Überholter Anwalts-Blog

Keine Löschungs-, aber Aktualisierungspflicht

Bloggt ein Anwalt über einen gerichtlichen Erfolg und ändert sich später die Sachlage, muss der Beitrag zwar nicht gelöscht, aber aktualisiert werden.

26.01.2023Rechtsprechung

Berichtet ein Rechtsanwalt über einen erstrittenen gerichtlichen Erfolg auf seiner Homepage und wird diese Entscheidung später rechtskräftig aufgehoben, muss er diesen Bericht zwar nicht nachträglich löschen. Auf Verlangen des Betroffenen ist er jedoch verpflichtet, den Beitrag zu aktualisieren (Nachtragsanspruch). Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main entschieden den Unterlassungsanspruch einer Wirtschaftskanzlei gegen den bloggenden Rechtsanwalt zurückgewiesen (Urt. v. 15.12.2022, Az. 16 U 255/21).

Im November 2020 hatte der Rechtsanwalt eine einstweilige Verfügung gegen die deutschlandweit tätige Wirtschaftsauskunftei aus Wiesbaden erwirkt. Darüber hatte er in seinem Anwalts-Blog auf der Kanzlei-Webseite unter der Überschrift „Einstweilige Verfügung gegen (die Klägerin) erlassen; Zwangsmittel beantragt“ berichtet. Die einstweilige Verfügung wurde allerdings im Nachgang rechtskräftig aufgehoben. Der Blog blieb jedoch unverändert auf der Website. Dagegen ging die Kanzlei zunächst mit Erfolg beim Landgericht vor (LG Frankfurt am Main, Urt. v. 04.11.2021, Az. 2-03 O 296/21).

OLG: Kein Anspruch auf Löschung, aber auf Aktualisierung

Die hiergegen gerichtete Berufung des bloggenden Anwalts hatte nun aber Erfolg. Die Kanzlei habe keinen Unterlassungsanspruch und müsse den Beitrag daher nicht löschen, stellte das OLG fest. Wahre Tatsachenbehauptungen – wie hier der Erlass der einstweiligen Verfügung – seien grundsätzlich hinzunehmen. Dies gelte auch, wenn sie für den Betroffenen nachteilig seien. Leserinnen und Leser würden erkennen, dass der Beitrag nach der Veröffentlichung nicht aktualisiert worden sei. Auch die zwischenzeitlich erfolgte rechtskräftige Aufhebung der einstweiligen Verfügung begründe den Unterlassungsanspruch nicht.

Zwar könnten dauerhaft online gestellte Blogs im Einzelfall auch dann unzulässig sein, wenn sie ursprünglich rechtmäßig veröffentlicht wurden. „Wenn sich die beim Ursprungsbericht bekannte und zugrunde gelegte Sachlage nachträglich ändert und deshalb die Ursprungsmeldung als unwahr oder jedenfalls in einem anderen Licht erscheinen lässt“, könnten Persönlichkeitsrechte verletzt werden, gibt das OLG zu Bedenken. Komme es zu einer nachträglichen Änderung, sei deshalb eine erneute Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen.

Hier rechtfertigten es die Interessen der Kanzlei es aber nicht, dem Anwalt künftig die Berichterstattung über die aufgehobene Verfügung zu untersagen. Zwar ist der Beitrag ein kommerziell orientierter Blog, für den andere Regeln gelten als für die Presse. Nur letztere sei grundsätzlich nicht verpflichtet, die Berichterstattung über ein einmal aufgegriffenes Thema bei neuen Entwicklungen fortzusetzen. Für einen kommerziell tätigen Anwalt gelte das hingegen nicht. Der geringere Verbreitungsgrad des Blogbeitrags führe allerdings auch zu einer geringeren Beeinträchtigung der Wirtschaftskanzlei. Dem Anwalt sei zudem grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse zuzusprechen, gegenwärtige und potenzielle Kunden darüber zu informieren, dass ein Gericht zunächst zu Gunsten seines Mandanten entschieden habe. Eine Löschung der angegriffenen Äußerungen wäre mithin ein zu starker Eingriff in seine Berufs- und Meinungsfreiheit.

Wichtig für alle Anwältinnen und Anwälte ist jedoch der abschließende Satz des OLG: Ausreichend und verhältnismäßig wäre hier ein Nachtrag über den Fortgang des Verfahrens. Darauf hätte die Klägerin, die rüge, dass „nur die halbe Wahrheit“ berichtet werde, auch einen Anspruch gehabt. Sie hätte aber einen solchen Nachtrag auch verlangen müssen. Daran fehle es hier.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Klägerin die Zulassung der Revision beim BGH begehren.