Büro Brüssel
Ausgabe
20/2005 03.11.2005
Themen
in dieser Ausgabe: -
EuGH-Urteile
zur Vereinbarkeit der deutschen Rechtspraxis mit der Haustürgeschäfterichtlinie -
Europäischer Tag der
Ziviljustiz -
Entschließung
des EP zum Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität |
-
Kommissionsarbeitsprogramm
2006 -
Bessere Rechtsetzung": Plan zur Vereinfachung
des "gemeinschaftlichen Besitzstandes" -
Debatte
um die Verfassung |
Zivilrecht
|
EuGH-Urteile
zur Vereinbarkeit der deutschen Rechtspraxis mit der Haustürgeschäfterichtlinie
Mit
den Urteilen vom 25. Oktober 2005 in den Vorabentscheidungsverfahren C-350/03
und C-229/04
hat der EuGH bestätigt, dass die deutsche Rechtspraxis zum Widerruf von Haustürgeschäften
grundsätzlich europarechtskonform ist. Da die Haustürgeschäfterichtlinie
nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht auf Immobilienkaufverträge anwendbar sei,
stehe dem Verbraucher insoweit kein Widerrufsrecht zu. Auch wenn der
Darlehensvertrag als Haustürgeschäft widerrufen werden könne, bleibe der
notariell beurkundete Immobilienkaufvertrag wirksam. Es sei auch mit
Europarecht vereinbar, wenn der Verbraucher nach den nationalen Regelungen bei
Widerruf des Darlehensvertrags verpflichtet sei, das Darlehen mit den
marktüblichen Zinsen sofort und vollständig zurückzuzahlen. Dies gelte selbst
dann, wenn der Immobilienkaufvertrag mit dem widerrufbaren Verbraucherkreditvertrag
ein einheitliches Finanzgeschäft darstelle. Allerdings stellt der EuGH klar,
dass der Kreditgeber das Risiko der Geldanlage in Form einer Immobilie trägt,
wenn es sich bei dem Darlehensvertrag zur Finanzierung der Immobilie um ein
Haustürgeschäft handelt, die Belehrung über das Widerrufsrecht bei Abschluss
des Darlehensvertrags fehlt und der Schaden, der durch den Kauf einer
minderwertigen Immobilie entstanden ist, durch einen rechtzeitigen Widerruf
hätte vermieden werden können. Dies durchzusetzen ist nach Ansicht des EuGH
Sache der nationalen Gerichte bei der Auslegung des nationalen Rechts unter
Berücksichtigung der Haustürgeschäfterichtlinie.
Europäischer
Tag der Ziviljustiz
Seit 2003 ist auf Betreiben der
Kommission und des Europarats der 25. Oktober Europäischer Tag der
Ziviljustiz: Dieser Tag soll die Bedeutung der Zivilgerichtsbarkeit für das
Zusammenwachsen Europas verdeutlichen: Den Bürgern in den Mitgliedstaaten soll
die Möglichkeit gegeben werden, sich mit der Ziviljustiz in ihren Ländern
vertraut zu machen. In Deutschland wurde der Tag der Europäischen Ziviljustiz
am 27. Oktober 2005 vom Landgericht
Frankfurt/Oder ausgerichtet.
Erstmals ist dieses Jahr der
europäische Preis Kristallwaage für innovative Praktiken bei der Organisation
der Zivilgerichte und verfahren verliehen worden. Gewinner ist das finnische
Berufungsgericht in Rovaniemi für die Verbesserung der Qualität der Justiz in den Gerichten.
Strafrecht
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Entschließung
des EP zum Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität
Das EP hat am 26. Oktober 2005 eine legislative
Entschließung zum Kommissionsvorschlag
zum Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität
angenommen.
Der Kommissionsvorschlag zielt auf ein
verbindliches Instrument ab, das eine Angleichung des Strafrechts der
Mitgliedstaaten bewirken und die Zusammenarbeit verbessern soll, um die
organisierte Kriminalität wirksamer bekämpfen zu können und zu verhindern, dass
Gruppierungen der organisierten Kriminalität von legalen Schlupflöchern und
Gesetzesunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten profitieren können.
