Rechtsprechungsänderung

Hemmung der Verjährung in selbstständigem Beweisverfahren

Werden in einem selbstständigen Beweisverfahren mehrere Mängel behandelt, endet die Verjährungshemmung einheitlich mit dessen Abschluss, so der BGH.

16.08.2023Rechtsprechung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat seine seit 1992 geltende Rechtsprechung zur Verjährungshemmung im selbstständigen Beweisverfahren geändert.

Werden mehrere Mängel in einem einheitlichen Beweisverfahren anhängig gemacht, richtet sich das Ende der Verjährungshemmung nunmehr für alle geltend gemachten Mängel nach dem Abschluss des gesamten selbständigen Beweisverfahrens. Dies gelte laut BGH unabhängig davon, ob die Mängel einen Zusammenhang hätten und ob die durch Begutachtung durch einen oder mehrere Sachverständige erfolge (Urt. v. 22.06.2023, Az. VII ZR 881/21).

Früher war der BGH der Ansicht gewesen, dass die Verjährungshemmung hinsichtlich mehrerer Mängel selbständig mit ihrer jeweiligen sachlichen Erledigung ende. Mit der Rechtsprechungsänderung folgte der BGH dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart, das in der Vorinstanz bereits von der bislang geltenden Rechtsprechung abgewichen war (Urt. v. 30.11.2021, Az. 10 U 58/21).

BGH zur Auslegung des § 204 Abs. 2 BGB

Ausschlaggebend war für den BGH zunächst der klare Wortlaut des § 204 Abs. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Danach trete die Hemmung für alle Ansprüche ein, die Gegenstand des Verfahrens seien. Diese Hemmung ende beim selbstständigen Beweisverfahren gem. § 204 Abs. 1 BGB sechs Monate nach der anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Daraus ergebe sich, dass das Verfahren insgesamt sachlich erledigt sein müsse. Eine teilweise Beendigung im Hinblick auf einzelne von mehreren Beweisgegenständen reiche hingegen nicht aus.

Dieses Verständnis entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, wonach die „Hemmung [...] während des gesamten Verfahrens" andauern sollten. Verschiedene Mängel bildeten dabei ein einheitliches und nicht mehrere selbstständige Beweisverfahren.

Sinn und Zweck von § 204 BGB stützen ebenfalls diese Auslegung. Schließlich sei dem möglichen Schuldner während eines selbstständigen Beweisverfahrens klar, dass die darin geprüften Tatsachen später Gegenstand einer Forderung gegen ihn werden könnten. Daher könnte er sich auch darauf einstellen.

Schließlich sprächen prozessökonomische Erwägungen auch für dieses Ergebnis. Es wäre für die Parteien unnötig umständlich und zeitaufwändig, die Ansprüche nach und nach geltend zu machen, um ihre Verjährung zu verhindern. Schließlich müssten die Kläger dann später noch die weiteren begutachteten Mängel sukzessive durch Klageerweiterung in den Rechtsstreit einführen. Dies laufe dem gesetzgeberischen Ziel zuwider, einen Rechtsstreit möglichst kompakt und zügig zu entscheiden. Zudem widerspreche es dem Zweck des Beweisverfahrens, einen Rechtsstreit von vornherein im Wege einer gütlichen Einigung zu vermeiden, sobald über alle Mängel Klarheit besteht.