Amtsgerichte sollen bis 8.000 € zuständig sein
Das BMJ will den Zuständigkeitsstreitwert für Amtsgerichte auf 8.000 € erhöhen und neue Spezialzuständigkeiten für Amts- und Landgerichte schaffen.
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP) möchte den Zuständigkeitsstreitwert der Amtsgerichte von bisher 5.000 Euro auf 8.000 Euro anheben. Daneben will er weitere streitwertunabhängige Zuständigkeiten der Amts- und Landgerichte schaffen: Amtsgerichte sollen etwa für alle Nachbarschaftsstreitigkeiten zuständig werden. Einen entsprechenden Referentenentwurf hat das Bundesministerium der Justiz (BMJ) am 6. März 2024 veröffentlicht. Der Gesetzentwurf soll die Amtsgerichte stärken, die Verfahren sinnvoller verteilen und die Spezialisierung in der Justiz ausbauen.
Anhebung des Zuständigkeitsstreitwerts für die Amtsgerichte
Der Zuständigkeitsstreitwert für die Amtsgerichte in § 23 Nr. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) soll auf 8.000 Euro angehoben werden. Die letzte Anhebung der Streitwertgrenze liegt über 30 Jahre zurück. Mit der Anhebung will das BMJ die seitdem eingetretene Geldwertentwicklung berücksichtigen. Außerdem sei die Zahl der Zivilverfahren bei den Amtsgerichten in den letzten Jahrzehnten immer weiter zurückgegangen. „Insbesondere für kleinere Amtsgerichtsstandorte folgt daraus die Gefahr, dass sie ganz geschlossen werden müssen,“ so Buschmann. Dabei leisteten insbesondere Amtsgerichte als Eingangsinstanz einen wichtigen Beitrag zur Bürgernähe der Justiz. Denn durch ihre Verteilung in der Fläche werde den Bürgerinnen und Bürgern ein ortsnaher Rechtsschutz und ein leichter Zugang zur Justiz gewährleistet. Durch diese Anhebung werde sich die Anzahl der erstinstanzlich vor dem Amtsgericht zu verhandelnden zivilrechtlichen Verfahren wieder erhöhen.
Nach § 78 Zivilprozessordnung (ZPO) besteht in Verfahren vor dem Amtsgericht kein Anwaltszwang. Bürgerinnen und Bürger könnten sich damit in Verfahren bis zu dieser Streitwertgrenze selbst vertreten. Dies ist so gewollt, der Entwurf will hier Bürgerinnen und Bürger von Anwaltskosten in Höhe von geschätzten 5,5 Millionen Euro jährlich (5.000 Fälle x 2.200 Euro) entlasten. Dieselbe Summe soll auch der Wirtschaft zugutekommen, denen etwa 50 Prozent der Verfahren zugeordnet werden könnten. Durch die größere Ortsnähe sollen Bürgerinnen und Bürger außerdem Zeit sparen – etwa 6.300 Stunden „Wegezeit“.
Neue streitwertunabhängige Zuständigkeiten
Daneben sollen weitere streitwertunabhängige Zuständigkeiten der Amts- und Landgerichte geschaffen werden. Als Beispiele benennt das BMJ Streitigkeiten aus dem Bereich des Nachbarrechts, die wegen der Ortsnähe ausnahmslos den Amtsgerichten zugewiesen werden sollen. Streitigkeiten aus dem Bereich der Vergabesachen, der Heilbehandlungen sowie der Veröffentlichungsstreitigkeiten sollen hingegen stets den Landgerichten zugewiesen werden. Zivilrechtliche Streitigkeiten würden in diesen Rechtsgebieten zunehmend komplexer, so das BMJ. Mit speziellen Zuständigkeiten könne man eine weitergehende Spezialisierung der Justiz erreichen und so die Verfahren effizienter gestalten.
Durch die beiden Änderungen bei der Zuständigkeit würden die Verfahrenseingänge bei den Amtsgerichten bundesweit jährlich um rund 44.000 Fälle zunehmen, rechnet das BMJ im Gesetzentwurf vor. Bei den Landgerichten würden hingegen bundesweit jährlich rund 38.000, bei den Oberlandesgerichten jährlich rund 10.000 Verfahren weniger eingehen. Die Diskrepanz der Zahlen käme laut BMJ daher, dass durch einen Zuwachs erstinstanzlicher Fälle an den Amtsgerichten voraussichtlich auch die Zahl der Berufungseingänge und Beschwerdevorlagen an den Landgerichten steigen wird. Dadurch werde sich auch der Personalbedarf ändern – wie genau, müsse aber noch ermittelt werden.
Stellungnahme der BRAK und weiteres Verfahren
Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) lehnt das Vorhaben zwar nicht grundsätzlich ab, hat jedoch in der Vergangenheit, anlässlich eines vorangehenden Vorschlags der Justizministerkonferenz, auch Kritik geäußert. In einer Stellungnahme warnte die BRAK vor einer Überlastung der Amtsgerichte. Umgekehrt seien bereits jetzt manche Landgerichte nicht voll ausgelastet. Man müsse daher das gesamte Bundesgebiet differenziert betrachten, insbesondere im Hinblick auf strukturschwächere Regionen. Die Umverlagerung von Verfahren auf die Amtsgerichte hätte auch Folgen für die richterliche Rechtsfortbildung durch die Oberlandesgerichte, bei denen ebenfalls rund 20 % der Fälle wegbrächen. Die Einrichtung von streitwertunabhängigen Spezialzuständigkeiten begrüßt die BRAK im Grundsatz, warnt jedoch vor einer Zersplitterung gerichtlicher Zuständigkeiten.
Die Verschiebung der Zuständigkeiten würde zudem auch für die Anwaltschaft zu einem spürbaren Verlust an Verfahren führen, was für viele zu wirtschaftlichen Problemen führen könnte. Auf der anderen Seite bestehe für Bürgerinnen und Bürger ein finanzielles Risiko, bei Streitwerten bis zu 8.000 Euro keine anwaltliche Vertretung zu haben. Daher sollte man den bisherigen Wert für den sog. Postulationszwang, also den Wert, ab dem man sich vor Gericht anwaltlich vertreten lassen muss, beibehalten.
Der Entwurf wurde am 6. März 2024 an Länder und Verbände verschickt und auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 17. April 2024 Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen der Verbände werden auf der Internetseite des BMJ veröffentlicht werden.
Weiterführende Links:
Referentenentwurf des BMJ
Schreiben von BRAK-Vizepräsident Then v. 27.07.2023 (PDF, nicht barrierefrei)
Beschluss der Frühjahrs-Justizministerkonferenz 2023 (PDF)
Nachrichten aus Berlin 1/2023 v. 11.01.2023
Stellungnahme der BRAK 47/2022