Ampel ändert Cannabisgesetz und verschiebt Starttermin
Konsumverbot nur in Sichtweite von Schulen, größere Mengen erlaubt, aber auch Strafverschärfungen – das wurde am Cannabisgesetz noch geändert.
Die Fraktionen der Bundesregierung haben das geplante Cannabisgesetz, das eigentlich zum Jahreswechsel in Kraft treten sollte, erneut geändert und den Termin des Inkrafttretens gestaffelt auf den 1. April bzw. 1. Juli 2024 verschoben. Hintergrund waren zum einen Forderungen von Grünen und FDP nach Erleichterung für die Konsumentinnen und Konsumenten, zum anderen Forderungen des Bundesrates nach Verschärfungen an anderen Stellen: Beiden kommen die neuen Pläne entgegen. Die neuen Formulierungsvorschläge sollen als nächstes im Gesundheitsausschuss beraten werden, bevor das geänderte Gesetz im Dezember verabschiedet werden soll.
Lockerungen
Folgende Lockerungen am ursprünglichen Regierungsentwurf wurden vorgenommen:
- Konsumverbotszonen verkleinert und Mindestabstände gestrichen (Nr. 16 des Formulierungsvorschlags):
Laut Regierungsentwurf musste beim Konsum bislang ein Mindestabstand von 200 Metern zu den genannten Orten eingehalten werden. Nach der Änderung soll der Konsum nur noch in Sichtweite der Einrichtungen untersagt werden. Als Faustregel wird genannt, dass eine Sichtweite ab 100 Metern nicht mehr gegeben ist. So werde noch immer der Schutz von Kindern und Jugendlichen gewährleistet – gleichzeitig werde aber auch der Kontrollaufwand für die Polizei verringert. Es werden zudem keine festen Abstände mehr zwischen den Clubs vorgeschrieben. So sollen Clubs auch in Ballungsräumen die Chance haben, sich zu gründen. - Mengen für den Eigenbesitz bei Selbstanbau erhöht (Nr. 15):
Erwachsenen sollte es nach der alten Fassung künftig gestattet sein, bis zu 25 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum zu besitzen. Darüber hinaus soll allerdings auch der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabispflanzen zum Zwecke des Eigenkonsums ermöglicht werden. Das Problem daran war: Aus drei Pflanzen lässt sich oft wesentlich mehr Cannabis gewinnen. Deshalb wurde nun die erlaubte Menge aus dem Eigenanbau auf 50 Gramm erhöht. Zudem wird klargestellt, dass die Grenze sich auf die getrocknete Menge bezieht. - Strafandrohung bei geringem Überschreiten gelockert (Nr. 15):
Wer künftig die erlaubten Mengen nur geringfügig (bis zu 30 Gramm im öffentlichen Raum und bis zu 60 Gramm in der Wohnung) überschreitet, soll künftig nicht mehr strafbar machen, sondern nur noch eine Ordnungswidrigkeit begehen. Zudem wurde die Maximalhöhe des oberen Bußgeldrahmens von 100.000 auf 30.000 Euro gesenkt und die Maximalhöhe des unteren Bußgeldrahmens von 30.000 Euro auf 10.000 Euro. Dies solle dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragen. In Anlehnung an § 31a BtMG soll außerdem im Rahmen des Konsumcannabisgesetzes ein Absehen von der Strafverfolgung möglich sein, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen ist, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und das Cannabis lediglich zum Eigenverbrauch in geringen Mengen gedacht ist (Nr. 2). - Gebot der nachbarschaftlichen Rücksichtnahme (Nr. 19):
Ein bislang speziell geregeltes Gebot der nachbarschaftlichen Rücksichtnahme soll aufgehoben werden. Es soll bei den bereits bestehenden allgemeinen Rücksichtnahmegeboten in §§ 906, 1004 BGB normierten Geboten bleiben.
