Nach VW-Strategiewechsel auch bei Audi nichts mehr sittenwidrig
Auf den Anspruch aus § 826 BGB können sich auch Audi-Käufer nicht berufen, die ihren Diesel erworben haben, nachdem VW die Manipulation öffentlich zugegeben hatte.
In einem weiteren Urteil zum Dieselskandal hat sich der Bundesgerichthof (BGH) nun wieder auf voller Linie zugunsten des VW-Konzerns entschieden und Ansprüche von Käufern eingeschränkt (Urt. v. 13.02.2022, Az. III ZR 2056/20).
Der Kläger hatte seinen gebrauchten Diesel-Audi erst erworben, nachdem der Mutterkonzern VW in der Öffentlichkeit zugegeben hatte, den auch darin eingebauten Motor EA 189 manipuliert zu haben. Wegen des geänderten Verhaltens in der Öffentlichkeit könne der Käufer sich nun nicht mehr darauf berufen, VW habe ihn sittenwidrig i.S.d. § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) getäuscht, so der III. Zivilsenat.
Dabei sei es unerheblich, dass er keinen VW, sondern ein Auto der Tochtermarke Audi erworben hatte. Denn in der Ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015 hatte VW der Öffentlichkeit explizit mitgeteilt, dass auch andere Automarken als nur VW betroffen seien.
Auch der Einsatz eines sog. Thermofensters rechtfertige nicht den Vorwurf der sittenwidrigen Täuschung, urteilten die Karlsruher Richter. Dies gelte unabhängig davon, ob dieses nun bereits von Anfang an eingebaut gewesen oder erst mit einem nachträglichen Software-Update implementiert worden sei. Denn selbst wenn dieses Thermofenster rechtswidrig sei, könne man nicht davon ausgehen, dass die Verantwortlichen diese Illegalität bewusst in Kauf genommen hätten.
Keine sittenwidrige Täuschung mehr nach Mitteilung der Öffentlichkeit
Der Kläger in diesem Verfahren hatte seinen gebrauchten Audi A4 2.0 TDI mit eingebautem Dieselmotor des Typs EA 189 am 17. November 2015 gekauft. Zuvor hatte die Muttergesellschaft VW am 22. September 2015 in einer Ad-hoc-Mitteilung öffentlich den Einbau illegaler Abschalteinrichtungen in besagtem Motor zugegeben. Ziel der Manipulation war es, die Autos auf dem Prüfstand sauberer scheinen zu lassen als sie im Straßenverkehr tatsächlich sind und damit ihre Legalität vorzutäuschen.
Der BGH hatte hierzu in einem Grundsatzurteil entschieden, dass der Konzern die Käufer damit vorsätzlich und sittenwidrig getäuscht hat und daher grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB besteht (Urt. v. 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19).
Diesen grenzt der BGH mittlerweile allerdings auf die Käufer ein, die ihr Auto erworben haben, bevor VW die Manipulation öffentlich gemacht hat. Mit dieser Zäsur habe VW sein „Verhalten nach außen erkennbar im Sinne eines grundlegenden Strategiewechsels maßgeblich geändert“. Dadurch seien wesentliche Elemente, die das bisherige Verhalten gegenüber den zuvor betroffenen Fahrzeugkäufern als besonders verwerflich erscheinen ließen, relativiert worden. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber späteren Käufern sei damit nicht mehr gerechtfertigt, so die Karlsruher Richter.
Jetzt stellte der BGH klar, dass dies für alle Tochtermarken von VW gilt – letztlich also nicht nur Audi, sondern auch etwa Škoda und Seat sowie Porsche. Die „Verhaltensänderung“ habe sich nicht auf die Kernmarke Volkswagen beschränkt. Bereits in der Ad-hoc-Mitteilung sei darauf hingewiesen worden, dass die Manipulationssoftware auch in anderen Dieselfahrzeugen des Volkswagenkonzerns vorhanden sei und der Motor EA 189 Auffälligkeiten aufweise. Dabei sei keine Einschränkung auf eine bestimmte Marke des Konzerns vorgenommen worden.
Auch Thermofenster rechtfertigen nicht den Vorwurf der Sittenwidrigkeit
Darüber hinaus hatte der Kläger argumentiert, mit dem Software-Update, welches die ursprüngliche Manipulation beheben sollte, sei in seinen Motor ein sog. Thermofenster integriert worden, welches in einem Temperaturbereich von unter 15 und über 33 Grad in einen „schmutzigeren“ Fahrbetrieb schaltet. Zumindest dies rechtfertige dennoch den Vorwurf der Sittenwidrigkeit. Die Verwerflichkeit des Verhaltens von VW habe sich hierdurch lediglich in veränderter Form fortgesetzt.
Doch auch dieser Argumentation erteilte der BGH eine Absage. Selbst wenn man unterstellte, auch bei dem Thermofenster handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung, würde der darin liegende Gesetzesverstoß nach Ansicht des Senats nicht ausreichen, um das Gesamtverhalten von VW als sittenwidrig zu qualifizieren. Der Kläger habe keine Anhaltspunkte dafür vorbringen können, dass die Verantwortlichen von VW um die Illegalität dieser Einrichtung gewusst und diese gebilligt hätten. Eine möglicherweise fahrlässige Verkennung der Rechtslage genüge für die Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit nicht. Dies gelte im Übrigen unabhängig davon, ob dieses Thermofenster bereits von Anfang an in dem Motor integriert war oder erst durch das nachträglich aufgespielte Software-Update integriert wurde.
Das Urteil des BGH ergänzt eine Reihe weiterer Verfahren, in denen der BGH nun die Rechtslage rund um den Dieselskandal möglichst abschließend klären will. Es wird erneut Auswirkungen auf zahlreiche noch offene Gerichtsverfahren von VW-, Audi-, Škoda- und Seat-Käufern haben. Insbesondere solche, die ihre Autos erst nach dem 22. September 2015 gekauft haben, werden nun wohl leer ausgehen.