gericht zugeht.  Diese Aufgabe sei zwar auf das Büropersonal übertragbar, die Anwältin hätte aber den kompletten Schriftsatz und nicht lediglich dessen Seite eins nochmals kontrollieren müssen, bevor die Sekretärin diesen per beA versendete. 

Der BGH überträgt damit seine bisherige Rechtsprechung zur handschriftlichen Unterschrift auf die elektronische Signatur. Für diese könne nichts anderes gelten als das, was bei der handschriftlichen Unterzeichnung eines Schriftsatzes auch gelte. Unterzeichnet die Anwältin einen Schriftsatz, der ihr vorgelegt wird, ungeprüft, liege eine Blankounterschrift vor, die stets schuldhaft ist.

Das gilt laut dem BGH auch dann, wenn der Schriftsatz zum zweiten Mal vorgelegt wird und die Anwältin zuvor alles ordnungsgemäß kontrolliert hatte. Sie habe nicht bloß eine Einzelanweisung zu Änderungen an einem bereits unterzeichneten Schriftsatz erteilt, so der Senat. Der noch nicht unterzeichnete Schriftsatz sei vielmehr zum zweiten Mal komplett in ihren Einzugsbereich gelangt, also hätte sie ihn auch zum zweiten Mal auf Vollständigkeit kontrollieren müssen.

Indem sie das nicht getan und ihn trotzdem habe signieren lassen, habe sie eine neue Gefahr geschaffen, die im elektronischen Rechtsverkehr umso größer sei, weil nicht zum Beispiel bloß ein Blatt Papier ausgetauscht werden könne, sondern stets ein ganz neues elektronisches Dokument erzeugt werden müsse. Genau diese Gefahr habe sich schließlich auch realisiert.