Videoverhandlungen – wie geht es jetzt weiter?
Bundesrat versus Bundesregierung. Die Ausweitung der Digitalisierung und Modernisierung unseres Rechtssystems lässt (leider) weiter auf sich warten.
Mit dem Mitte November vom Bundestag beschlossenen Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten soll erreicht werden, dass Gerichte häufiger Videoverhandlungen durchführen. Nun hat der Bundesrat am 15.12.2023 das Thema in den Vermittlungsausschuss verwiesen. Die Enttäuschung ist groß; Für und Wider werden entsprechend intensiv diskutiert.
Viele Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte befürworten grundsätzlich die Möglichkeit, vermehrt Videoverhandlungen durchzuführen. Die Länder hingegen sind mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zufrieden und lehnen beispielsweise „vollvirtuelle Videoverhandlungen", bei denen alle Verfahrensbeteiligte zugeschaltet werden, ab. Hier muss nun der Vermittlungsausschuss einen Kompromiss finden.
In einem Artikel des MDR v. 28.12.2023 äußerte nun die sächsische Justizministerin Katja Meier (Bündnis 90/Grüne), dass Videoverhandlungen nicht immer in Betracht kämen, jedoch in Verfahren sinnvoll seien, bei denen ausschließlich überschaubare Rechtsfragen erörtert werden und es zu keiner Beweisaufnahme mit Zeugenaussagen kommt. In Sachsen gehören virtuelle Gerichtsverhandlungen im Zivilprozess somit inzwischen zum Alltag.
Rechtsanwältin Sabine Fuhrmann, Vizepräsidentin der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und Präsidentin der Rechtsanwaltskammer Sachsen, sagt hierzu:
„Heute ist es möglich, dass ich am Vormittag virtuell in Hamburg und am Nachmittag virtuell in München verhandle."
Die Bundesrechtsanwaltskammer hatte sich mit mehreren Stellungnahmen in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Sie befürwortet die geplante Ausweitung von Videoverhandlungen, legt jedoch Wert darauf, dass diese nicht über die Parteien hinweg vom Gericht angeordnet werden können. Die vermehrte Nutzung von Videoverhandlungen lässt aus ihrer Sicht zudem eine deutliche Beschleunigung der Verfahren erwarten, da nicht nur lange Anreisewege entfallen, sondern auch die Anzahl von Verlegungsanträgen sinken dürfte. BRAK-Vizepräsidentin Sabine Fuhrmann nahm in der Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags zum Gesetzverfahren als Sachverständige am 18.10.2023 entsprechend Stellung.
Welchen Kompromiss der Vermittlungsausschuss nun findet, bleibt spannend. Das zweifelsohne in Deutschland bestehende Digitalisierungsdefizit sollte aber dringend abgebaut werden.
Weiterführende Links:
- Präsidentenschreiben v. 5.12.2023
- BRAK-News v. 21.11.2023 (zum Bundestags-Beschluss)
- Nachrichten aus Berlin 21/2023 v. 18.10.2023 (zum Regierungsentwurf)
- Stellungnahme der BRAK Nr. 60, Oktober 2023 (zum Regierungsentwurf)
- Stellungnahme des Bundesrates [BR-Drs. 228/23 (Beschl. v. 7.7.2023)]
- Nachrichten aus Berlin 12/2023 v. 14.6.2023
- Nachrichten aus Berlin 2/2023 v. 25.1.2023 (zum Referentenentwurf)
- BRAK-Podcast, Februar 2023, Der geplante § 128a ZPO - Wasch mich, aber mach mich nicht nass?“
- Stellungnahme der BRAK Nr. 5, Januar 2023 (zum Referentenentwurf)
- BRAK-Podcast, Dezember 2022, Schauspieler in der Videoverhandlung – Der Prozess der Zukunft
- Stellungnahme der BRAK Nr. 3, Februar 2022 (zur Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit)