Umfrage BMJ Fremdkapital

Anwaltschaft steht Lockerung des Fremdbesitzverbotes kritisch gegenüber

Das Bundesjustizministerium fragt, die Anwaltschaft antwortet: Fremdkapital? Nein danke.

05.12.2023Anwaltschaft

Das Bundesjustizministerium (BMJ) hat im Zeitraum Oktober bis November 2023 eine Umfrage in der deutschen Anwaltschaft durchgeführt, um ein Meinungsbild zu einer möglichen Lockerung des Fremdbesitzverbotes zu erhalten.

Hintergrund der Befragung

Aufgrund des in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) verankerten Fremdbesitzverbotes ist es aktuell Rechtsanwaltskanzleien bzw. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in Deutschland nicht möglich, reine Kapitalgeber als Gesellschafter ins Boot zu holen. Die BRAO gestattet nur eine gemeinsame Berufsausübung mit bestimmten Berufsgruppen. Zugleich setzt die gemeinsame Berufsausübung nach den geltenden gesetzlichen Regelungen eine aktive Berufsausübung aller Gesellschafter in der Berufsausübungsgesellschaft voraus. Dies schließt eine reine Kapitalbeteiligung ohne Berufsausübung (Fremdbesitz) aus. Zweck des Fremdbesitzverbotes ist es, die Unabhängigkeit anwaltlicher Beratung – u. a. auch vor Einflussnahme durch reine Kapitalgeber – gesetzlich zu sichern. Gleichwohl stellt sich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Frage, ob das Fremdbesitzverbot ggf. gelockert werden könnte. Erfreulicherweise war es dem BMJ ein Anliegen, die Anwaltschaft als Rechtsanwender einzubeziehen und in Erfahrung zu bringen, ob diese überhaupt einen Bedarf für die Beteiligung von reinen Kapitalgebern an anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften sieht und wie mögliche Konflikte mit der anwaltlichen Unabhängigkeit eingestuft werden. Sowohl Bundesrechtsanwaltskammer als auch Rechtsanwaltskammern haben dieses Vorhaben gerne unterstützt und begleitet und die Anwältinnen und Anwälte um Mitwirkung gebeten.

Teilnehmer aus allen Kammerbezirken und aus unterschiedlichen Kanzleieinheiten

7.598 Anwältinnen und Anwälte (93,52 %), Patentanwältinnen und Patentanwälte (6,56 %) aus allen Bundesländern haben an der Umfrage teilgenommen und den Online-Fragebogen 7.084 mal vollständig beantwortet. Besonders stark beteiligt haben sich Hessen (24,88 %), Bayern (12,07 %), Berlin (14,61 %) und Baden-Württemberg (10,87 %). 57,78 % aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind Einzelanwälte oder in Bürogemeinschaften tätig, 13,36 % arbeiten in einem Anstellungsverhältnis, 28,84 % sind Partnerin oder Partner in einer Kanzlei.

Deutliche Mehrheit lehnt Lockerung des Fremdbesitzverbotes ab und möchte keine reinen Kapitalgeber

Nur 7,23 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer halten eine Lockerung des Fremdbesitzverbotes für notwendig, 6,82 % sähen es als Chance, während 62,57 % eine Lockerung generell ablehnen. 27,69 % lehnen eine Lockerung zwar nicht generell ab, sehen hierfür aber keinerlei Bedarf.

79,58 % sprechen sich sogar deutlich gegen die Aufnahme reiner Kapitalgeber aus, denn 72,83 % aller Befragten sehen offenbar Gefahren für die anwaltlichen Kernpflichten (insbesondere Unabhängigkeit, Verschwiegenheit, Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen) und glauben nicht, dass sich diese Gefahren durch gesetzliche Regelungen eindämmen ließen. 12,04 % sehen zwar die Gefahren, glauben aber an die Möglichkeit, diese durch Gesetze einzudämmen. Knapp über 12 % sehen diese Gefahren abhängig vom Grad der Kapitalbeteiligung. Lediglich 6,03 % können keinerlei Gefahren für Unabhängigkeit und Verschwiegenheit erkennen.

Auch bei Gewinnbeteiligungen zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Selbst für den Fall, dass Finanzierungen mit Gewinnbeteiligungen erlaubt wären, würden dies 71,23 % der Teilnehmenden nach eigenen Angaben keinesfalls in Anspruch nehmen, 10,94 % würden sie in Betracht ziehen, lediglich 5,91 % würden sie wohl in Anspruch nehmen.

Grund dürfte sein, dass 72,30 % der Auflassung sind, dass die Beteiligung Dritter am Gewinn Gefahren für die anwaltlichen Kernpflichten mit sich brächte, die sich auch durch gesetzliche Vorgaben nicht hinreichend eindämmen lassen. 17,07 % sehen diese Gefahren, gehen aber davon aus, dass sich diese Gefahren durch gesetzliche Vorgaben minimieren lassen. Lediglich 8,53 % sehen keine Gefahren für die Core Values der Anwaltschaft.

Anwaltschaft kommt selbst zu Wort

In der letzten Frage ließ das BMJ die Anwaltschaft selbst zu Wort kommen. 1.159 Kolleginnen und Kollegen haben eigene Anmerkungen hinterlassen, in denen sie sich überwiegend sehr kritisch zu Wort meldeten. So wurde geäußert, dass eine Lockerung des Fremdbesitzverbotes zu „amerikanischen Verhältnissen“ führen, Mandanteninteressen vernachlässigt und kleinere Kanzleien vom Markt verdrängt würden. Ebenso wird eine Entwicklung vergleichbar dem medizinischen Sektor und eine Begrenzung des Zugangs zum Recht sowie eine zunehmende Kommerzialisierung des Rechts befürchtet. Andererseits finden sich durchaus auch vereinzelte positive Anmerkungen: Fremdkapital und Gewinnbeteiligungen könnten insbesondere gerade jungen Gründern eine wertvolle Unterstützung sein.

Trend zur Digitalisierung

Anders sieht es beim Thema Digitalisierung in Kanzleien aus. 31,57 % wollen mehr in die Digitalisierung ihrer Kanzlei investieren, 12,46 % sogar eine eigene Legal-Tech-Plattform aufbauen, 24,31 % sehen einen Bedarf, KI-Anwendungen zu integrieren. 29,85 % möchten mehr in Lizenzen und IT-Anwendungen investieren.

Fazit

Die Anwaltschaft steht KI und Digitalisierung aufgeschlossen gegenüber. Beim Thema Fremdkapital hingegen möchte die Anwaltschaft nicht experimentieren. Die Kernwerte haben nichts von ihrer Bedeutung für den Berufsstand eingebüßt.

Die Anwaltschaft hat ihre Auffassung klar zum Ausdruck gebracht: Gewinnbeteiligung und Fremdkapital? Nein danke!

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