Ex-Mandant kann Akte trotz Verjährung von Anwalt fordern
Der nationale Auskunftsanspruch war bereits verjährt – doch dank Artikel 15 DSGVO habe ein Ex-Mandant noch Anspruch auf die Anwaltsakten, so das LG Bonn.
Das Landgericht (LG) Bonn hat einem ehemaligen Mandanten über den Auskunftsanspruch aus Art. 15 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auch nach Verjährung des nationalen Auskunftsanspruchs die Kopie der Handakte zugesprochen (Urt. v. 19.12.2023, Az. 5 S 34/23).
Der Ex-Mandant wollte von seinem früheren Anwalt Honorare teilweise zurückfordern. Hierfür benötigte er jedoch Einsicht in seine Akte und verlangte zunächst vor dem Amtsgericht (AG) Bonn aus dem Dienstvertrag in Verbindung mit den §§ 675, 666, 667 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Auskunft hinsichtlich des Honorar-, des Gebühren- und des Sachstands seiner Verfahren. Das AG wies den Anspruch jedoch wegen Verjährung ab, weil das Mandatsverhältnis bereits 2018 geendet habe. In der zweiten Instanz rügte der Kläger, dass das AG sich nicht über den nationalen Auskunftsanspruch hinaus noch mit einer möglichen Anspruchsgrundlage nach Art. 15 Abs. 1, 3 DSGVO auseinandergesetzt habe.
Das LG Bonn hielt diese Klageerweiterung entgegen der Ansicht des Beklagten für zulässig, da sie sachdienlich im Sinne des § 533 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sei. Hierfür reiche es, dass bei objektiver Betrachtung der Streit zwischen den Parteien endgültig erledigt und einem weiteren Prozess vorgebeugt werde.
Zwar sei der Anspruch aus dem BGB tatsächlich bereits verjährt. Denn die dreijährige Verjährungsfrist beginne bereits mit der Beendigung des erteilten Auftrages und nicht erst mit der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs. Diese Auffassung werde auch durch das Urteil des BGH vom 15.10.2020 (Az. IX ZR 243/19) gestützt, wonach der Herausgabeanspruch aus § 667 BGB unabhängig davon bestehe und verjähre, ob den Rechtsanwalt eine Aufbewahrungspflicht nach § 50 Abs. 2 S. 3 BRAO treffe.
Der Anspruch aus Art. 15 DSGVO bestehe allerdings. Dabei nahmen die Richterinnen und Richter des LG Bonn Bezug auf ein kürzlich ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, v. 26.10.2023, Rs. C-307/22), wonach Art. 15 DSGVO das Recht auf eine vollständige Kopie einer Akte gebe. Die Wertungen aus diesem Urteil, in dem es um eine Patientenakte eines Arztes ging, seien auf den vorliegenden Fall übertragbar, so das LG Bonn.
Der Anspruch sei auch nicht verjährt. Warum dies so sei, begründete das LG Bonn allerdings nicht. Tatsächlich ist diese Rechtsfrage aber nicht ganz so eindeutig. Die DSGVO enthält – ebenso wie das ergänzende deutsche Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) - keine eigenen Verjährungsvorschriften. Lediglich für Bußgelder verweist § 41 Abs. 2 BDSG auf das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) und die dort geregelte Verfolgungsverjährung, das gilt aber nicht für den Auskunftsanspruch. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hatte zuletzt eine mögliche Verjährung ins Spiel gebracht, indem es eine Parallele zum Auskunftsanspruch aus § 242 BGB zieht (Urt. v. 14.12.2022, Az. 8 U 165/22). Dieser solle laut BGH unabhängig nach der allgemeinen Frist des § 195 BGB verjähren (vgl. BGH, Urt. v. 03.09.2020, Az. III ZR 136/18; Urt. v. 25.07.2017, Az. VI ZR 222/16). Die entscheidende Rechtsfrage konnte das OLG Celle aber offenlassen.
Die Revision wurde nicht zugelassen.