EuGH zum Familiennachzug

Zeitpunkt der Antragstellung zählt für Flüchtlingsalter

Für die Zusammenführung mit seinen Eltern reicht es, wenn ein unbegleiteter Geflüchteter minderjährig war, als er den Antrag stellte.

02.08.2022Rechtsprechung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass es gegen Unionsrecht verstößt, dass die deutschen Asylbehörden unbegleiteten Flüchtlingen den Familiennachzug verwehrten, wenn der oder die unbegleitete Minderjährige während des Verfahrens 18 Jahre alt wurde (EuGH, Urt. v. 01.08.2022, Az C-273/20 und C-355/20). 

Auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Behörde des Mitgliedstaats über den Antrag entscheidet, lehnt der EuGH mit deutlichen Worten ab: Dann hätten die nationalen Behörden keinen Grund, die Anträge der Eltern Minderjähriger mit der gebotenen Dringlichkeit zu bearbeiten. Außerdem könnten Gleichbehandlung und Rechtssicherheit nicht hergestellt werden, wenn es in der Sphäre der Behörden läge, über den Erfolg eines Antrags auf Familiennachzug bloß durchs Verzögern zu entscheiden.

Die Richter in Luxemburg stellen klar, dass das auch für den umgekehrten Fall gilt, in dem ein anerkannter Geflüchteter oder eine Geflüchtete ihr minderjähriges Kind nachholen möchte. Auch dann komme es auf den Zeitpunkt an, zu dem das Elternteil seinen Asylantrag gestellt hat. Allerdings müsse dieser Antrag binnen drei Monaten nach Anerkennung des Elternteils gestellt werden, so der EuGH.

Tatsächliche familiäre Bindungen, die es für die Begründetheit eines solchen Antrags braucht, resultierten allerdings nicht schon allein aus dem Eltern-Kind-Verhältnis. Auf der anderen Seite verlangt der EuGH aber auch nicht, dass die Familienangehörigen im selben Haushalt oder unter einem Dach wohnen, damit es einen Anspruch auf Familienzusammenführung geben kann.