Verschärfungen
Folgende Verschärfungen im Vergleich zum ursprünglichen Regierungsentwurf wurden vorgenommen:
- Erhöhung des Strafrahmens beim Dealen an Minderjährige (Nr. 2 und Nr. 27):
Künftig soll das Dealen an Minderjährige härter bestraft werden. Die Mindeststrafe für eine gewerbsmäßige Abgabe von Cannabis an Minderjährige wurde heraufgesetzt von einem Jahr auf zwei Jahre. Wer über 21 Jahre alt ist und Minderjährige zu Anbau, Erwerb oder Sich-Verschaffen von Cannabis anstiftet bzw. zu Beihilfe dieser Taten anstiftet, der muss künftig mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren rechnen. Gleiches gilt, wer Minderjährige dazu bestimmt, bestimmte Straftaten zu begehen. Außerdem wird ein neuer Tatbestand im Betäubungsmittelgesetz (BtMG, § 30 Abs. 1 Nr. 5) eingeführt, der den Strafrahmen für die Abgabe, das Verabreichen und das Überlassen von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch durch Erwachsene über 21 Jahren an Minderjährige von einem Jahr auf zwei Jahre Mindeststrafandrohung erhöht. Zur Erfüllung des Tatbestandes muss der Täter vorsätzlich handeln und so wenigstens leichtfertig ein Kind oder eine jugendliche Person in der körperlichen, geistigen oder sittlichen Entwicklung schwer gefährden. - Mehr Ermittlungsbefugnisse in §§ 100a ff. StPO (Nr. 13):
Bei schweren cannabisbezogenen Straftaten sollen verdeckte Ermittlungsmaßnahmen wie Telekommunikationsüberwachung oder Online-Durchsuchungen weiterhin möglich sein. Zudem soll es erlaubt sein, Räume auch zur Nachtzeit zu durchsuchen, wenn typische Merkmale der organisierten Kriminalität im Zusammenhang mit Cannabis vorliegen. Für schwere Cannabisdelikte, die der organisierten Kriminalität zuzuordnen sind oder den Jugendschutz konterkatieren, soll die Anordnung von Untersuchungshaft aufgrund des Haftgrunds der Wiederholungsgefahr ermöglicht werden. - Keine Abgabe an ausländische Studierende (Nr. 1):
Das Gesetz präzisiert auch, dass die Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigung einen Aufenthalt von mindestens sechs Monaten in Deutschland voraussetzt. Dies berücksichtigt unter anderem einen Antrag Frankreichs: Es soll verhindert werden, dass Studierende, die nur vorübergehend einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, Mitglieder einer Anbauvereinigung werden und somit Cannabis konsumieren dürfen.
Cannabis im Straßenverkehr
Auch das Thema „Cannabis im Straßenverkehr“ wurde endlich angegangen – jedenfalls teilweise. In Punkt 26 des Papiers steht, es solle eine weitestgehende Angleichung der Reglungen zum Fahren unter Cannabiseinfluss an die Regelungen zum Fahren unter Alkoholeinfluss geschehen.
Die entscheidende Vorgabe eines künftig höheren THC-Maximalwertes im Straßenverkehr erwartet die Ampel bis zum 31. März 2024 vom Bundesverkehrsministerium. Dann kann passend zum Inkrafttreten der Entkriminalisierungsvorschriften auch der neue Grenzwert in Gesetzesform gegossen werden (Punkt 29 des Papiers).
Bereits jetzt soll durch eine Veränderung der Fahrerlaubnisverordnung verhindert werden, dass schon der gelegentliche Konsum von Cannabis zur Anordnung einer MPU führen kann. So soll sichergestellt werden, dass die begrenzte Zulassung des Besitzes und des Konsums von Cannabis nicht dazu führt, dass beispielsweise jedes Mitglied einer Anbauvereinigung Gefahr läuft, einem Fahreignungsgutachten unterzogen zu werden. So würde für Menschen mit Führerschein der Anreiz für die Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigung gemindert.
Inkrafttreten und weitere Pläne
Das Gesetz soll in der Sitzungswoche Mitte Dezember im federführenden Gesundheitsausschuss beraten werden. Der Bundestag soll es dann zwischen dem 13. und 15. Dezember 2023 beschließen.
Die Ampel plant ein gestuftes Inkrafttreten (Nr. 25):
Am 1. April 2024 sollen bereits die Regelungen zum privaten Eigenanbau und zulässigen Besitzmengen sowie die Entkriminalisierungen gelten. Die Bestimmungen den neuen Anbauvereinigungen sollen hingegen erst ab dem 1. Juli 2024 in Kraft treten. So soll den Ländern ermöglicht werden, für die zuständigen Behörden Regelungen für beispielsweise das Erlaubnisverfahren und die behördliche Überwachung von Anbauvereinigungen festzulegen und auch dementsprechende Schulungsmaßnahmen für eben diese Behörden durchzuführen. Diese Verzögerung wurde insbesondere vom Bundesrat gefordert.
Das „Säule-2-Gesetz" ist für nach der Sommerpause angekündigt. Dieses Gesetz soll regionale Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten vorsehen. Es wird voraussichtlich der EU-Kommission zur Prüfung vorgelegt werden müssen. Konkrete Pläne bzw. Eckpunkte hierfür gibt es allerdings noch nicht.
Weiterführende Links:
Bundestag debattiert hitzig, Bundesregierung antwortet Bundesrat, Artikel v. 20.10.2023
Der Bundesrat wird die Legalisierung nicht aufhalten, Artikel v. 05.10.2023
Kiffen für alle? Social Club statt Kotti, (R)ECHT INTERESSANT! Podcastfolge v. 26.05.2023
Regierungsentwurf verabschiedet: Das steht drin, Artikel v. 17.08.2023
Lass Gras drüber wachsen – Die Cannabiskanzlei, (R)ECHT INTERESSANT! Podcastfolge v. 06.05.2022