BGH zur Strafzumessung

Gerichte müssen Sicherungsverwahrung nicht erörtern

Eine neben Strafen angeordnete Sicherungsverwahrung sei kein bestimmender Strafzumessungsumstand. Der 4. Strafsenat stellt sich gegen andere Senate.

15.08.2022Rechtsprechung

Bei der Überprüfung des Schuldspruchs eines Beschuldigten, der wegen mehrerer Delikte zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden war, konnte der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem vor kurzem veröffentlichten Beschluss keinen Fehler feststellen.

Dass das urteilende Landgericht (LG) gleichzeitig die Unterbringung des Beschuldigten in der Sicherungsverwahrung angeordnet habe, ohne das bei der Strafzumessung zu erörtern, hält der Senat für nicht zu beanstanden: Eine gleichzeitig mit einer Freiheitsstrafe verhängte Sicherungsverwahrung sei kein bestimmender Strafzumessungsumstand, den das Tatgericht nach § 46 Abs. 2 S. 2 Strafgesetzbuch (StGB) bei der Strafzumessung berücksichtigen müsste (BGH, Beschl. v. 04.05.2022, 4 StR 99/22).

Der Senat stellt sich damit ausdrücklich gegen die Rechtsprechung des 1. und 2. Strafsenats. Diese beiden Senate gehen davon aus, dass zu den Wirkungen der Strafe auf das künftige Leben des Angeklagten, die das Tatgericht prüfen muss, auch die Wechselwirkung zwischen der verhängten Strafe und einer angeordneten Maßregel der Besserung und Sicherung gehört. Deshalb muss eine zugleich angeordnete Sicherungsverwahrung nach Ansicht dieser beiden Senate stets ausdrücklich erörtert werden.

Der 4. Senat sieht das anders. Er stellt auf die andere Rechtsnatur des präventiven Freiheitsentzugs in der Sicherungsverwahrung ab, der mit dem Schuldgrundsatz nichts zu tun habe, sondern die Allgemeinheit vor künftigen Straftaten eines als gefährlich erachteten Täters schützen solle. Weil Strafe und Maßregel gerade nicht voneinander abhingen, könne es auch keine Wechselwirkung und müsse damit auch keine Erörterung geben. Dabei stützt der 4. Senat sich u.a. auch auf aktuelle Rechtsprechung des 3. Strafsenats.

Eine Vorlage an den 1. und 2. Senat mit der Frage, ob diese am Erörterungserfordernis festhalten, hält der 4. Senat dennoch für entbehrlich: Selbst wenn er wie diese Senate eine Erörterung verlangt hätte, wäre doch auszuschließen, dass das LG zu einem milderen Ergebnis gekommen wäre, so die Karlsruher Richterinnen und Richter.