Umlaute sind nicht verboten
Ein Dateiname enthielt 2019 ein „Ü“, obwohl die Justiz Umlaute damals nicht verarbeiten konnte. Der BGH bejaht auch in diesem Altfall den Zugang.
Einige in der Justiz verwandten Fachverfahren können Dokumente, die bestimmte Sonderzeichen im Dateinamen enthalten, nicht weiterverarbeiten. Das galt ursprünglich auch für Umlaute. Dieses Problem hat sich inzwischen durch technische Änderungen erledigt. Außerdem regelt die 2. ERVB 2022 nunmehr eindeutig, welche Zeichen in Dateinamen enthalten sein dürfen. Zur Absicherung der RAe lässt beA im Übrigen nur die dort genannten Zeichen in Dateinamen zu. Gleichwohl hatte der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich über einen Altfall zu entscheiden.
Wenn ein Anwalt oder eine Anwältin ein Dokument über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) versenden kann und dessen erfolgreiche Übermittlung bestätigt wird, obwohl der Dateiname Umlaute enthält, muss der Anwalt oder die Anwältin nicht damit rechnen, dass das Dokument intern in der Justiz nicht weitergeleitet oder verarbeitet werden kann: Es gilt als eingegangen, jedenfalls aber hätte der Versender eine Frist nicht schuldhaft versäumt (BGH, Beschl. v. 08.03.2022, Az. VI ZB 25/20).
Damit bleibt der Bundesgerichtshof dabei: Ein elektronisches Dokument kann auch dann im Sinne von § 130a Abs. 2 S. 1 Zivilprozessordnung für die Bearbeitung durch die Gerichte geeignet sein, wenn der Dateiname einen Umlaut enthält. Für allein maßgeblich erklären die Karlsruher Richterinnen und Richter die Regelungen, die der Verordnungsgeber auf der Grundlage von § 130a Abs. 2. S. 2 ZPO getroffen hat, hier § 2 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach. Diese sähen ein Verbot von Umlauten nicht vor, so dass allein die Benamung eines Dokuments mit Umlauten einen wirksamen Eingang bei Gericht nicht hindere, so der VI. Zivilsenat.
Das technische Problem der nicht verwendbaren Zeichen in Dateianhangsnamen betrifft ausschließlich Altfälle. Bereits seit 2021 können alle Buchstaben des deutschen Alphabetes inklusive der Umlaute Ä, ä, Ö, ö, Ü, ü sowie ß ebenso genutzt werden wie Ziffern und die Zeichen „Unterstrich“ und „Minus“, um die Dateianhänge im besonderen elektronischen Anwaltspostfach zu benennen (vgl. beA-Newsletter 2021, Ausgabe 5). Seitdem enthält das beA zudem eine Warnfunktion, die verhindert, dass Anhänge mit nicht zugelassenen Zeichen versendet werden. So wird verhindert, Zugangsprobleme bei der Justiz entstehen, obwohl die Nachricht im beA des Absenders im „Gesendet“-Ordner erscheint.
OLG verletzte Recht auf Rechtsschutz
Der Fall, der nun vor dem BGH landete, betrifft das Jahr 2019. Ein Anwalt, Prozessbevollmächtigter einer Klägerin, hatte im August 2019 die Berufung gegen ein Urteil eines Landgerichts per beA fristgerecht begründet. Eine der Anlagen war mit „Berufungsbegründung“ benannt, sie enthielt also den Umlaut „Ü“. Er erhielt ein Sendeprotokoll über die ordnungsgemäße Übermittlung. Das OLG wies ihn jedoch bald darauf hin, dass seine Berufungsbegründung nicht innerhalb der gesetzten Frist angekommen sei. Die Nachricht sei zwar eingegangen, Anlagen seien aber nicht beigefügt gewesen.
Ermittlungen der Fachgruppe Justiz ergaben kein klares Ergebnis, was nun mit dem Dokument geschehen war, eine angebliche Mail vom Tag des Fristablaufs an den Anwalt mit dem Inhalt, das Dokument sei nicht vollständig eingegangen und dieser solle es doch noch einmal oder auf anderem Wege ans Gericht versenden, erreichte diesen nach seinen Angaben nicht und wurde erst im Laufe des Wiedereinsetzungsverfahrens dem Berufungssenat vorgelegt. Diese Mail enthielt aber die Information, dass die von dem Anwalt übersandte elektronische Nachricht nicht von der virtuellen Poststelle habe abgeholt und damit auch nicht habe weitergeleitet werden können. Das könnte, so der Inhalt der Mail, daran liegen, dass sich in den Dateinamen Umlaute befänden
Das reicht dem BGH-Senat, um auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin die Entscheidung des OLG aufzuheben, das die Berufung als verfristet angesehen und den Wiedereinsetzungsantrag verworfen hatte. Das OLG habe die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung nicht genug geprüft, so der Senat und damit der Partei den Zugang zum Recht unzumutbar erschwert. Das OLG muss nun noch einmal prüfen.
BGH: Dokument gespeichert, Eingang wirksam – auch mit Umlaut
Das Dokument sei eingegangen, wenn es auf dem dafür eingerichteten Gerät des Gerichts gespeichert sei. Wie es dann intern technisch weitergeht und ob verschiedene Rechner innerhalb der Justiz darauf nicht zugreifen und dieses nicht weiterverarbeiten könnten, sei für eine Fristversäumnis nicht entscheidend, bestätigt der BGH seine bisherige Rechtsprechung.
Diese Möglichkeit habe das OLG offengelassen, obwohl vieles – insbesondere die Eingangsbestätigung“ und die Fehlermail vom selben Tag – dafür spreche, dass die beA-Nachricht keineswegs ohne Inhalt gewesen, sondern vielmehr vollständig beim OLG eingegangen sei und nur andere Rechner dort darauf nicht zugreifen konnten.
Eher vorsorglich gibt der BGH dem OLG für die weitere Prüfung noch einmal seine Rechtsprechung zu den Umlauten beim Versand übers beA mit: Wenn es am „Ü“ im Dateinamen „Berufungsbegründung“ gelegen haben sollte, stünde das einem wirksamen und damit fristgerechten Eingang des Dokuments nicht entgegen, weil Umlaute nicht verboten seien, so der Senat. Jedenfalls wäre dann aber ein Wiedereinsetzungsantrag begründet, weil der Anwalt, der problemlos versenden konnte und eine Empfangsbestätigung erhielt, nicht davon ausgehen musste, dass intern bei Gericht etwas schief geht.