Stellungnahme der BRAK 17/2023

BRAK fordert schlüssiges Gesamtkonzept für Massenverfahren in der Ziviljustiz

Die BRAK hat eine Stellungnahme zum Thema „Massenverfahren in der Ziviljustiz – Gesetzgeberische Maßnahmen zur Entlastung und Verfahrensbeschleunigung“ veröffentlicht, in der sie deutliche Fragen aufwirft und Kritik äußert – insbesondere an den geplanten Erleichterungen zum Ausschluss der Öffentlichkeit und der Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne Zustimmung der Parteien.

 

23.03.2023 | Die Belastung der Ziviljustiz bzw. einzelner Gerichte durch sogenannte Massenverfahren hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Ein Beispiel hierfür sind die Dieselverfahren, die bundesweit die Gerichte vor große Herausforderungen stellen. Jedes Verfahren muss jeweils genauestens gerichtlich geprüft, verhandelt und entschieden werden. Vielfach haben die Richterinnen und Richter daher Entlastung gefordert. Insgesamt ist sich die BRAK durchaus der Tatsache bewusst, dass einzelne Gerichte durch Massenverfahren stark in Anspruch genommen werden. Dies ist allerdings weder durch die Anwaltschaft verursacht und noch darf es zum Anlass genommen werden, prozessuale Grundsätze zu verkürzen oder zu „verwässern“.

Die BRAK weist daher auf folgende Punkte hin:

  • Erforderlich ist ein schlüssiges Gesamtkonzept, wie das Phänomen Massenschäden und die daraus folgenden Klagen von der Justiz in einem praktikablen aber gleichzeitig auch rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Verfahren bewältigt werden kann. Inzwischen ist dieses Thema seit Jahren Gegenstand der (wissenschaftlichen) Diskussion und auch bereits mehrerer Regelungsversuche.
  • In diesem Zusammenhang müssen entsprechende Daten erhoben und erforderliche Statistiken (Wie viele Massenverfahren gibt es? Bei welchen Gerichten gehen diese ein? Wie viele werden durch Klage- oder Berufungsrücknahme erledigt und wie viele durch Versäumnis-, Anerkenntnis- und/oder Endurteil entschieden?) veröffentlicht und vorgelegt werden. Zudem stellt sich die Frage, wie die Untersuchung zum Rückgang der Eingangszahlen bei den Zivilgerichten mit einer Überlastungssituation zusammenpasst.
  • Vorabentscheidungsverfahren beim Revisionsgericht und Aussetzungsmöglichkeit für Folgeverfahren sind zu befürworten.
  • Die Möglichkeit, in Massenverfahren auch ohne Zustimmung der Parteien im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, ist abzulehnen. Ebenso eine Konzentration der Beweisaufnahme.
  • Rechtsstaatlich höchst bedenklich ist ein leichterer Ausschluss der Öffentlichkeit zur schnelleren Bearbeitung von Massenverfahren. Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist eine fest verankerte Prozessmaxime, Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 14 Abs. 1 S. 2 IPbpR.
  • Die Einführung des elektronischen Basisdokuments im Rahmen eines strukturierten Parteivortrags wird von der BRAK abgelehnt. Gleichermaßen eine Beschränkung des Umfangs und/oder der Anzahl der Schriftsätze.