Das EP spricht sich in seiner
Entschließung für die Klarstellung aus, dass keine Auslegung des Rahmenbeschlusses
möglich ist, die eine Schmälerung oder Behinderung der Grundrechte zur Folge
hätte. Außerdem ist vorgesehen, dass neben dem Anführen auch das Fördern,
Bilden und Organisieren einer kriminellen Vereinigung unter Strafe gestellt
wird. Die Entschließung enthält einen Katalog zu verhängender Sanktionen, so
Beschlagnahme, Einziehung und Vernichtung von Gütern. Sofern es sich um kriminelle
Vereinigungen handelt, die terroristische Ziele verfolgen, Menschenhandel
organisieren oder mafiöse Strukturen haben, ist ein höheres Strafmaß
vorgesehen. Außerdem ist die Einführung von Dienststellen für
Schwerkriminalität sowie die Sicherstellung von Vermögenswerten in jedem Mitgliedstaat
vorgesehen, um die Koordinierung auf nationaler Ebene zu gewährleisten.
Da es sich bei dem zu verabschiedenden
Rahmenbeschluss um ein Instrument der dritten Säule (polizeiliche und
justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen) handelt, wird das EP lediglich
angehört. Die Verabschiedung des Rahmenbeschlusses erfordert eine einstimmige
Beschlussfassung des Rates, die noch aussteht.
Sonstiges
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Kommissionsarbeitsprogramm
2006
Die Kommission hat mit Datum vom 25.
Oktober 2005 die Mitteilung
Das ganze Potenzial Europas freisetzen Legislativ- und Arbeitsprogramm der
Kommission für 2006 veröffentlicht. Darin stellt die Kommission die
Schwerpunkte ihrer Arbeit im nächsten Jahr vor und nennt als Kernziele Wohlstand,
Solidarität, Sicherheit und Europa als Partner in der Welt. Die Mitteilung der
Kommission enthält im Anhang eine Prioritätenliste der Kommission für 2006.
Außerdem kündigt die Kommission an, die Qualität der Maßnahmen durch rigorose
Anwendung einer besseren Rechtsetzungsdisziplin sicherzustellen: Vereinfachung,
Modernisierung, Konsultation und sorgfältige Folgenabschätzung würden im Rahmen
ihrer gesamten Arbeit berücksichtigt.
Bessere
Rechtsetzung: Plan zur Vereinfachung des gemeinschaftlichen Besitzstandes
Die Kommission hat im Rahmen ihrer
Strategie Bessere Rechtsetzung" eine 3-Jahres-Plan zur Vereinfachung des
ordnungspolitischen Umfeld vorgestellt. In dieser Mitteilung
zur Umsetzung des Lissabon-Programms schlägt sie die Aufhebung, Kodifizierung,
Neufassung oder Änderung von 222 grundlegenden Rechtsvorschriften in den
nächsten drei Jahren vor. Unnötige oder überholte Vorschriften sollen beseitigt
werden. Es ist vorgesehen, dass alle Bestimmungen und Änderungen eines
Rechtsaktes in einem neuen rechtlich verbindlichen Akt zusammengefasst werden,
der die früheren Rechtsakte ersetzt. Die Kommission schlägt mehr Koregulierung
vor, beispielsweise die Normierung von EU-Rechtsakten durch unabhängige
Stellen. Außerdem plant sie das Ersetzen von Richtlinien durch die unmittelbar
in den Mitgliedstaaten anwendbaren Verordnungen. Zum Schutz vor Veraltung wird
die Kommission in ihre künftigen Gesetzesvorschläge eine Befristungs- oder
Überprüfungsklausel aufnehmen. Der Drei-Jahres-Plan der Kommission bedarf zu
seiner Verabschiedung noch der Zustimmung des EP und des Rats.
Über die Strategie "bessere
Rechtsetzung" der Kommission berichteten wir in der Ausgabe 18 aus 2005 der
Nachrichten aus Brüssel.
Debatte
um die Verfassung
Im EP wird um die Zukunft der Europäischen
Verfassung gestritten: Die Konservativen und die Sozialdemokaten wollen an
der vorliegenden Fassung der Verfassung festhalten und eine Lösung finden für
diejenigen Staaten, die die Verfassung nicht ratifizieren. Demgegenüber
sprechen sich die kleinen Parteien dafür aus, nach einer umfassenden Debatte
die Ratifikation einer geänderten Version anzustreben.
Bislang haben 14 Mitgliedstaaten die
Verfassung ratifiziert, in zwei Mitgliedstaaten Frankreich und Holland
haben sich die Bürger gegen die Verfassung ausgesprochen.
Über die Diskussion zur Zukunft
der Europäischen Verfassung berichteten
wir zuletzt in der Ausgabe 13
der Nachrichten aus Brüssel.
Impressum Bundesrechtsanwaltskammer, Büro Brüssel,
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0032-2-743 86 56, E-Mail: brak.bxl@brak.be Redaktion und Bearbeitung: RAin Dr. Heike Lörcher, RA Dr. Wolfgang Eichele, LL.M. und RAin Mila Otto, LL.M. |
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