BGH zur Strafschärfung

Tatumstände als Folge psychischer Störung?

Die exzessive Tatbegehung darf einem vermindert schuldfähigen Täter nicht zur Last gelegt werden, wenn sie nur Folge der psychischen Störung ist.

14.02.2023Rechtsprechung

Die Art der Tatausführung darf einem vermindert schuldfähigen Angeklagten nur dann strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie ihm auch vorwerfbar ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die Gründe, die zur verminderten Schuldfähigkeit führen, auch zu den Umständen der Tat geführt haben, so der Bundesgerichthof (BGH, Beschl. v. 29. September 2022, Az. 2 StR 173/22).

Im konkreten Fall hat das Landgericht (LG) Aachen einen Mann wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (Urt. v. 09.12.2021, Az. 52 Ks-401 Js 50/21-18/21). Das LG sah die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten, der an einer schizophrenen Psychose leidet, zur Tatzeit als erheblich eingeschränkt an. Es prüfte deshalb auch einen minder schweren Fall gemäß § 213 Strafgesetzbuch (StGB). Im Ergebnis wurde der Mann jedoch nach § 212 Abs. 1 StGB verurteilt, seine Strafe aber gemäß den §§ 49 Abs. 1, 21 StGB gemildert. 

Allerdings wertete das LG die Tatumstände wiederum als strafschärfend. Nach den Feststellungen des Gerichts tötete der Angeklagte das Opfer in dessen Wohnung durch zahlreiche Schläge, Tritte und Stiche unter Einsatz mehrerer Gegenstände. Das LG führte dazu aus, der Angeklagte habe „mit dolus directus ersten Grades“ gehandelt „und diesbezüglich durch die Verwendung einer Vielzahl von Tatwerkzeugen während der Tatbegehung eine besondere kriminelle Energie an den Tag gelegt“. 

BGH: Keine Strafschärfung, wenn Tatumstände auf geistig-seelischer Störung beruhen

Auf die Revision des Angeklagten hat der BGH das Urteil jedoch im Strafausspruch aufgehoben, weil dieser durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegne. Zwar sei auch ein erheblich vermindert schuldfähiger Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich. Daher sei es grundsätzlich möglich, ihm die Tatumstände strafschärfend zur Last zu legen. Dies sei jedoch nur nach dem Maß der geminderten Schuld möglich.

In einem solchen Fall müsse das Urteil erkennen lassen, dass sich das Gericht dieser Problematik bewusst war und ihr Rechnung getragen hat. Daran fehle es hier. Das Gericht habe hier nicht ausreichend geprüft, ob die Art der Tatausführung gerade die Folge der von ihm nicht zu vertretenen geistig-seelischen Beeinträchtigung sei. Es sei nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass die Strafkammer der konkreten Ausgestaltung der Tat zum Nachteil des Angeklagten ein zu großes Gewicht beigemessen habe.

Die Sache wird nun zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.